„Milch ist Opfer der Teuerung, nicht Verursacher“

Milch und Milchprodukte tragen nicht nur wesentlich zu einer ausgewogenen Ernährung bei, die heimische Milchwirtschaft ist im In- und Ausland für ihre Top-Qualität bekannt. Wir sprachen mit Johann Költringer, dem Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), über Milch in der Ernährung, Milch im Supermarkt und Milch als Beitrag zum Klimaschutz.

Verschiedene Milchprodukte
© Adobe Stock/xamtiw

Milch ist das erste Lebensmittel, das wir kennenlernen, es begleitet uns das ganze Leben. Was ist eigentlich das Besondere an der Milch?
Johann Költringer: Genau so ist es. Österreich ist ein Milchland: Etwa 23.000 Milchbauern, 3,5 Millionen Tonnen Milchanlieferung und 100 große und kleinere Milchverarbeiter, Molkereien und Käsereien mit über 5.700 Mitarbeitern versorgen uns durch ihre tägliche Arbeit mit hochwertiger Milch und Milchprodukten. Das Besondere an der Milch: Milch ist ein sehr hochwertiges und natürliches Lebensmittel, von der Natur für die Ernährung der Nachkommenschaft geschaffen. Sie enthält eine ausgewogene und gut verdauliche Zusammenstellung von hochwertigem Eiweiß, Kohlehydraten und Fett, dazu alle wichtigen Vitamine und Mineralien, ein optimales Lebensmittel für eine gesundheitsbewusste Ernährung, von Kindheit an bis ins hohe Alter. Im Gegensatz dazu versuchen viele Imitate durch ähnliche Aufmachung oder Namensgebung das gute Image der Milch zu kapern, ohne deren Inhalte bieten zu können. Milch wird unter höchster Sorgfalt produziert und zu einer großen Vielfalt von verschiedensten Milchprodukten verarbeitet, was den Geschmack aller treffen sollte. Die hohe Qualität heimischer Milchprodukte zeigt sich an der steigenden Beliebtheit bei den Verbrauchern im In- und Ausland, aber auch an den vielen internationalen Auszeichnungen.

Milch stand zuletzt im Fokus der Teuerungsdebatte. Wer trägt Schuld an den hohen Preisen?
Költringer: Milch und Milchprodukte sind nicht Verursacher, sondern Opfer der Teuerung. Nach den Corona-Jahren verursachte der Ukrainekrieg bei knappem Angebot enorme Verunsicherungen auf den Lebensmittel- und Rohstoffmärkten, die extremen Steigerungen bei Energie- und Rohstoffkosten verursachten die höheren Preise, und dies auf allen Ebenen – beim Bauern, beim Verarbeiter, in der Logistik und im Handel. Mittlerweile ist auf den Milchmärkten der Zenit überschritten und eine gewisse Entspannung zu bemerken, was bei anhaltend hohen Vorleistungskosten problematisch ist. Verglichen mit anderen Ländern wie Deutschland, Ungarn oder dem EU-Durchschnitt ist die Inflation bei Milchprodukten in Österreich deutlich geringer. Einige Produkte wie Butter sind mittlerweile sogar unter dem Preisniveau von vor einem Jahr. Politische Panikmache ist nicht angesagt, heimische Milchprodukte sind ihren Preis wert, allein aufgrund der hohen Qualität. Ein österreichischer Haushalt gab im letzten Jahr jeden Monat im Schnitt 46 Euro oder 1,57 Prozent des Einkommens für Milchprodukte aus, er erhält dafür tagtäglich erstklassige Qualität, nachhaltige und gentechnikfrei hergestellte Produkte. Die zurückliegenden Krisen sollten uns gezeigt haben, wie wichtig eine sichere Versorgung mit hochqualitativen Lebensmitteln ist.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz – wie sieht es hier aus in der Milchwirtschaft?
Költringer: Österreichs Milchwirtschaft ist ein Vorreiter bei Nachhaltigkeitsthemen, mittlerweile ist das auch ein wichtiges Verkaufsthema im In- und Ausland: Seit über zwölf Jahren ist die Milch in Österreich gentechnikfrei. Wir haben mit knapp 19 Prozent den höchsten Bioanteil, zudem wurden mit der Heumilch und anderen Qualitätslabels weitere Qualitätsschienen geschaffen. Wir setzen auf einen hohen Raufutter- und Grünlandanteil, ein Verbot von Palmfett und Soja aus Übersee sowie strenge Vorschriften für Kälber in der Fütterung. Ebenso bestehen hohe Tierwohlstandards, die laufend weiterentwickelt werden. Milchwirtschaft im Berggebiet und Almwirtschaft bieten einzigartige Standards in Österreich. Dies führt auch zu den EU-weit besten Klima­schutzwerten für österreichische Milch gemäß Studie des Joint European Research Centers der EU. Über die Milchkühe kann zudem für die menschliche Ernährung nicht nutzbare Biomasse in hochwertige Lebensmittel umgewandelt werden – ein besonderer Aspekt einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Darüber hinaus unterliegt die gesamte Produktion den Bestimmungen des AMA-Gütesiegels und wird laufend kontrolliert. 

Johann Költringer im Interview
© RZ/Alexander Blach

„Österreich kann sehr stolz auf die Qualität seiner Milchprodukte und die Leistungen der Milchwirtschaft sein.“ 

Johann Költringer

Die Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit nehmen laufend zu. Wie geht die Milchwirtschaft damit um?
Költringer: Die bisherigen Erfolge der österreichischen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstrategie werden laufend weiterentwickelt. In nächster Zeit werden besonders im Bereich Tierwohl mit dem gänzlichen Verzicht der dauernden Anbindehaltung im AMA-Gütesiegel und der geplanten Einführung von Tierwohlmodulen weitere Akzente gesetzt. Ebenso setzen die Landwirte auf besonders nachhaltige und klimafreundliche Produktionsmethoden. In den Verarbeitungsbetrieben wird in erneuerbare, regionale Energieversorgungssysteme investiert, um von importierten, fossilen Energieträgern wegzukommen, auch als Beitrag zum Klimaschutz. Wir erwarten uns vom Handel, den Konsumenten und der öffentlichen Hand, dass diese Strategie durch eine verantwortungsbewusste Einkaufspolitik und Unterstützungen mitgetragen wird, denn nur so wird es möglich sein, unter den Struktur- und topografisch bedingten schwierigen Produktionsbedingungen eine positive Weiterentwicklung zu gewährleisten. Neben der Lebensmittelproduktion ist die Milchwirtschaft auch für die Grünlanderhaltung, die Artenvielfalt und die Landschaftspflege verantwortlich. 

Die Milchwirtschaft ist trotz intensivem Wettbewerb im In- und Ausland erfolgreich, was ist das Geheimnis dafür?
Költringer: Allen voran das Geschick und die Tüchtigkeit unserer Milchbauern, Molkereien und Käsereien, die mit besseren Ideen und besseren Produkten am Markt bestehen müssen. Der Export ist hoch und im letzten Jahr neuerlich gestiegen, aber auch die Importe. Fast die Hälfte der Milchprodukte werden exportiert, ein Drittel wird importiert, oft nur deshalb, weil über die Herkunft und die damit zusammenhängenden Produktionsstandards nicht informiert wird. Die Milchwirtschaft hat im letzten Jahr Exportüberschüsse von 644 Mio. Euro erwirtschaftet. Und meine Antwort auf Kritik am Export lautet: Jeder in Österreich produzierte Liter Milch ist ein guter Beitrag fürs Klima, sichert Arbeitsplätze auf den Höfen und in der Wirtschaft, ist deshalb gut fürs Klima, weil wir in Österreich ja die besten Klimaschutzwerte bei der Produktion haben und die Produktion für die steigende weltweite Nachfrage ansonsten woanders mit schlechteren Klimaauswirkungen erfolgen würde. Österreich kann sehr stolz auf die Qualität seiner Milchprodukte und die Leistungen der Milchwirtschaft sein.