2026 mit verhaltener Dynamik

Österreichs Wirtschaft kommt nur schleppend aus der Rezession. Die Entwicklungen und Hintergründe des stotternden Konjunkturmotors analysiert Raiffeisen-Chefökonom Gunter Deuber.

Nach zwei Jahren Rezession kehrt Österreichs Wirtschaft endlich wieder auf die Wachstumsspur zurück, allerdings mit angezogener Handbremse. Nach einem BIP-Rückgang von 0,8 Prozent 2023 und 0,7 Prozent 2024 erwartet Raiffeisen Research für heuer nun ein Wachstum von 0,4 Prozent, das sich im kommenden Jahr auf 0,8 Prozent beschleunigen sollte.

„Es fühlt sich nicht wie ein Aufschwung an“, beschreibt Gunter Deuber, Raiffeisen-Chefökonom und Leiter von Raiffeisen Research, die Wirtschaftsdynamik. 2026 werde zwar nicht mehr so ein zähes Jahr werden wie heuer, gleichzeitig warnt der Ökonom davor, sich die Lage aufgrund der Rückkehr zum Wachstum schönzureden. Das Ziel der Regierung, ein Prozent Wachstum zu schaffen, sei unambitioniert. „Für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich sollte bei einem einsetzenden Konjunkturaufschwung eigentlich eine 2 vor dem Komma als Ziel stehen“, so Deuber.

Deuber erinnert noch einmal an die Folgen der längsten Rezession in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg: „Wir werden unser Wirtschaftsniveau des Jahres 2022 wahrscheinlich Ende 2026 bzw. 2027 erreichen. Die Eurozone liegt beim Wachstum aber mittlerweile schon 5 Prozentpunkte höher.“ Österreich müsse an der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, um wieder Tritt zu fassen. So entwickelten sich die österreichischen Exporte heuer erneut schwach. In den ersten neun Monaten gingen diese um 2,2 Prozent zurück, während die Importe um 3,2 Prozent stiegen. Für das Gesamtjahr rechnet Deuber mit einem Rückgang der Warenausfuhren um 0,9 Prozent, während die Importe um 1 bis 1,5 Prozent zulegen dürften.

„Der Außenhandel liefert keinen Wachstumsbeitrag zum BIP, was in Österreich in Aufschwungphasen immer der Fall war“, so der Raiffeisen-Experte. In den kommenden zwei Jahren sollten die Exporte wieder um die 1,9 bzw. 2 Prozent wachsen, allerdings dürften die Importe mit prognostizierten 2,2 bzw. 2,5 Prozent weiterhin stärker zulegen. Auch wenn die Zahlen positiv aussehen, bleiben sie hinter üblichen Exportzuwächsen in Erholungsphasen von 4 bis 4,5 Prozent zurück. 

Deutsche Abhängigkeit

Von den zahlreichen Außenfaktoren wird für Österreich zentral sein, ob Deutschland als weitaus wichtigster Handelspartner es schafft, wieder in die Gänge zu kommen, so der Ökonom. Die Unsicherheit darüber sei aktuell relativ groß. Für 2026 wird der deutschen Volkswirtschaft ein Wachstum von 0,7 bis 1,7 Prozent vorausgesagt. „Für Deutschland habe ich schon lange keine so großen Prognose-Spannen gesehen“, berichtet der Raiffeisen-Experte. Sollte Deutschland keinen wirklichen Aufschwung schaffen, dann werde es auch in Österreich deutlich schwieriger mit der Konjunktur, aber auch am Arbeitsmarkt. „Wir hängen noch immer relativ stark von der deutschen Konjunktur ab“, erinnert Deuber. Aber es sei auch für ganz Europa von enormer Wichtigkeit, dass die deutsche Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt. 

Angesichts dieser Umstände zeichnet sich erwartungsgemäß auch kein starker Investitionszyklus in Österreich ab, der hierzulande traditionell mit der Exportentwicklung verknüpft ist. Die Investitionen wachsen im Bereich von 1 bis 1,5 Prozent. „Das ist nicht die Investitionsdynamik, die wir am Wirtschaftsstandort Österreich brauchen“, so Deuber. Üblicherweise legen Investitionen in einer Aufschwungphase um 2,5 bis 3 Prozent zu. Zudem liefert auch der schwächelnde Konsum, der heuer um rund 1 Prozent zulegen dürfte, nicht die notwendigen Impulse.

Inflationsdruck sinkt

Beim Sorgenkind der vergangenen Jahre, der Teuerung, zeichnet sich nun zumindest eine leichte Entspannung ab. Heuer dürfte die Jahresinflation mit 3,5 Prozent noch einmal deutlich höher ausfallen als in der Eurozone (2,2 Prozent). Nächstes Jahr sollte sich der Abstand zum Euroraum verringern, vor allem weil der inflationstreibende Effekt aus dem Auslaufen der sogenannten „Strompreisbremse“ von Anfang 2025 wegfällt.

Im kommenden Jahr wird in Österreich mit einer Inflation von 2,5 Prozent gerechnet, während für die Eurozone 1,8 Prozent erwartet werden. Die Herbstlohnrunde und die Pensionserhöhungen unter der Teuerungsrate waren erste wichtige Schritte, um diese einzudämmen. Allerdings gebe es eine nach wie vor verhärtete Dienstleistungsinflation, so Deuber. Außerdem müsse man noch abwarten, ob nicht von staatlicher Seite Maßnahmen dazukommen – immerhin steht eine alles andere als leichte Budgetkonsolidierung bevor. Auch wenn die Inflation langsam hinuntergleite, bleibe sie deutlich höher als in der Eurozone. Und man wisse: „Reales Wirtschaftswachstum ist in Zeiten hoher Inflation schwierig zu erreichen.“

Industrie vor Turnaround

Ein Hoffnungsschimmer für die Konjunktur kommt von der Industrie, die zuletzt von der breiteren europäischen Dynamik profitiert. „Teilweise waren die Lagerbestände auf einem Niveau, wo wieder etwas produziert werden muss“, sagt der Finanzexperte. 2026 sollte die Industrieproduktion um über 1 Prozent zulegen. „Vor längerer Zeit hätten wir bei einem solchen Zuwachs nicht wirklich von Wachstum gesprochen.“ Gleichzeitig gesteht Deuber ein, dass „unser Prognose-Szenario keine substanzielle Reformdynamik und Standortpolitik beinhaltet. Wenn dort mehr kommt, dann gibt es vielleicht auch mehr Potenzial nach oben.“ 

Aktuell werde an einer neuen Industriestrategie gearbeitet, hier seien die Erwartungen hoch, insbesondere in Bezug auf das wichtige Thema Energiekosten. Das betreffe aber nicht nur die klassische Industrie, sondern auch viele Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz oder Data-Center, die alle planbare und niedrige Energiekosten brauchen. „Daher ist es besonders wichtig, dort einen Fuß in die Tür zu bekommen“, so der Raiffeisenexperte. Außerdem tue sich Österreich schwer, vom aktuell wichtigen Thema Rüstungs- und Verteidigungsindustrie zu profitieren. „Da müssten wir einen eiskalten Pragmatismus zeigen“, fordert Deuber in Richtung Politik. Deregulierung und Bürokratiekosten senken sei das zweite große Thema. „Die Vorschläge der Regierung waren einmal ein Startpunkt, als mehr kann man es nicht betrachten.“

Gunter Deuber auf der Bühne
© Raiffeisen Campus/Joseph Krpelan

„Keine Konsolidierung mit der Brechstange“

Für nächstes Jahr erwartet der Finanzexperte einen Turnaround in der Industrie. Lange Zeit wurde der Beschäftigungsstand trotz sinkender Produktion und Aufträge gehalten, was makroökonomisch dazu geführt hat, dass es keine großen Produktivitätsfortschritte gab. „Jetzt werden Produktivitätssteigerungen teilweise durch Mitarbeiterabbau vorgenommen“, so Deuber. Vieles wurde in den vergangenen sechs Monaten angegangen und werde sich noch eine Zeitlang fortsetzen – selbst wenn der Industriemotor nachhaltig anspringen sollte. Ein Alarmzeichen sei, dass die heimische Industrie von den Vorzieheffekten im Vorfeld der angekündigten scharfen US-Zollpolitik von Präsident Donald Trump im Gegensatz zur Konkurrenz kaum profitieren konnte.  

Das weiterhin große Budgetdefizit Österreichs sollte die Konjunktur nicht ausbremsen, so Deuber und ergänzt: „Es zeichnet sich keine Konsolidierung mit der Brechstange ab, wenn wir versuchen, beim Budgetdefizit in Richtung 4 Prozent zu gehen. Der Staatskonsum hat zuletzt zum Wachstum beigetragen, hier wird etwas weniger kommen.“ Ein gewisser Teil der staatlichen Impulse sei allein durch den Beschäftigungsaufbau im öffentlichen Sektor gekommen.

Polarisierung in Branchen

Auch wenn die Zahlen für den Einzelhandel, Konsum und Tourismus vordergründig gut aussehen, sind sie inflationsbereinigt natürlich deutlich schlechter. „Wir sehen eine zunehmende weitere Polarisierung und Differenzierung innerhalb der Branchen“, sagt der Raiffeisen-Experte. Viele Unternehmen hätten in diesen drei Branchen über einen sehr langen Zeitraum keine reale Wertschöpfung erwirtschaftet und leben oft von der Substanz. Es sei zu erwarten, dass es zu einer Konsolidierung durch stärkere Branchenakteure, aber auch zu Insolvenzen kommen dürfte.

Eine negative Überraschung gab es heuer bei der Baurezession, die entgegen der Erwartungen die Talsohle offenbar noch nicht erreicht habe, so Deuber. Im Laufe des Jahres 2026 zeichne sich eine zarte Erholung ab. Die angekündigte regulatorische Verschärfung bei den Kapitalpuffern für Gewerbeimmobilienfinanzierungen sieht der Ökonom problematisch. Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) hat empfohlen, den sektoralen Systemrisikopuffer für Gewerbeimmobilienkredite in zwei Schritten von derzeit 1 Prozent ab Juli 2026 auf 2 Prozent und ab Juli 2027 auf 3,5 Prozent anzuheben.

„Das erinnert ein wenig an die KIM-Verordnungs-Saga und so eine prozyklische Maßnahme entspricht meines Erachtens nicht dem Grundgedanken einer makroprudenziellen Regulierung“, kritisiert Deuber das Vorgehen. In den nächsten ein, zwei Jahren stehen viele Refinanzierungen an. Es werde sicherlich auch zu einer Verwertung von Projekten kommen müssen. Daher sehe er derzeit keine Entspannung in diesem Segment. Anders sieht die Situation bei den privaten Immobilienfinanzierungen aus, die seit heuer auf Erholungskurs seien und diesen auch fortsetzen sollten.

Solider Finanzsektor

Positiv gestimmt zeigt sich Deuber in Bezug auf den heimischen Finanzsektor. Das Zinsniveau habe sich ordentlich eingependelt und am langen Ende sehe man Entwicklungen, die man so nicht erwartet hätte. So seien die Renditen für zehnjährige österreichische Staatsanleihen deutlich angestiegen und liegen derzeit etwas über 3 Prozent.

„Wir haben schon eine normalere Zinskurve, deswegen sind die Zinserträge der österreichischen Bank solide. Und auch im Osteuropa-Geschäft läuft es weiterhin sehr, sehr gut. Die Ertragsdynamik knüpft dort an die besten Jahre an“, so Deuber. Auch insgesamt habe der europäische Bankensektor im Vergleich zu den US-Konkurrenten aufgeholt. In einem breiteren Sample der 30 größten Banken der USA und der Eurozone seien die europäischen Player schon zum Teil profitabler als die US-Banken und werden am Finanzmarkt wieder gut bewertet.

Summa summarum bleibt das Gesamtbild für die heimische Konjunktur weiterhin herausfordernd, fasst Deuber zusammen. Es ist keine Zeit, um sich zurücklehnen zu können, sondern um an den Hausaufgaben zu arbeiten und einen gesunden Pragmatismus walten zu lassen.

AusgabeRZ51-2025

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