„Für solche Spiele quält man sich“

Die Wiener Fivers wollen Ende April beim Cup-Final-4 in der Südstadt ihren nächsten Titel holen. Tormann Boris Tanic erklärt, warum dieser Bewerb besonders ist, was ihn geritten hat Handball-Goalie zu werden und wie sich das mit seinem Job bei der Raiffeisenzeitung vereinen lässt.

Boris Tanic springt am Spielfeld dem Ball entgegen.
© GEPA Pictures/Oliver Lerch

Wie verrückt muss man sein, sich Bällen, die aus kürzester Distanz abgefeuert werden, entgegenzuwerfen?
Boris Tanic: Ich höre öfter die Frage, was mich da geritten hat. Früher war ich selbst im Feld, Kondition gehörte aber nicht zu meinen Stärken. Als ich dann mit elf Jahren mal ins Tor ging, meinten die Trainer: Das schaut richtig gut aus, was du da machst. Dazu kommt, dass ich diese unglaublich beweglichen Zwei-Meter-Typen im Tor immer schon faszinierend fand.

Schaut man sich den Kader der Fivers an, sieht man: Keine Legionäre, aber unglaublich viele Eigenbauspieler. So wie du einer bist. 
Tanic: Ja, die Fivers stehen zu 100 Prozent für Nachwuchsarbeit. Dort ist der Verein seit Jahren spitze in Österreich. Dazu gehört, dass man dem Nachwuchs auch die Chance gibt, sich bei den Profis zu beweisen. Vor zehn Jahren sah das noch anders aus, da gab es durchaus Legionäre oder Spieler aus anderen Teilen Österreichs. Derzeit gibt es nur einen Spieler bei uns, der nicht im Verein ausgebildet wurde, Wolfgang Filzwieser aus St. Pölten, ebenfalls Tormann. Diese Philosophie ist ein Alleinstellungsmerkmal von uns, ein Weg, den man unbedingt beibehalten sollte.

Du sprichst Wolfgang Filzwieser an. Wie teilt man sich die Aufgabe im Handball-Tor?
Tanic: Bei uns klappt das reibungslos. Es wird von Spiel zu Spiel entschieden, es wird geschaut, wer besser in Form ist oder wer besser zum Gegner passt. Dabei ist der eine dem anderen auch nicht neidig, wenn der gut spielt und man selbst weniger zum Zug kommt. Wir sind als Duo sehr gut zusammengewachsen. Wobei zur Wahrheit gehört, dass am Ende jeder spielen und derjenige sein will, der das Match entscheidet. Wichtiger ist aber, dass die Mannschaft gewinnt.

Man hat das Gefühl, dass Handball-Keeper viel weniger Konkurrenzdenken untereinander haben als zum Beispiel Fußball-Tormänner.
Tanic: Das stimmt wohl. Der Zusammenhalt ist im Handball generell sehr hoch. Was auch an der Möglichkeit des fliegenden Wechsels liegt. Das gilt auch für die Feldspieler, bei denen ja noch viel mehr gewechselt wird als bei uns im Tor.

Filzwieser ist bereits 38 Jahre alt – spekulierst du darauf, dass er bald abtritt und du noch mehr Spielzeit bekommst?
Tanic: Zunächst mal: Wolfi bringt Top-Leistungen und kann sicherlich noch bis 40 spielen. Das ist im Handball ohne Weiteres möglich. Aber ich hätte natürlich nichts dagegen, noch mehr Verantwortung zu übernehmen und den Part des erfahrenen Keepers auszufüllen. Mit meinen 26 Jahren bin ich noch nicht im besten Tormann-Alter, das beginnt im Handball ab 30, wenn Routine und körperliche Fähigkeiten auf einer Höhe sind. Ich kann mich über meine Spielzeit aber auch jetzt beim besten Willen nicht beschweren. Und der Erfolg gibt uns ja auch Recht.

Gutes Stichwort. Die Fivers sind Dritter in der Meisterschaft und stehen im Final-4-Turnier um den Cup. Ist man vollends zufrieden mit der bisherigen Saison?
Tanic: Naja, es gab schon Spiele, in denen wir Punkte verschenkt haben. Ich denke da an das Match in Ferlach. Wenn man den Anspruch hat, um den Meistertitel zu spielen, sollte man das nicht verlieren. Trotzdem können wir zufrieden sein, weil wir in den beiden Titelrennen noch voll dabei sind. Wir sind ein Team, das weniger über die individuelle Klasse, dafür mehr über das Kollektiv und den Kampfgeist kommt. Da kann es auch schon mal stocken.

Tabellenführer ist Titelverteidiger Krems – sind die heuer zu biegen?
Tanic: Sie stehen verdient auf Platz eins, sind derzeit die stärkste und dominanteste Mannschaft, was auch an ihren starken Legionären liegt. Sie wurden vergangenes Jahr auch zu Recht Meister, auch wenn es im Halbfinale gegen uns denkbar knapp wurde, die Entscheidung erst im Siebenmeter-Werfen fiel. Wir haben also noch eine Rechnung offen (lacht). Und nicht vergessen: Wir haben Krems im Cup-Viertelfinale auswärts geschlagen, das war ein riesiger Erfolg für uns und zeigt, dass wir sie besiegen können. Unser Ziel ist jedenfalls, sie heuer zu entthronen.

Du sprichst den Cup an, wo die Fivers mit Krems und Ferlach schon mal zwei richtig dicke Bretter gebohrt haben.
Tanic: Das macht die Faszination Cup aus, du hast 60 Minuten, kein Rückspiel, kein Unentschieden, es muss einen Sieger geben. Das ist uns gegen Ferlach und Krems gelungen. Und jetzt ist das Ziel klar: Wer unter den Top 4 steht, muss auch auf den Titel gehen (Anm.: die weiteren Teilnehmer in der Südstadt am letzten April-Wochenende sind Westwien, Hard und Bruck). Ins Final 4 zu gehen und zu sagen: Wir schauen mal, was passiert – das ist der falsche Weg. Ins Final 4 musst du gehen und unbedingt den Titel wollen!

Boris Tanic in seiner Handball-Dress
© GEPA Pictures/Edgar Eisner

Die Fivers sind mit acht Titeln Rekord-Cup-Sieger. Der Bewerb scheint dem Klub zu liegen.
Tanic: Das stimmt, da waren einige denkwürdige Spiele dabei. Ich selbst durfte auch schon bei drei Titeln dabei sein. Das Setting mit dem Final-4-Turnier ist schon richtig cool. Am Freitag das Halbfinale, bei dem die Fans schon richtig heiß sind, und nur ein Tag später das Finale. Eine tolle Atmosphäre, zwei Tage voller Adrenalin, ich liebe das.

Man merkt: Dir sind solche Do-or-die-Spiele lieber, als wenn man zehn Minuten vor dem Ende gegen den Letzten acht Tore Vorsprung hat …
Tanic: Absolut! Für solche Spiele trainierst du, dafür quälst du dich. Ich sehe das als Belohnung. Wo andere vielleicht Angst bekommen und nervös werden, drehen wir erst so richtig auf. Das sind die Spiele, die wir haben wollen.

Peter Eckl ist bereits seit 2010 Trainer der Fivers, im heutigen Sport eine unfassbar lange Zeit. Warum gelingt es ihm, sich nicht abzunutzen?
Tanic: Kein Trainer in Österreich kann junge Spieler so gut an die erste Mannschaft heranführen wie Peter. Er gibt dem Nachwuchs früh Verantwortung, was sich nicht viele trauen. Das liegt auch wiederum an unserer Struktur ohne Legionäre, wir können uns nicht auf deren Stärke ausruhen. Jedenfalls profitieren junge Spieler davon, weil ihnen vermittelt wird: Du bist zwar erst 18, aber was du machst, hat eine hohe Wichtigkeit für uns. Dazu kommt, dass sich das Spielsystem bei uns von der U11 bis zur Kampfmannschaft durchzieht, jeder weiß auch in der nächsthöheren Stufe, was ihn erwartet. Auch dafür ist Peter Eckl verantwortlich.

Tormann-Trainer ist Sergiy Bilyk, Vater von Kiel-Star Nikola, mit dem du in der Jugend lange zusammengespielt hast. Was kannst du von ihm mitnehmen?
Tanic: Sergiy war der erste Handball-Torhüter, den ich je live gesehen habe. Von ihm war ich vom ersten Moment an fasziniert. Da er bis 45 im Tor stand, haben wir sogar noch bei den Profis zusammengespielt. Was ich von ihm mitnehme, ist seine unglaubliche Erfahrung auf allerhöchstem Niveau. Wie er ein Spiel liest, welche technischen Kniffe er draufhat, das ist schon einzigartig. Bei uns im Tor kommt es ja manchmal auf Zentimeter an, da kann die kleinste Bewegung entscheidend sein. 

Du bist Semi-Profi, arbeitest neben deiner Karriere bei den Fivers seit etwas mehr als einem Jahr als Abo-Manager bei der Raiffeisenzeitung. Wie schwer ist es, beides unter einen Hut zu bringen?
Tanic: Am Anfang war es eine ordentliche Umstellung, wenn es nach dem Vormittags-Training nicht nach Hause, sondern ins Büro ging. Die Regenerationszeiten verkürzen sich, man muss ja in beiden Bereichen höchst konzentriert sein. Mittlerweile hat es sich sehr gut eingependelt, ich habe mein Schlaf- und Essverhalten adaptiert, das ist kein Problem mehr. Man darf nicht vergessen: Mein Körper ist mein Kapital, da gilt es sehr gut aufzupassen. Ich denke, das gelingt mir ganz gut!