Jakob Dusek über Action, Speed und große Dramen

Action, Speed und große Dramen: Snowboardcrosser Jakob Dusek spricht über seinen Olympia-Traum, WM-Unfälle, die Faktoren Routine und Spaß und erklärt, warum er für jeden Renn-Kilometer in seinen Beinen dankbar ist.

Diese Bilder hat jeder Wintersportfan noch in seinem Kopf. Bei der Snowboardcross-WM Ende März im Engadin lagen Titelverteidiger Jakob Dusek und sein Landsmann Alessandro Hämmerle im Finale in Front, ehe es zu einer Berührung kam und Dusek letzten Endes nur als Vierter durchs Ziel rauschte. Blech statt Edelmetall, Tränen statt Triumphgeheul. „Das ist abgehakt“, sagt der 28-Jährige und wirft im großen Interview trotzdem noch einen Blick zurück, aber auch nach vorn.

Sie sind inmitten der Vorbereitungen auf eine Saison, die mit Olympia im Februar in Italien einen fulminanten Höhepunkt hat. Merken Sie schon, dass es mehr kribbelt als sonst?
Jakob Dusek: Ja, ich spüre, dass Olympia ein Thema ist, auch wenn es noch ein paar Monate dauert. Aber man redet darüber und befasst sich mit den Qualifikations-Kriterien. 

Wie schaut aktuell Ihre Vorbereitung aus?
Dusek: Der Weltcup beginnt ja erst Mitte Dezember. Derzeit geht es darum, ein paar Wehwehchen auszukurieren und zu schauen, dass man in optimaler Form im November mit dem Schneetraining beginnen und voll durchstarten kann. Aktuell trifft man mich oft auf dem Ergometer oder in der Kraftkammer, damit die Werte passen.

Im Vergleich zu anderen Wintersportarten starten die Snowboarder relativ spät in die Saison. Können Sie gut warten?
Dusek: Ich persönlich bin immer heiß aufs Snowboarden, für mich kann es gar nicht früh genug losgehen. Objektiv gesehen hat es aber auch etwas Gutes: Durch die lange Pause kommt man vom Kopf her weg vom Thema, kann richtig abschalten und hat auch genug Zeit für eine sinnvolle Vorbereitung. Und da man für Snowboardcross relativ viel Schnee braucht, um die Strecke mit ihren Steilkurven und Sprüngen zu bauen, ist ein früherer Start anscheinend nicht möglich.

Sie waren 2022 in Peking erstmals bei Olympia dabei, schieden aber schon im Achtelfinale aus. Seitdem ist in Ihrer Karriere viel passiert, Sie wurden unter anderem 2023 Weltmeister und in der vergangenen Saison Dritter im Gesamt-Weltcup. Was ist drin bei den Spielen?
Dusek: Stimmt, es hat sich viel geändert … 2022 in Peking kam hinzu, dass ich vorher auf genau der Strecke einen vierten Platz im Weltcup geholt habe und mit hohen Erwartungen angereist bin. Dann habe ich einen blöden Fehler gemacht und das Rennen war vorbei, obwohl ich auch in der Quali stark gefahren bin. Ich war damals von den olympischen Eindrücken etwas überwältigt. Wenn ich diesmal meine Leistung abrufen kann, ist eine Medaille nichts, was extrem weit weg ist.

Zumal Sie die ersten Olympia-Eindrücke ja jetzt schon gesammelt haben.
Dusek: Ich weiß, was auf mich zukommt. Ich freue mich auch, dass die Spiele in Europa stattfinden und nicht wie damals unter Corona-Bedingungen. Diesmal werden auch Fans an der Strecke dabei sein, der ganze olympische Spirit wird mehr aufleben. 

Die vergangene Saison war wohl eine der bewegendsten in Ihrer Karriere. Sie haben drei Ihrer vier Weltcup-Siege gefeiert, mit Ihrem WM-Drama aber auch ein ganzes Land gerührt. Wie blicken Sie zurück?
Dusek: Es war ein riesiges Auf und Ab der Gefühle. Durch meine Siege war ich ganz oben, dann hab ich wieder blöde Fehler gemacht, die ich in Zukunft unbedingt vermeiden möchte. Ich möchte mehr Konstanz in meine Rennen bringen, aber gleichzeitig die Schnelligkeit, die ich hatte, nicht verlieren. 

Das ist in Ihrem Sport die große Kunst, oder?
Dusek: Ganz genau. Ich möchte auch nicht weniger Risiko nehmen. Aber aus den Fehlern, die ich gemacht habe, will ich die richtigen Schlüsse ziehen. Zwei der drei Siege kamen ja erst gegen Ende der Saison, im März ging es für mich steil bergauf. Daran will ich anknüpfen.

Ihren letzten Sieg haben Sie eine Woche nach dem WM-Drama gefeiert. Wie konnten Sie das Geschehene so schnell abschütteln?
Dusek: Natürlich war das, was bei der WM passiert ist, total schade! Aber was ich mitgenommen habe: Ich war sehr schnell. Dafür, dass es am Ende der vierte Platz wurde, konnte ich nicht viel, das lag nicht unbedingt in meiner Hand. Aber es ist passiert, ich hätte gerne einen anderen Ausgang gehabt. Ich fahre aber deswegen Snowboardcross, weil es so zur Sache geht. Ich bin keiner, der dem Ganzen jetzt zu sehr nachweint.

Sie und auch Alessandro Hämmerle, der am Ende Dritter wurde, haben nachher sehr besonnene Statements abgegeben und gesagt, dass so etwas im Rennsport vorkommt. Sehen Sie das mit dem Abstand von einem guten halben Jahr immer noch so?
Dusek: Ja, ich bin genau der Meinung, die ich damals kundgetan habe. Es war ein Renn­unfall, der dazugehört. Wir alle wollen gewinnen! Keiner sagt: Nein, ich riskiere jetzt nichts und lasse dir den Vortritt, dann gewinnst halt du. Bei der WM 2023 war es ja genau andersherum: Da lag ich an dritter Position, die beiden Führenden kamen sich in die Haare und ich wurde Weltmeister. Ich stand also auch schon auf der anderen Seite.

Das Ganze zeigt jedenfalls, was für ein rasanter Sport Snowboardcross ist. Hat es Sie immer schon fasziniert, sich in waghalsige Zweikämpfe zu begeben?
Dusek: Auf jeden Fall, deswegen habe ich mich auch dafür entschieden. Das Faszinierende ist das Einfache: Du siehst auf den ersten Blick, wer schnell und wer langsam ist, weißt immer, wie du im Vergleich zu deinen Konkurrenten stehst. Und wenn du in einem Ausscheidungslauf unter den ersten beiden bist, kommst du weiter, Punkt. Ganz einfach. Durch den Kampf von vier Fahrern ist immer Action auf der Piste, genau das brauche ich.

Was in einem Finallauf dagegen bitter ist: Von den vier Fahrern geht immer einer am Ende leer aus.
Dusek: Das ist extrem brutal! Früher durften wenigsten alle vier Fahrer zur Siegerehrung, der Vierte stand neben dem Stockerl und hat einen Blumenstrauß bekommen. Heute darfst du nach dem Rennen direkt nach Hause fahren. Wenn das Podest so nah ist und du dann durchgereicht wirst, das ist hart. Aber es ist eben Part of the Game, nach diesen Regeln spielen wir alle.

Sie spielen seit mittlerweile zehn Jahren im Weltcup nach diesen Regeln, haben 2015 Ihr Debüt gefeiert. Inwieweit sind Sie seither ein anderer Fahrer geworden?
Dusek: Auf der Strecke bin ich auf jeden Fall geduldiger geworden. Man muss nicht gleich am Start alles zerreißen. Was ich gelernt habe: Es kommt nicht drauf an, wer als Erster in die erste Kurve kommt, sondern wer als Erster über die Ziellinie fährt. Es gibt auf jeder Strecke die Möglichkeit zu überholen, man muss nur wissen wo. Und neben dem Material hat sich natürlich auch meine Technik verbessert. Ich kann den Schwung der Kurve heute viel besser ausnutzen als vor zehn Jahren. 

Bedeutet: Routine ist ein ganz wichtiger Faktor.
Dusek:
Das würde ich auf jeden Fall bejahen. Man sieht immer wieder bei jungen Fahrern, dass sie riskante Manöver fahren und bei einem Sturz andere mit aus dem Rennen nehmen. Dabei wäre es in der nächsten Kurve viel einfacher gegangen zu überholen. Was ich wichtig finde: Du musst dich in diesem Vierkampf wohlfühlen und andere Fahrer lesen können. Was haben sie vor, wo bietet sich mir eine Chance, wo liegen die Schwächen der anderen? Da bin ich dankbar für jeden Renn-Kilometer, den ich in den Beinen habe. 

Ihre Entwicklung geht sein ein paar Jahren steil nach oben. Haben Sie übergeordnete Ziele?
Dusek: Klar, es gibt Erfolgsziele wie eine Olympia-Medaille oder der Sieg im Gesamt-Weltcup. Aber das Wichtigste ist für mich, Spaß an der Sache zu haben. Gerne zu boarden und voller Leidenschaft Rennen fahren, das finde ich entscheidend. Mit Spaß geht alles leicht von der Hand, dann fährt man automatisch schnell, und die Ergebnisse kommen.

Gibt es bei euch Snowboardcrossern ein Alterslimit? Beim Parallel-Slalom fährt Andi Prommegger auch mit weit über 40 Jahren noch in der Weltspitze mit.
Dusek: Ich denke schon, dass das bei uns auch möglich wäre. Nick Baumgartner (Anm.: 43-jähriger US-Amerikaner) zeigt, dass man wirklich lange mit dabei sein kann, wenn man auf seinen Körper hört und im Sommer brav trainiert. Was bei uns höher ist, ist das Verletzungsrisiko, weswegen die meisten doch etwas früher aufhören. 

Seit Januar 2024 sind Sie Markenbotschafter von Raiffeisen Niederösterreich, nach außen sichtbar durch den Helm mit dem Giebelkreuz. Wie kam es dazu?
Dusek: Das ist eine witzige Geschichte. Es gab ein Golfturnier vom Sportland Niederösterreich, da kam ich in einen Flight mit Charly Zöchling (Anm.: Raiffeisen Landeswerbung NÖ-Wien). Wir haben uns viel und gut unterhalten und vereinbart, uns nach dem Turnier zusammenzusetzen, um über eine Kooperation zu reden. Daraus wurde eine tolle Partnerschaft, um die ich sehr froh bin und die kürzlich wieder verlängert wurde. Auch wenn ich weiß, dass es als Raiffeisen-Sportler große Fußstapfen auszufüllen gilt.

AusgabeRZ44-2025

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