„Ich bin mit dem Skizentrum Rettenbach aufgewachsen und nicht mehr weggekommen“, sagt Thomas Auer (35) lachend, der als Business-Application-Manager bei LKW Walter arbeitet und mittlerweile in Wien lebt. Er kann sich der Faszination des Grasski-Fahrens aber nach wie vor nicht entziehen und ist Obmann des Skizentrums, das sich seit gut 20 Jahren dem Fahren auf Rasen verschrieben hat und von der Raiffeisenbank Oberwart als Sponsor unterstützt wird.
Wie ist Grasski ins burgenländische Rettenbach gekommen?
Thomas Auer: Grasski wird im Burgenland schon lange betrieben, seit den 80er-Jahren. Das Zentrum lag zunächst in Bad Tatzmannsdorf. Anfang der 2000er-Jahre wurde nach einer Möglichkeit gesucht, wo man den Sport permanent betreiben kann. Dann haben Heribert Petermann und Johann Gschwantner Grasski nach Rettenbach gebracht, sie sind sozusagen die Gründerväter des Ganzen. Damals wurde auch die Strecke errichtet, die mittlerweile zweimal verlängert wurde und gut 600 Meter lang ist.
Es gab schon früh große Veranstaltungen …
Auer: 2004 war die Junioren-WM in Rettenbach, das war das erste große Highlight. 2009 war dann sogar die WM in der allgemeinen Klasse bei uns, das war die größte Veranstaltung, die wir je hatten. Seit 2009 veranstalten wir auch jährlich ein Weltcup-Rennen, da ist dann die komplette Weltspitze bei uns versammelt. Die Junioren-WM im August ist bereits das dritte Großevent.
Wie darf man sich diesen Weltcup-Zirkus vorstellen? Ähnlich wie bei den alpinen Skifahrern?
Auer: Nein, das ist eine eher kleine Familie, die da unterwegs ist. Bei Weltcup-Rennen haben wir etwa 50 Athleten am Start, jetzt bei der Junioren-WM werden es auch zwischen 40 und 50 sein. Grasski wird vorrangig in Europa betrieben, es gibt aber auch Pisten im Iran, Libanon oder Japan. Auch in Russland oder den USA gibt es Akteure.
Zynisch betrachtet habt ihr den Klimawandel schon vorweggenommen …
Auer: So betrachte ich es auch manchmal. Womit der Alpinsport zu kämpfen hat, betrifft uns weniger, wobei es wiederum andere Tücken gibt. Bei uns geht es um die Rasenpflege auf der Anlage, die mit Traktoren gemäht wird, was im Hochsommer natürlich heikel ist. Wenn wir zu kurz mähen, besteht die Gefahr von Verbrennungen. Deshalb sind die Weltcup-Rennen meistens schon im Mai oder Juni. Bei der JWM waren wir allerdings vom internationalen Kalender abhängig und müssen schauen, mit kluger Bewässerung die Piste in einen guten Zustand zu bringen.
Wie muss die optimale Grasski-Piste beschaffen sein?
Auer: Wir brauchen keinen Golfrasen, aber er sollte frei von Unebenheiten sein, wobei Wellen natürlich vorkommen können. Die Graslänge sollte nicht zu kurz sein, zehn bis zwölf Zentimeter dürfen es schon sein, sonst wird es zu schnell. Wir haben in Rettenbach eine vergleichsweise anspruchsvolle Piste, bei der die Fahrer bis zu 80 km/h erreichen.
Es gibt Slalom, Riesentorlauf und Super G – warum keine Abfahrt?
Auer: Das gab es vereinzelt auch schon, ist aber nicht die Norm. Bei uns sind die Fahrten anstrengender, das wäre für die Athleten auf Dauer zu schwierig. Auch vom Speed her wäre die Gefahr zu hoch. Bei uns rutscht man ja nicht weg, sondern schlägt bei einem Fehler voll auf. Das ist der große Unterschied zum alpinen Fahren: Wer den Schwung falsch ansetzt, kommt zu Sturz.
Kann ein guter alpiner Skifahrer auch automatisch gut Grasski fahren?
Auer: Ein guter alpiner Rennläufer schon. Wir hatten bei der letzten WM Michi Walchhofer zu Gast, der hatte den Dreh schnell raus und ist unseren Hang hinuntergefahren, als wenn er es schon immer gemacht hätte. Man fährt halt immer voll auf Zug, kann die Fahrt nicht zwischendurch verlangsamen. Auch im Ziel braucht es einen Gegenhang, um abbremsen zu können. Alpine Fahrer profitieren sogar vom Grasski-Fahren, weil man sehr exakt fahren und gut über dem – bei uns kürzeren – Ski stehen muss.
Das klingt schon auch brutal. Wie häufig sind Verletzungen?
Auer: Es gibt weniger Bänderverletzungen als im klassischen Bereich, dafür Schlüsselbein- oder Armbrüche. Im Großen und Ganzen sind wir davon aber in den letzten Jahren verschont geblieben.
Die Ski selbst sind eindeutig dicker als im Alpin-Bereich.
Auer: Man kann sich das so vorstellen: Innen ist eine Metallschiene, die den Ski stabil hält, außen gibt es einen Gurt mit Plastikelementen, die auf Rollen sitzen. Wie bei einem Raupenbagger. Es gibt ein paar kleinere Hersteller, die sich darauf spezialisiert haben und viele Bastler, die sich ihre Ski selbst feintunen.
Gibt es in eurem Skizentrum ein paar Medaillen-Kandidaten mit Blick auf die JWM?
Auer: Ja, durchaus! Bei der letzten JWM hat Österreich zweimal Gold, zweimal Silber und fünfmal Bronze gewonnen. Mit Emma Eberhardt im Slalom und Tina Hetfleisch im Super-G kommen auch zwei Titelverteidigerinnen aus dem Burgenland. Es wird sportlich hochinteressant sein, wie sie sich diesmal schlagen werden. Was die Quantität angeht, kommen die meisten Fahrer aus Tschechien und Italien.
Grasskifahren ist aber eine reine Amateurgeschichte, oder?
Auer: Es gab vor fünf Jahren mal einen Tschechen, der es als Profi versucht hat, ansonsten sind es reine Amateure. Der sportliche Ehrgeiz bei so einer WM ist dennoch riesig. Der Aufwand ist ja auch dementsprechend: Zeit, Ausrüstung, Training, Rennen in verschiedenen Ländern, Materialkosten … ohne Sponsoren würde das nicht funktionieren. (lacht) Und man muss schon auch etwas verrückt sein, um diesen Sport auf höchstem Niveau zu betreiben.
Wie hoch ist der organisatorische Aufwand für eine WM?
Auer: Es gibt jeweils ein Rennen bei Mädchen und Burschen in den genannten Disziplinen, dazu kommt die Super-Kombi aus Slalom und Super-G. Wobei Männer und Frauen exakt den gleichen Kurs fahren. Insgesamt machen bei uns mehr als 100 freiwillige Helfer mit, dazu kommen zehn bis 15 Torrichter pro Rennen. Und du brauchst Leute, die zwischen den Läufern das Gras aus der Piste rechen. Ein großes Rahmenprogramm mit Siegerehrungen und Flower Ceremonys ergänzt das Event, um möglichst viele Menschen nach Rettenbach zu bekommen.
Haben Sie die Fantasie, dass Grasskifahren in Zukunft wachsen kann?
Auer: Fantasie und Interesse wären schon da, allein, damit es für uns als Veranstalter eine Spur rentabler wird. Wir machen Kooperationen mit Schulen, rekrutieren viel im Nachwuchsbereich. Leider war Corona ein ordentlicher Dämpfer, wir mussten danach vieles wieder mühsam aufbauen. Uns würde helfen, wenn es neben uns und Schwarzenbach in Niederösterreich noch ein weiteres Zentrum gäbe, mit dem man sich austauschen könnte. Davon würde die ganze Szene profitieren.