Das „Geschäftsmodell Österreich“ steht unter Druck

Für das Vorjahr erwartet die Wirtschafts­kammer ein leichtes Exportplus auf 197 Milliarden Euro. Präsident Harald Mahrer blickt allerdings sorgenvoll auf die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs.

Die österreichische Exportwirtschaft hält trotz des anhaltenden konjunkturellen Gegenwinds und des schwierigen geopolitischen Umfelds zwar ihren Wachstumskurs, muss aber künftig mit einer flacheren Dynamik rechnen, geht aus einer Prognose der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) hervor.

In den ersten elf Monaten des Vorjahres legten die Warenausfuhren der rund 63.700 österreichischen Exportbetriebe um 5,6 Prozent auf 187,5 Mrd. Euro zu, so die vorläufigen Zahlen der Statistik Austria. Im Gesamtjahr 2023 sollten es 197 Mrd. Euro werden, ein Plus von 2 Mrd. Euro im Jahresvergleich. Rechnet man die Dienstleistungen dazu, dann erwirtschaftete Österreich an die 288 Mrd. Euro im internationalen Geschäft. Für 2024 erwartet Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), erstmals Warenexporte von über 200 Mrd. Euro, ein Jahr später könnten die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen gemeinsam erstmals die 300-Milliarden-Marke übersteigen. 

„Unser Thema ist der Preis“

Export Statistik Grafik

Dennoch fordert der WKÖ-Präsident Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu stärken. Denn: „Der internationale Wettbewerb ist kein Streichelzoo. Wir haben mehr und mehr Konkurrenten, die nicht aus den traditionellen Konkurrenzmärkten wie Europa, den USA oder Kanada kommen, sondern aus Mittelamerika, Indien oder Südostasien. Die Qualitätsprodukte aus Österreich haben nach wie vor sehr gute Marktchancen, unser Thema ist aber der Preis.“

Es stehe „das Geschäftsmodell Österreich“ auf dem Spiel, wenn die heimische Exportwirtschaft nicht floriere, warnt der WKÖ-Präsident. Immerhin verdiene man 6 von 10 Euro mit Produkten und Dienstleistungen „Made in Austria“ auf den internationalen Märkten. Als die wichtigsten Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort nennt Mahrer vor allem die Energie-, Bürokratie-, Lohn- und Gehaltskosten. „Es schaut nicht prickelnd aus. Wenn wir erfolgreich sein wollen, dann müssen wir ein erfolgreicher Produktionsstandort sein“, so der WKÖ-Präsident.

Diese Belastungswelle sei allerdings kein österreichisches Spezifikum, sondern ein europäisches. „Die EU ist unser Sorgenkind. Mit diesen Rahmenbedingungen wird es immer schwieriger, Exportgeschäfte zu machen“, warnt der Interessenvertreter. Ähnlich gehe es etwa Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten österreichischen Handelspartner und der Wirtschaftslokomotive Europas. 2022 führte Österreich Waren im Wert von 58 Mrd. Euro zum nördlichen Nachbarn aus, im Vorjahr sollten es mehr als 60 Mrd. Euro werden. Dahinter folgt Italien mit 13,24 Mrd. Euro, das die USA (12,9 Mrd. Euro) wieder vom zweiten Rang der wichtigsten Exportmärkte verdrängte. Die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft sei zwar ungebrochen, das sehe man bei internationalen Ausschreibungen nach wie vor, aber auch die deutsche Wirtschaft habe zunehmend Schwierigkeiten, ihre Produkte zu einem konkurrenzfähigen Preis anzubieten. 

Finanzströme neu ordnen

Von der österreichischen Bundesregierung fordert der Wirtschaftskammer-Präsident „dringend eine Senkung der Lohnnebenkosten“, allerdings ohne Eingriffe in das Sozialsystem. Die Lohnabschlüsse der vergangenen beiden Jahre seien eine „große Belastung“. Es gehe darum, Finanzströme neu zu ordnen und die Betriebe zu entlasten. So könnten Belastungen, die in den 1970er- und 1980er-Jahren den Unternehmen „singulär umgehängt“ wurden, künftig aus dem staatlichen Budget finanziert werden – etwa die Ausgaben des Familienlastenfonds. „Wir reden von mindestens vier Milliarden Euro plus“, so Mahrer. Das bringe vor allem größeren Betrieben eine spürbare Entlastung.

Gedämpfte Stimmung

Die Stimmung in den Exportunternehmen spiegle die global angespannte Wirtschaftslage wider, wie die Umfrage „Global Business Barometer“ der WKÖ unter 1.764 Betrieben mit ausländischen Niederlassungen zeigt. „War der Ausblick vor zwei Jahren noch von Optimismus geprägt, gab es 2023 einen massiven Dämpfer. Für 2024 erwarten die Betriebe eine Entwicklung, die von Stagnation und Stabilität geprägt ist“, so die WKÖ.

So erwarten 42 Prozent der Unternehmen für heuer, dass der Gesamtumsatz steigen wird, während 31 Prozent damit rechnen, dass er sinken sollte. Etwas gedämpfter sieht die Stimmung hinsichtlich des Neugeschäfts aus. Die Mehrheit von 37 Prozent erwartet eine rückläufige Auftragslage, während 32 Prozent mehr Aufträge erwarten. 45 Prozent der befragten Unternehmen rechnen mit einer stabilen Kapazitätsauslastung, 29 Prozent mit steigender und 26 mit sinkender Auslastung. Die Erwartungen der Niederlassungen seien in den Regionen der Welt unterschiedlich, betont der WKÖ-Präsident bei der Präsentation der Umfrageergebnisse. So werde der Ausblick für die Märkte Asiens am optimistischsten wahrgenommen – von der Golfregion über Indien bis nach Südostasien. Auch in Japan sei die Erwartungshaltung positiv. Einen Aufschwung erwarten die Niederlassungen in den USA und Mexiko. Im Gegensatz dazu ist die Einschätzung der Wirtschaftsentwicklung für die EU, dem mit Abstand wichtigsten regionalen Exportmarkt Österreichs, verhalten. 

„Immer neue Korsette“

Sorgen machen der Wirtschaft auch die zunehmenden bürokratischen Belastungen und Auflagen, die den Unternehmen auferlegt werden. Die entlastenden und erleichternden Effekte der Digitalisierung werden durch immer neue Kontrollmechanismen der Behörden zunichtegemacht. „Alle haben sich gedacht, mit der Digitalisierung gibt es mehr Freiheit, in Wahrheit werden immer mehr neue Korsette geschaffen, unter denen besonders mittelgroße und kleinere Betriebe massiv leiden“, kritisiert Mahrer. Ein Beispiel dafür sei die EU-Lieferketten-Richtlinie, die den Betrieben umfassende Dokumentationspflichten auferlegen soll. Die Betriebe haben „Null-Einfluss“ auf ihre Lieferketten, niemand könne die Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards entlang dieser Lieferketten garantieren, so der WKÖ-Präsident.

Die Außenwirtschaft Austria der WKÖ will sich 2024/25 auf die asiatischen Wachstumsmärkte konzentrieren und ein weiteres Büro in Indien eröffnen. Derzeit sondiere man noch einen Standort dafür, so Mahrer. Ein Fixstarter im Arbeitsprogramm sei auch ein neues Büro in Usbekistan in der Hauptstadt Taschkent. Zudem seien die Vorbereitungen für die Expo 2025 in der japanischen Stadt Osaka angelaufen. Jedes Quartal plant die WKÖ eine österreichische Unternehmensgruppe in die Expo-Stadt zu schicken.

Das Außenwirtschaftsnetz Österreichs ist an 97 Standorten in insgesamt 72 Ländern der Welt vertreten und zählt damit zu den besten vernetzten Ländern weltweit. Die Außenwirtschaft unterstützt pro Jahr rund 18.000 österreichische Unternehmen, 17.000 internationale Geschäftspartner sowie 2.500 Auslandsniederlassungen.

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