Rangnick: Gemeinsame Vision vorleben

ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick verriet beim Genossenschaftskongress, wie man aus guten Einzelspielern ein erfolgreiches Team formt.

Die Stärke der Gemeinschaft zählt zu den Grundpfeilern des Genossenschaftswesens. Zugleich ist sie auch im Teamsport ein unverzichtbares Element, um erfolgreich zu sein. Das weiß ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick aus erster Hand, blickt der Deutsche doch nicht nur auf langjährige Erfahrung im Profifußball zurück, sondern ist auch mit der Nationalmannschaft höchst erfolgreich und am besten Weg, Österreich erstmals seit Frankreich 1998 wieder zu einer WM-Endrunde zu führen. Beim Genossenschaftskongress schlug Rangnick die Brücke zum Sport und erklärte, warum kein Einzelner ein Spiel allein gewinnen kann. 

Grundsätzlich könne nachhaltiger Erfolg nur entstehen, wenn klar ist, wofür man steht. „Ohne Corporate Identity gibt es kein Corporate Behavior, das ist im Fußball und in der Wirtschaft sehr ähnlich“, so Rangnick. Jedes Unternehmen und jeder Sportverein müsse sich darüber Gedanken machen, welche Werte man vertritt und wie diese nach innen und außen gelebt werden. „Das muss top-down funktionieren, die Corporate Identity muss von oben kommen und konstant vorgelebt werden.“ Dass man im ÖFB eine gemeinsame Vision über die Spielweise hinaus entwickelt hat, sei für Rangnick ein wesentlicher Faktor gewesen, warum er sich nach seiner Station bei Manchester United für Österreich entschieden hat – und dem Team seither trotz großen Interesses anderer Klubs immer wieder treu geblieben ist.

Stichwort vorgelebt: Lob fand Rangnick für die „hochkompetente Führung“ von Josef Pröll, der im Mai das Amt des ÖFB-Aufsichtsratsvorsitzenden übernommen hat: „Seither spüren wir keine Turbulenzen mehr und können uns auf unser Kerngeschäft Fußball konzentrieren.“ Bemerkenswert sei, dass es in Rangnicks Amtszeit einen Teamchef, aber fünf Präsidenten gab: „Normalerweise ist es andersrum“, scherzte er.

Leistungsförderndes Umfeld

Um Mannschaften zusammenzuschweißen, habe er in seinen Anfängen als Trainer alles Mögliche ausprobiert, von Feuerläufen über Rafting bis hin zu Eisenstangen verbiegen. „Das kann man alles machen, es hat aber nur kurzfristige Effekte“, sagte der 67-Jährige. Mit Verweis auf ein Zitat von Theodore Roosevelt – „People don’t care how much you know until they know how much you care“ – erklärte er sein Erfolgsrezept für nachhaltige Motivation: menschliche Beziehungen. „Der größte Motivator für Menschen, egal in welchem Lebensbereich und Alter, ist weder Geld oder irgendwelche anderen Bestechungsversuche – sondern in einem Umfeld mit Führungskräften zu sein, die es einem ermöglichen, besser zu werden“, betonte Rangnick.

Im Nationalteam spielt diese Wertschätzung auch abseits des Rasens eine große Rolle. So verschickt Rangnick mit seinem Trainerstab etwa zu Weihnachten an alle rund 40 Spieler individuelle WhatsApp-Nachrichten mit drei Teilen: Rückblick, persönliche Einschätzung und Ausblick. Vor der EM 2024 erhielt jeder Spieler ein eigenes kleines Büchlein mit 35 Seiten. Vor jedem Lehrgang werden die Kicker mit einem Welcome-back-Video begrüßt. Die Spieler würden genau wissen, wie viel Zeit dies kostet – und es entsprechend schätzen: „Es macht etwas mit unserem Innenverhältnis, weil die Spieler merken: Wir interessieren uns wirklich für sie“, betonte Rangnick. So sei es für ihn auch selbstverständlich, verletzte Spieler regelmäßig anzurufen.

Neben dem intrinsischen Antrieb eines jeden Fußballprofis unterscheidet Rangnick die Motivation von der Inspiration. Motivation sei der bewusste Überzeugungstransfer von der Führungskraft auf die Mitarbeiter: „Ich möchte, dass meine Spieler meine Spielweise lieben. Meine Aufgabe als Teamchef ist es, meine Idee in die Herzen der Spieler zu bringen.“ Inspiration berühre eine tiefere Ebene. Es sei nicht damit getan, das gewünschte Ziel nur zu nennen: „Es geht darum, den Weg zum Ziel immer wieder zu beschreiben.“

Vertrauenswürdigkeit zählt

Dafür brauche es schlussendlich auch das richtige Personal. „Wenn man Exzellenz will, braucht man die Besten, die es in ihrem Bereich gibt“, betonte der Teamchef. In seiner Karriere habe er nur allzu oft erlebt, dass Posten nur aufgrund von Freunderlwirtschaft vergeben wurden. Den Besten müsse man auch Vertrauen schenken: „Nur so kann man sie dauerhaft im Unternehmen halten.“ Abschließend plädierte Rangnick dafür, einen zweiten Blick auf Menschen zu werfen – nicht nur auf oberflächlich messbare Leistungsdaten, sondern auf Charakter und Integrität: „Vertrauenswürdigkeit spielt in Ihrem Business eine ähnlich große Rolle wie bei uns im Fußball.“

AusgabeRZ44-2025

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung

Banner für die Newsletter Anmeldung
Banner: