Mehr als 400 Gäste sind der Einladung von Erwin Hameseder, Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV), und Peter Haubner, Vorstandsvorsitzender des Österreichischen Genossenschaftsverbandes (ÖGV), in die Wiener Hofburg gefolgt, um sich über die internationale Bedeutung und Wirtschaftskraft von Genossenschaften auszutauschen, die genossenschaftliche Idee weiterzuentwickeln und mit frischen Ideen in die Zukunft zu tragen. Die hochkarätig besetzte Veranstaltung markierte zugleich den Österreich-Höhepunkt des von der UNO für heuer ausgerufenen Internationalen Jahres der Genossenschaften.
Das vielfältige Programm bot den Teilnehmern zahlreiche Impulse aus der Welt der Genossenschaften. So erklärte ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick, wie man Kooperation erfolgreich auf den Platz bringt (mehr dazu hier), der Arbeitswissenschaftler und Professor an der New Yorker „New School“, Trebor Scholz, brach eine Lanze für digitalen „Platform Cooperativism“ und APA-Chef Clemens Pig hob die Bedeutung unabhängiger genossenschaftlicher Nachrichtenagenturen für die freien Medien hervor.
Um Genossenschaftsbanken als Zukunftsmodell ging es in einer hochkarätigen Talkrunde mit Vertretern der beiden genossenschaftlichen Bankensektoren, Raiffeisen und Volksbanken. Viel Raum auf dem Podium bekamen auch innovative junge Genossenschaften aus Österreich und dem Ausland. Für ein Aha-Erlebnis sorgte dabei der deutsche Fußballklub Schalke 04, der neuerdings auf genossenschaftlichen Erfolg setzt. Im Gespräch mit der Genossenschaftsforscherin Theresia Theurl erläuterte der CEO des FC Schalke 04, Matthias Tillmann, die Beweggründe für die Gründung einer Genossenschaft. (Lesen Sie hier mehr dazu.)
Tragende Säulen
Für ÖRV-Generalanwalt Hameseder stellte der Genossenschaftskongress ein „starkes Signal“ dar, das die genossenschaftliche Idee in den Mittelpunkt stellte: „Genossenschaften sind tragende Säulen unserer Wirtschaft und wirtschaftlich, gesellschaftlich und sozial von enormer Bedeutung für die Regionen. Sie sind Problemlöser nicht nur in Österreich, sondern weltweit“, betonte der Generalanwalt und untermauerte seine Aussage mit Daten und Fakten: In Österreich gibt es rund 1.800 Genossenschaften in der Hand von drei Millionen Mitgliedern – davon 1.400 bei Raiffeisen mit 2 Millionen Mitgliedern. Weltweit sind über eine Milliarde Menschen Mitglied in einer der rund drei Millionen Genossenschaften. Diese Organisationen bieten 280 Millionen Menschen Beschäftigung – das entspricht etwa zehn Prozent der erwerbstätigen Weltbevölkerung. „Zudem gelten Genossenschaften laut Studien als besonders zukunftsfähig“, hob Hameseder hervor. Gerade bei jungen Menschen stießen genossenschaftliche Grundwerte wie Solidarität, Nachhaltigkeit und demokratische Teilhabe auf große Zustimmung.
ÖGV-Vorstandsvorsitzender Haubner ergänzte: „Wir konnten mit diesem Kongress zeigen, dass die Genossenschaft ein innovatives Wirtschaftskonzept für viele Branchen – vom Bankwesen bis zu Handel und Gewerbe – darstellt.“ Genossenschaften seien aber weit mehr als ein Geschäftsmodell, „sie sind ein Wertegerüst“, so Haubner.
Als zentrale Botschaft des Kongresses gaben Hameseder und Haubner den Teilnehmern mit: „Genossenschaften sind Zukunft.“ In einer Zeit, in der viele Menschen nach Orientierung, nach Stabilität und nach sinnstiftenden Formen des Wirtschaftens suchen, bieten Genossenschaften eine überzeugende Alternative. „Tragen wir unsere Werte in die Gesellschaft. Damit stärken wir uns für die Zukunft“, so der Appell des Generalanwalts. Haubner rief dazu auf, „offen zu sein für neue Ideen und Mut für Gemeinsamkeit zu haben“.

Bekenntnis zu Stärken
Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer sieht Genossenschaften als „wesentlichen Bestandteil unseres Wirtschaftssystems und unserer Gesellschaft“, wie er in seinen Eröffnungsworten sagte. Der Gründungsgedanke von Genossenschaften könne nicht aktueller sein: „Dieses klare Bekenntnis zu Leistung, Eigenverantwortung und Selbsthilfe, die Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen und nicht zuerst zu fragen, was kann der Staat oder die Allgemeinheit für mich tun, würde ich mir öfters, auch in der politischen Debatte, wünschen“, so der Minister. Genossenschaften seien ein Gegenmodell zur „All-Inclusive-Mentalität“ und zu so manchem „Susi-Sorglos-Paket“. „Genossenschaften sind ein Erfolgsmodell, ein Vorzeigebeispiel, das es gilt, weiter auszurollen, wie dies bei den Energiegemeinschaften schon passiert“, betonte Hattmannsdorfer.
Besonders beeindruckt habe ihn aber das „Mindset“, das bei Genossenschaften vorherrsche. Auch in der Republik wäre ein solches Mindset, das sich klar zu unseren Stärken bekennt, notwendig, weiß der Minister. Es brauche „Fleiß, Erfindergeist und Internationalität“, um Österreich wieder leistungs- und wettbewerbsfähig zu machen und um wieder zurück auf die Überholspur zu kommen. „Ich bin daher fest überzeugt von der Genossenschafts-Idee als bürgerliche DNA des Wirtschaftens“, so der Wirtschaftsminister.

Andere Blickwinkel
Wie man mit einer ausgeklügelten Strategie die Spielregeln für Kooperationen selbst bestimmen kann, analysierte Stefanie A. Schubert, Professorin für Volkswirtschaftslehre mit Fokus auf Finanzwissenschaft und strategische Entscheidungen. Kooperation aus Sicht der Spieltheorie bedeutet, die Interessen vieler, die auch kontrovers sein können, zu bündeln, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, so Schubert: „Kooperativ wirtschaften hebt den Unternehmenserfolg auf ein neues Level. Das muss man sich aber erarbeiten“, ist die Expertin überzeugt. Die Basis dafür sei Vertrauen. Denn Vertrauen „ist nicht nur ein Gefühl, sondern eine Strategie und damit die Voraussetzung für kooperatives Wirtschaften“.
Trebor Scholz, Arbeitswissenschaftler und Professor an der „The New School“ in New York sowie Fakultätsmitglied unter anderem an der Harvard University, berichtete über Plattformgenossenschaften, die gemeinsam digitale Lösungen entwickeln und damit Alternativen zu klassischen Digitalkonzernen darstellen. Er ist überzeugt: „Genossenschaften sind kein Relikt, sondern Teil einer größeren digitalen Transformation. Genossenschaften können im digitalen Bereich Enormes leisten.“



Für ein neues kooperatives Mediensystem für die KI-Informationsgesellschaft plädierte Clemens Pig, CEO der APA – Austria Presse Agentur und Vizepräsident des ÖGV. „Wir leben seit 2025 in einer neuen Weltordnung mit einer neuen Kommunikationsordnung“, sagte er in seinem Statement. Der Vormarsch der KI sei ein Anschlag nicht nur auf die Demokratie, sondern auch auf Wissenschaft und Medien. „Wir stehen aktuell in der Ära der synthetischen Medien.“ Niemand könne Fake News von tatsächlichen Nachrichten unterscheiden. Für Medien sei dies eine Zeitenwende, in der es gelte, den Anschluss nicht zu verpassen, so Pig, der als „letzten Ausweg für Medien“ eine „Allianz der Player“ sieht.
Über Innovationskraft im Warenverbund referierte Georg Sladek, Geschäftsführer des Agro Innovation Lab und Leiter der RWA-Abteilung Farming Innovations. „Die Landwirtschaft ist von einer maximalen Dynamik vieler Einflussfaktoren betroffen“, verwies er auf den Klimawandel, hohe Preisvolatilität bei Düngemitteln und Weizen, einen übersättigten Landmaschinenmarkt und gesellschaftlichen Druck, etwa beim Pflanzenschutz. Nicht zuletzt mache das „Ungeheuer“ Bürokratie zu schaffen. Aufgrund der kleinteiligen landwirtschaftlichen Struktur in Österreich sei die Bewältigung dieser Herausforderungen umso schwieriger. Hier setze das Agro Innovation Lab an: Konkret wurden im Rahmen der Robotics & Smart Implements Challenge bereits zahlreiche neue technologische Lösungen ermittelt. Mit Farmhedge, einer mobilen Handelsplattform für Düngemittel, wird der Einkauf digitalisiert und effizienter gestaltet. Cropshift ermöglicht es Landwirten, Daten zum Pflanzenbau gezielt zu analysieren und Optimierungspotenziale zu erkennen. Die ARA Präzisions-Feldspritze sorgt für eine drastische Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, während der Agrar Commander als digitale Managementlösung die Betriebsführung erleichtert. „Wir scouten innovative Start-ups weltweit und versuchen, Pionierarbeit voranzubringen“, betonte Sladek.








