Gutes Einstiegsniveau bei Anleihen

Wer Anleihenkäufe seit Jahren aufgeschoben hat, sollte jetzt die Chancen nutzen und einsteigen, sagt Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement bei Kepler-Fonds.

Das Marktumfeld für Anleihen war 2022 in vielfacher Hinsicht außergewöhnlich und herausfordernd. Alle Segmente zeigten einen in dieser Form noch nicht erlebten Renditeanstieg. So hat es beispielsweise in den vergangenen 100 Jahren am US-Kapitalmarkt nur vier Jahre gegeben, in denen Anleihen und Aktien gleichzeitig Kursrückgänge verzeichnet haben (1941, 1969, 1987 und 2022). 

Geschuldet war diese Entwicklung der Zentralbankpolitik dies- und jenseits des Atlantiks, die sehr deutlich auf die Anleihekurse drückte. „Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank wollen mit ihrem restriktiveren Kurs das Inflationsgeschehen in den Griff bekommen und verhindern, dass sich eine Inflationsmentalität festsetzt“, erläutert Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement bei Kepler-Fonds. „Wer also Anleihenkäufe seit Jahren aufgeschoben hat, sollte jetzt die Chancen nutzen und auf das attraktive Renditeniveau einsteigen“, empfiehlt der Experte. Denn weitere Zinserhöhungen seien bereits am Markt eingepreist und die Inflation habe ihren Höhepunkt überschritten. Sollten die Renditen zwischenzeitlich doch noch etwas steigen, federe die jetzt höhere laufende Rendite diese Anstiege besser ab.

Neben der Entwicklung an der Zinsfront ist auch das Thema Inflation ein Grund für die optimistische Einschätzung bei Anleihen. „Die am Markt gehandelten Inflationserwartungen sind verankert und deutlich zurückgekommen. Der Hauptgrund dafür liegt in den zahlreichen Vorlaufindikatoren, die auf eine Entspannung der Inflationssituation hindeuten. Neben zuletzt stark gesunkenen Energiepreisen, insbesondere bei Gas und Strom, entspannen sich auch die internationalen Lieferketten merklich“, so Krämer. Eine Inflation von 2 bis
3 Prozent erwarten die Experten von Kepler-Fonds frühestens für das zweite Halbjahr 2024.

Grafik: Zinsentwicklung USA vs. Eurozone
Zinsentwicklung USA vs. Eurozone: Nach den bereits erfolgten Zinsanhebungen sind weitere Zinsschritte nach oben in großem Umfang von den Märkten bereits eingepreist. In der Eurozone wird ein Zinsgipfel von 3,25 bis 3,50 Prozent erwartet, in den USA von rund 5,00 bis 5,25 Prozent. Quelle: Bloomberg

Inflation auch hausgemacht

Auf die Frage, inwieweit die Unterstützungsmaßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Abfederung der massiven Teuerung die Inflation hierzulande sogar noch anfeuern, sagt Krämer: „Inflation braucht immer zwei – einen Verkäufer und jemanden, der höhere Preise zahlen will und kann. Somit helfen die Förderpakete einerseits, die Konjunktur am Laufen zu halten. Andererseits können Verkäufer gestützt auf ein Gegenüber mit gefüllten Geldbörsen potenziell länger als sonst höhere Preise durchsetzen. Somit ist ein Teil des inflationären Geschehens hausgemacht – mit dem positiven Effekt einer stärkeren Konjunktur. In so einem Umfeld ist es allerdings wesentlich, dass keine Inflationsmentalität mit ausgeprägten Zweitrundeneffekten, also einer Lohn-Preis-Spirale, auftritt. Davon gehen wir aus.“ 

Anders als zuletzt befürchtet scheint die große Rezession im Euro-Raum auszubleiben. Laut Winterprognose der EU-Kommission wird die europäische Wirtschaft auch heuer wachsen. Konkret soll die Konjunktur in der Euro-Zone 2023 um 0,9 Prozent zulegen, in der gesamten EU wird mit einem Wachstum von 0,8 Prozent gerechnet. Zugleich soll die Inflation auf 5,6 Prozent in der Euro-Zone und 6,4 Prozent in der EU fallen. Die Winterprognose der Brüsseler Behörde fällt damit deutlich günstiger aus als die Herbstprognose vom vergangenen Oktober. 

Auch für Österreich hat die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose leicht angehoben. Die Brüsseler Behörde rechnet für 2023 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent, das sind um 0,2 Prozentpunkte mehr als bisher angenommen. 2024 soll das Wachstum mit 1,4 Prozent wieder leicht anziehen. Die Inflation dürfte sich in Österreich heuer zwar leicht entspannen, aber auf einem hohen Niveau von 6,6 Prozent bleiben. 2024 soll sie dann auf 3,6 Prozent fallen. 

„Gründe für dieses Soft-Landing-Szenario liefern ein milderer Winter in Europa als erwartet, eine chinesische Wirtschaft, die nach zwei Jahren des Covid-19-Winterschlafs erwacht und Signale einer Entspannung der zuletzt angespannten Lieferketten auf globaler Ebene“, analysiert Krämer.  

Den Euro/Dollar-Kurs erwartet der Experte zum Jahresende in einer Bandbreite von 1,09 bis 1,12 US-Dollar für einen Euro. Die erwartbare Entwicklung des Zinsabstands zwischen Euro- und US-Dollarraum spreche unter anderem für einen leicht stärkeren Euro zum Jahresende. 

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