Den Funktionärinnen-Beirat gibt es bereits seit 2014, was waren für Sie die prägendsten Erlebnisse und Erfolge der letzten Jahre?
Anita Straßmayr: Da fallen mir natürlich auf Anhieb eine Vielzahl an Themen ein. Zunächst einmal waren die Etablierung des Funktionärinnen-Beirats und das Bewusstmachen unserer Anliegen ganz wichtig und das ist uns mit viel Öffentlichkeitsarbeit und den Bundesland-Netzwerktreffen sehr gut gelungen. Erfolgreich waren auch unser Vielfaltsfilm und die Erstellung des Folders ‚Zukunft miteinander – Zukunft Frauen‘ mit der Darstellung der Aufgaben, Anforderungen und Chancen der Funktionärinnen-Tätigkeit – dies hat beim Ansprechen und Gewinnen von Frauen für das Funktionärsamt sehr geholfen. Und der Austausch mit vielen anderen engagierten Frauen-Netzwerken hat uns andere Perspektiven eröffnet und neue Denkanstöße geliefert.
Bettina Kastner: Im Rahmen unserer ‚Bewusst Raiffeisen‘-Kampagne haben wir Frauen Sujets erarbeitet, die durchaus auch zu anregenden Diskussionen in manchen Männerrunden geführt haben. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung des verpflichtenden Diversitätsberichtes: Bei den Revisionen der Raiffeisenbanken österreichweit gibt es seit 2019 einen Bericht zur Diversität. Und zwar wird die Anzahl Frauen-Männer und die Altersstruktur nach Altersklassen festgehalten, damit haben wir eine intensivere Behandlung des Diversitätsthemas erreicht. Ergänzend zu der laufenden Berichterstattung in der Raiffeisenzeitung haben wir voriges Jahr mit unserer Social Media-Kampagne auf Linkedin und Facebook begonnen. Alle zwei Wochen gibt es den ‚Women Wednesday‘ mit aktuellen Infos. Zusätzlich posten wir die monatlichen Raiffeisenzeitungs-Kolumnen unserer Beiratsdamen mit ganz persönlichen Einblicken: Wir sind stolz, dass unsere Beiträge immer sehr viele Likes und Kommentare erzielen, das ist eine Bestätigung dafür, dass das Thema Diversität interessiert.
Lässt sich die Wirksamkeit der Aktivitäten und Maßnahmen auch mit Zahlen belegen?
Straßmayr: Natürlich! Wir haben seit der Gründung des Funktionärinnen-Beirats den Anteil von Funktionärinnen in der Raiffeisen Bankengruppe von 8,5 Prozent auf nunmehr 18 Prozent steigern können. Ich bin daher überzeugt, dass wir auch unser nächstes Ziel – 25 Prozent bis zum Jahr 2025 – schaffen werden.
Kastner: Besonders erfreulich ist auch, dass wir in allen Bundesländern Zuwächse geschafft haben, vier Bundesländer haben bereits die 20-Prozent-Marke geknackt und zwei Bundesländer sind bereits nahe an die 25 Prozent herangekommen. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am mittelfristigen Ziel angelangt.
Was ist denn das langfristige Ziel?
Kastner: Selbstverständlich 50 Prozent! Und das ist auch ganz logisch zu erklären: Wir haben bei unseren Mitarbeitern, Mitgliedern und Kunden einen 50-prozentigen Frauenanteil, diese Zahl wollen wir auch im Funktionärsbereich erreichen und damit die Raiffeisen-Gesellschaft abbilden. Das ist kein Selbstzweck, sondern es ist mit vielen Studien belegt, erst letztens wieder vom renommierten Unternehmensberater McKinsey, dass Unternehmen mit Frauen in den Führungsetagen erfolgreicher sind als Unternehmen mit der geringer Gender-Vielfalt. Übrigens: Um sich zum Thema Diversität viele neue Impulse zu holen, empfehle ich den Besuch des Raiffeisen Bundeskongress Diversität & Co-Kreation am 12. und 13. Mai 2022 in Linz, der vom Raiffeisen Campus veranstaltet wird und einen vielfältigen Mix aus wissenschaftlichen Inputs, Key-Notes, der Möglichkeit zur Vernetzung, Messeständen und viel Inspiration bietet – also aus meiner Sicht ein absolutes Pflichtprogramm und natürlich sind wir als Funktionärinnen-Beirat dort auch vertreten.
Wir befinden uns noch am Beginn des Jahres. Welche Wünsche, welche Ambitionen gibt es für 2022?
Straßmayr: Mein größter Wunsch: Diversität soll 2022 einen ganz breiten Stellenwert bekommen und wir wollen natürlich wieder einen Fortschritt bei den Zahlen sehen. Ganz wichtig dabei: Es muss endlich in allen Raiffeisenbanken Funktionärinnen geben, alles andere ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Derzeit haben wir noch bei 48 Raiffeisenbanken Nachholbedarf, da werden wir in den betreffenden Regionen Überzeugungsarbeit leisten. Außerdem haben wir bei Fusionen von Raiffeisen-
banken nach wie vor das Problem, dass zuerst die Frauen ihre Mandate verlieren. Das kann so nicht sein – da braucht es deutlich mehr Sensibilität, schon in den ersten Fusionsgesprächen und -beratungen. Daher haben wir voriges Jahr mit dem Revisionsausschuss vereinbart, dass auf den Aspekt ‚Diversität bei Fusionen‘ auch von Seiten der Revision Bedacht genommen wird
Kastner: Ein ganz entscheidendes Projekt bereiten wir gerade vor: wir werden den Funktionärinnen-Beirat auch für andere Sparten im Sektor öffnen und sind gerade in der Planungsphase, wie wir die Lagerhäuser und Molkereien integrieren und unsere zahlreichen Aktivitäten der letzten sieben Jahre auch in diesem Bereich umsetzen können. Dieser Schritt ist logisch nachvollziehbar: Erstens ist Diversität für alle Bereiche von Bedeutung und zweitens versteht sich der ÖRV für alle Sparten als Dienstleister und Plattform. Es erwartet uns also ein Jahr der Vielfalt, wir freuen uns auf diese spannenden Herausforderungen, die wir mit dem Commitment der Verantwortungsträger meistern werden.
Am 8. März wird der mittlerweile traditionelle Weltfrauentag begangen. Was halten Sie davon?
Straßmayr: Bei dieser Frage bin ich sehr gespalten, einerseits ist ‚man‘ ja nicht nur Frau am 8. März, sondern 365 Tage im Jahr, daher sollten nicht nur an diesem Tag die Anliegen von Frauen thematisiert werden. Provokant gesagt liegt hierbei ein ähnliches Problem wie beim Muttertag vor. Aber andererseits kann dieser Tag natürlich gut genutzt werden, um entsprechende Diskussionen zu führen, hoffentlich über Fortschritte zur gänzlichen Gleichberechtigung von Frauen berichten zu können und vor allem Diversität bewusst zu machen. Das heißt, solange wir die Ziele der Gleichberechtigung noch nicht erreicht haben, brauchen wir wohl auch den Weltfrauentag.