„Ich bin Patriot“

Die Vivatis Holding ist einer der größten Lebensmittelkonzerne in Österreich. Wie gut die RLB OÖ-Tochter durch die Pandemie gekommen ist und welche Lehren man zieht, das erklärt Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl.

Gerald Hackl im Interview
Gerald Hackl (c) Vivatis

Wie ist Vivatis durch das Coronajahr gekommen?
Gerald Hackl: Das Jahr war sehr differenziert. Zuerst haben wir geschaut, dass unsere Mitarbeiter geschützt sind und haben weitreichende Hygienemaßnahmen erstellt. Dann hatten wir natürlich das Thema, dass wir Tag und Nacht produzieren mussten, um den Lebensmittelhandel mit Produkten zu bedienen. Wir zählen zur kritischen Infrastruktur und haben in drei Schichten produziert, damit die Versorgung in Österreich gewährleistet ist. Auf der anderen Seite ist in manch unseren Betrieben die Geschäftsgrundlage vollkommen weggebrochen, etwa bei unseren Zulieferern für Gastronomie und Hotellerie, wie Weinbergmaier oder Karnerta, und bei unserer eigenen Gastronomie wie dem Rathauskeller oder dem Café Schwarzenberg. Dass es auch keinen Wintertourismus gegeben hat, hat uns auch getroffen. Wir haben im Jahr 2020 rund 100 Millionen Euro an Umsatz verloren.

Wie haben die Zulieferbetriebe reagiert. Konnte man diese Produkte „umschichten“ oder was hat man mit den Germknödeln oder dem Fleisch gemacht?
Hackl: Großküchen wie Spitäler hat man teilweise noch bedient und teilweise wurde in den Handel umgeschichtet, aber trotzdem musste ein Teil vernichtet werden. Wir versorgen in Nicht-Covid-Zeiten 300.000 Menschen am Tag – Kindergärten, 2.700 Schulen, 2.500 Betriebe –, da ist uns natürlich einiges weggebrochen.

Welche Unternehmen im Vivatis-Universum haben profitieren können?
Hackl: Maresi, Inzersdorfer, Knabbernossi – da ist die Nachfrage gestiegen. Die Menschen haben sich zu Hause mehr geleistet. Man hat hochwertige Convenience-Produkte und Komponenten zum Kochen gekauft. Bei den Haltbarprodukten haben wir die drei- bis vierfache Menge verkauft. Das sind zwar keine langfristigen Profiteure, auch wenn manche Konsumenten wieder Stammkunden geworden sind.

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihre Geschäftsausrichtung? Gibt es Lehren aus der Pandemie?
Hackl: Wir wissen genau, wo wir als gesamte Vivatis-Gruppe hinwollen und wo jedes einzelne Unternehmen in fünf und zehn Jahren sein soll. Da gibt es ganz klare, festgelegte Strategien, aber wenn auf einmal so etwas passiert, dann ist alles anders. Obwohl wir gut aufgestellt sind, haben wir geprüft, wo müssen wir switchen, welche Geschäftsmodelle funktionieren noch und wo gibt es einen Anpassungsbedarf. Ein zentrales Thema sind dabei die Lieferketten. Bei österreichischen Rohstoffen, auf die wir stark setzen, gibt es ganz gute Beziehungen und Verträge. Wir sind hier gut aufgestellt, werden aber in Zukunft noch mehr Augenmerk darauf legen, damit wir die Rohstoffversorgung sichergestellt haben.

Das heißt, Sie werden in Zukunft noch mehr österreichische Rohstoffe verarbeiten?
Hackl: Wir verarbeiten bereits jetzt 100 Millionen Kilo österreichische Rohstoffe im Jahr und wollen bzw. werden dies noch weiter ausbauen. Wir haben zum Beispiel viele Jahre gekämpft, rein österreichisches Huhn zu verarbeiten und das ist uns seit 2019 gelungen. Diese Rohware kostet uns zwar im Jahr 600.000 Euro mehr, aber die zahlen wir gerne, weil wir überzeugt davon sind, dass der Konsument Rohstoffe aus Österreich will. Alles, was wir in Österreich bekommen, kaufen wir in Österreich. Wir haben gut funktionierende Partnerschaften, aber das wollen wir noch mehr ausbauen. Etwa arbeitet Karnerta seit kurzem noch intensiver mit der bäuerlichen Vermarktungsgenossenschaft Kärntner Fleisch zusammen. Unsere Idee war, noch näher zusammenzurücken. Sich gemeinsam weiterzuentwickeln, gerade in Zeiten, in denen regionaler Rohstoff so wertvoll und wichtig ist. Probleme gab es aber teilweise beim Verpackungsmaterial und bei den Anlagen. Wir haben in Corona-Zeiten eine neue Linie im Teigwarenbereich aufgestellt und dann konnten die Techniker nicht kommen.

Alles, was wir in Österreich bekommen, kaufen wir in Österreich.

Gerald Hackl

Wurden die Ziele der einzelnen Unternehmen adaptiert?
Hackl: Wenn man an Gourmet denkt, gehen wir davon aus, dass künftig mehr Menschen im Home-Office arbeiten. Da gibt es schon Anpassungen, aber die Hauptstrategie der Vivatis mit ihrer 100-Prozent-Eigentümerin, der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, ist, ein Dach für österreichische Klein- und Mittelbetriebe im Nahrungs- und Genussmittelbereich zu sein. Die Übernahme von Wojnar ist hier auch ein wichtiger Schritt. Es ist uns gelungen, das Familienunternehmen zu übernehmen und damit Rohstoffe, Standort, Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich zu halten. Ich bin Patriot und sehe es als unsere Verantwortung und Mission, wenn eine Marke zu uns passt – wie zum Beispiel im Frische- und Convenience-Bereich –, diese unter unser Dach zu führen. Das Credo ist, gesund und qualitativ zu wachsen.

Sie haben auch vor kurzem Gerstner Catering übernommen. Ergeben sich durch Corona jetzt mehr Zukäufe?
Hackl: Diese beiden Unternehmen haben mit Corona nichts zu tun. Wir schauen uns viele Unternehmen an und haben immer Augen und Ohren geöffnet. Jede zweite Woche meldet sich ein Unternehmen bei uns, aber wir haben ganz klar definierte Geschäftsfelder. Bei Wojnar haben sich die Eigentümer entschieden, zu wachsen und das ging nicht alleine. Dann haben wir ein Konzept vorgelegt, das gepasst hat. 

Schafft Vivatis diese Akquisitionen aus eigener Kraft oder hilft die RLB Oberösterreich da mit?
Hackl: Wir haben eine sehr gute Eigenkapitaldecke und können uns einiges selbst leisten. Wenn es um größere Investitionen geht, dann reden wir natürlich mit unserer Eigentümerin und die ist immer bereit, wenn es ein vernünftiges Projekt ist, mit Kapital hineinzugehen.

Welche Trends werden hier berücksichtigt?
Hackl: Das Thema Qualität wird immer wichtiger. Auf der einen Seite hochwertige Convenience-Produkte und auf der anderen Seite das Thema bio, vegan, vegetarisch und regional. Die Konsumenten schauen mehr darauf, was drin ist. Es soll gesund sein und das Lebensmittel muss eine Funktion erfüllen. 

Wie denkt man sich dann neue Produkte aus? 
Hackl: Wir haben in der Holding ein konzernales Innovationsmanagement und in jeder Gesellschaft einen Innovationsmanager. Die schauen sich die Trends an. Wir wollen da aber nicht nur reagieren, sondern auch Trends vorgeben. Das Thema Innovation ist genauso wie die Qualität integraler Bestandteil der Tagesarbeit. 

Welche Erwartungen haben Sie an das laufende Geschäftsjahr? Wie sind die ersten sechs Monate gelaufen?
Hackl: Man muss sagen, die ersten Monate waren mühsam, weil Gastronomie und Hotellerie noch immer geschlossen waren. Aber wir sind gut durch die Krise gekommen und werden auch gestärkt aus der Krise hervorgehen. Wenn die Impfraten voranschreiten, wird es im zweiten Halbjahr zu einer Normalisierung kommen. Mit den Zukäufen werden wir dann beim Umsatz die 900-Millionen-Euro-Marke deutlich überschreiten.