Im heurigen Jahr 2025 jähren sich mehrere Ereignisse, welche die Geschichte des heimischen Rübenanbaus wesentlich geprägt haben: Angefangen bei der Gründung des Rübenbauernbunds für Niederösterreich und Wien vor 120 Jahren über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vor 30 Jahren bis hin zur Reform der Zuckermarktordnung vor 20 Jahren. In Feierlaune sind die Interessenvertreter der rund 3.400 Rübenbauern in den beiden Bundesländern derzeit aber trotz der drei Jubiläen wahrlich nicht – bei der Generalversammlung am Aschermittwoch stand die aktuell schwierige Situation am Zuckermarkt im Vordergrund.
So war die Stabilisierung des Zuckermarktes der letzten beiden Jahre nur von kurzer Dauer: „Wir haben zwei gute Jahre hinter uns, das war sozusagen der Fasching. Jetzt sind wir wieder in der Fastenzeit angekommen“, berichtete Obmann Ernst Karpfinger. Während man sich im Vorjahr noch über den Turnaround freuen konnte, sind die Rübenbauern heuer wieder mit einem Preissturz konfrontiert. Auslöser dafür war die ursprünglich vollständige Öffnung des EU-Zuckermarktes für die Ukraine. Die Folge war eine deutliche Ausweitung der Zuckerrübenflächen in dem kriegsgebeutelten Land, wodurch sich innerhalb der Union ein hoher Mengen- und Preisdruck ergab.
Zuckerpreis um 35 Prozent gefallen
„Die aktuelle Mengenbegrenzung von 263.000 Tonnen im Jahr 2024 und 110.000 Tonnen bis Juni 2025 konnte noch Schlimmeres verhindern, brachte aber den europäischen Zuckermarkt mit einem enormen Preisverfall ins Wanken, der sich im gleichen Ausmaß auf die Rübenpreise negativ auswirkte“, fasste Karpfinger die gegenwärtige Lage zusammen. Seine Aussagen werden auch durch den Verlauf des europäischen Zuckerpreises untermauert: Während eine Tonne Weißzucker vor rund einem Jahr noch auf einem Hoch von 850 Euro rangierte, ist der Preis seither auf 557 Euro gefallen. Das entspricht einem Rückgang von rund 35 Prozent.
Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg und der Öffnung des Marktes kämpft die europäische Rüben- und Zuckerbranche immer wieder mit den Folgen des Freihandels. „Seit der Reform der Zuckermarktordnung 2005 – also vor 20 Jahren – sind wir Rübenbauern dieser Entwicklung ausgesetzt“, beklagt Karpfinger. Marktzutritte, die zunächst ausschließlich für Entwicklungsländer bestimmt waren, haben sich seither auf Südamerika, den Westbalkan, Australien und die asiatischen Länder ausgeweitet. Entsprechend kritisch stehen die Rübenbauern auch den Freihandelsplänen der EU mit Lateinamerika gegenüber: „Das Mercosur-Abkommen wird die Situation noch weiter verschärfen“, meinte der Obmann.
„Bunter Strauß an Herausforderungen“
Stichwort verschärfte Situation: In seiner Gastrede spannte Generalanwalt Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien und Agrana-Aufsichtsratsvorsitzender, den Bogen vom umkämpften Zuckermarkt zur angespannten weltpolitischen Lage. „Wir leben in einer Zeit, die einen bunten Strauß an Herausforderungen an uns stellt“, sagte er unter anderem mit Blick auf die USA, aber auch den anhaltenden Ukraine-Krieg und sprach von einer „geopolitischen Zeitenwende“. Deren Auswirkungen auf die Wirtschaft mache nicht nur eine digitale Transformation notwendig: „Wir müssen Geschäftsmodelle auf den Kopf stellen und mit unseren Partnern überlegen, welche Handlungen wir setzen müssen, damit wir auch in Zukunft erfolgreich für beide Seiten produzieren können“, so Hameseder. Dies gelte insbesondere für die Zusammenarbeit der Agrana mit den landwirtschaftlichen Betrieben über den Rübenbauernbund.
Solidarität nicht um jeden Preis
Hameseder wies darauf hin, dass in der Ukraine nicht kleine bäuerliche Strukturen vom Zuckerhandel mit der EU profitieren, sondern sehr große Agrar-Holdings, die meist gar nicht vor Ort ansässig sind. Tatsächlich findet sich in den Top 10 der Agrarproduzenten in der Ukraine nur ein Unternehmen, das seinen Sitz in dem Land hat – und zwar an letzter Stelle. „Solidarität mit Notleidenden wie der Ukraine ist uns ein wichtiges Anliegen. Aber das darf nicht auf Kosten des Überlebens der heimischen Landwirtschaft und Industrie gehen“, betonte er.
Auch Stephan Büttner, Vorstandsvorsitzender der Agrana, sprach angesichts von einem negativen Vorsteuerergebnis von 44,7 Mio. Euro im Bereich Zucker in den ersten drei Quartalen 2024/25 von schwierigen Zeiten: „Wir müssen uns überlegen, wie wir den Zuckerstandort Österreich für die Zukunft nachhaltig absichern und wetterfest machen können.“ Mit der Konzernstrategie „Agrana Next Level“ wurde bereits im November ein Maßnahmenpaket beschlossen, das künftig 80 bis 100 Mio. Euro pro Jahr einsparen soll.
Die Rübenbauern als Rohstoffproduzenten sehen aber auch die Politik in der Verantwortung, um der negativen Entwicklung entgegenzusteuern: „Wenn der Europäischen Kommission die Eigenversorgung wirklich wichtig ist, so wie sie das immer wieder beteuert, sollte sie Maßnahmen ergreifen, die den europäischen Rüben- und Zuckersektor stärken. Das betrifft einerseits die Rücknahme der dramatischen Verbotspolitik im Pflanzenschutz und andererseits die unfairen Freihandelsabkommen, welche die schlechteren Produktionsstandards in diesen Ländern nicht berücksichtigen“, forderte Ernst Karpfinger.