Landwirtschaftskammer Österreich-Präsident Josef Moosbrugger nennt den Ackerbau „heutzutage wieder eine echte Zitterpartie“. Nicht zuletzt aufgrund des unberechenbaren Klimas, der stark gefallenen Preise und hohen Kosten sowie der Verbote im Bereich der Pflanzenschutzmittel ist die Stimmung der österreichischen Ackerbauern getrübt. Die Ernteaussichten zeigen sich hingegen bislang durchaus positiv. So wird bei Getreide ohne Körnermais derzeit von einem Ernteplus von 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr bzw. einer Erntemenge von 3,065 Mio. Tonnen ausgegangen. Dabei lässt sich zudem ein geringer Flächenrückgang auf 520.100 ha verzeichnen. Dies ist vor allem auf den Rückgang der Dinkelfläche um 15.900 ha zurückzuführen, welcher auf dem gut versorgten Dinkelmarkt und den damit verbundenen niedrigen Marktpreisen basiert.
„In der Landwirtschaft ändern sich die Bedingungen immer“, merkt Landwirtschaftskammer Burgenland-Präsident Niki Berlakovich an und bezeichnet das heurige Jahr als ein durchaus außergewöhnliches. Grund dafür seien die starken Niederschläge im April, Mai und Juni. „Wir hatten sehr viel Regen, aber auch kühle Temperaturen im Frühjahr und Frühsommer. Daher haben sich auch viele Kulturen langsamer entwickelt“, erklärt er. Durch die feuchte Witterung erhöhe sich außerdem das Risiko für Krankheiten, welche ebenso Verluste und schlechtere Erträge zur Folge haben. So wirkte sich die enorme Feuchtigkeit heuer auch negativ auf den Ölkürbis aus. Verfaulte Samen und fehlende Beizung führten dazu, dass gut ein Drittel der im Burgenland angebauten Fläche massiv geschädigt wurde. In ganz Österreich wurde der Ölkürbis heuer auf 30.200 ha angebaut, was einem Rückgang von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Anbau in Zahlen
Nach dem Soja-Rekordhoch 2022 wurde heuer wieder um 6.800 ha bzw. 7,4 Prozent weniger und somit auf 86.100 ha angebaut. Österreich spiele dennoch in der „Top-Liga der Sojaproduzenten“, ist sich Berlakovich sicher und führt den Rückgang auf die Fruchtfolge – den ständigen Anbau von Soja auf Soja – zurück. Diesjähriger Flächengewinner ist der Körnermais, der um rund 5.000 ha bzw. 2,6 Prozent zulegen konnte.
Bisher sind über 198.000 ha angebaut, mehr Körnermais wurde zuletzt im Jahr 2013 verzeichnet. Ebenso an Fläche zulegen konnte der Roggen mit rund 4.100 ha und 11,9 Prozent auf 38.400 ha. Während die Wintergerste ebenfalls ein Plus von 2 Prozent bzw. 2.000 ha für sich verbuchen konnte, ist die Sommergerstenfläche hingegen wieder um 2.700 ha bzw. 10,7 Prozent auf 22.900 ha geschrumpft.
Abzuwarten sei noch bei der Zuckerrübe, denn rund 5.000 ha Zuckerrüben wurden heuer vom Rübenderbrüsselkäfer abgefressen. „Somit ist umgerechnet mehr als der gesamte Zuckerbedarf Wiens dem Mangel an Pflanzenschutz zum Opfer gefallen“, gibt Moosbrugger zu bedenken.
Mangel an Pflanzenschutz
Diese fehlenden Schutzmöglichkeiten und der damit einhergehende Ausfall tausender Hektar bereits angebauter Kulturen sorge bei den Ackerbauern für Unverständnis. „Das EuGH-Urteil zu Notfallzulassungen verschärft den Mangel an notwendigen Pflanzenschutz-Wirkstoffen. Der damit verbundene Schaden bringt viele Betriebe zusätzlich unter Druck“, so der LKÖ-Präsident und zweifelt an der Nachhaltigkeit der EU-Verbote.
Pflanzenschutz sei laut Moosbrugger analog zur menschlichen Medizin zu sehen – man müsse sie dann anwenden, wenn es nicht mehr anders geht, um größeren Schaden zu verhindern. „Es ist aber ein absoluter Unsinn auch in Sachen Klimaherausforderung, wenn wir bei uns Ernten vernichten, aber dann Lebensmittel importieren“, ist sich Moosbrugger sicher, denn der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung beginne am Feld.
Mittlerweile betreiben Österreichs Bauern auf rund 10 Prozent ihrer Flächen Biodiversitätsschutz. „Diese rigorosen Pflanzenschutzmittelverbote führen dazu, dass wertvolle Kulturen wie Zuckerrüben, Winterraps oder Ölkürbis kaum oder nicht mehr wirtschaftlich sind“, warnt der LKÖ-Präsident und fordert mehr nachhaltige Effizienz sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung anstelle von Verboten.
Marktstörungen durch Importe
Für eine angespannte Stimmung sorgt aktuell auch die Situation auf den Märkten. Zwar sind die Getreidepreise niedrig – derzeit auf einem Niveau wie vor dem Ukraine-Krieg –, jedoch können geopolitische Ereignisse jederzeit wieder für Schwankungen sorgen. Während die Preise also durch die weltweit gute Ernte des letzten Jahres sowie durch die positiven Ernteaussichten in Kombination mit einem niedrigen Verbrauch durchaus deutlich eingedämpft wurden, sorgen die Importe aus der Ukraine für Marktstörungen. Während zunächst vorwiegend die Nachbarländer der Ukraine den Druck auf die Erzeugerpreise spürten, wurden dort – in den fünf angrenzenden Mitgliedsstaaten – bereits Importbeschränkungen erlassen, wodurch das Problem weiter auf andere EU-Mitgliedsstaaten geschoben wird.
„Wenn der offene europäische Markt mit ukrainischem Mais, Weizen, Raps, Soja und Sonnenblumenkernen bedient wird, führt das zu Verzerrungen am gesamten EU-Binnenmarkt“, betont Moosbrugger. Obwohl laut Statistik nur geringe Mengen direkt aus der Ukraine nach Österreich importiert werden, führe diese Entwicklung trotzdem auch hierzulande zu Preisrückgängen. Daher fordert Moosbrugger: „Ja zur Solidarität mit der Ukraine, aber die Europäische Kommission muss dringend dafür sorgen, dass die Getreidelieferungen in den eigentlichen Zieldestinationen landen und dort den Hunger stillen, anstatt unsere Märkte zu zerstören.“