„Der Mehrwert ist noch nicht erkennbar“

Was der digitale Euro für Banken bedeutet und wo es Bedenken gibt, das erklärt Johannes Rehulka, Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes und Geschäftsführer des Fachverbandes der Raiffeisenbanken.

Johannes Rehulka im Interview
© Sabine Klimpt

Die europäischen Banken verfolgen die Entwicklungen rund um einen digitalen Euro sehr genau. Wie ist der Vorschlag der EU-Kommission zu werten?
Johannes Rehulka: Der Vorschlag der EU-Kommission ist der Startschuss für eine öffentliche Diskussion über die Einführung einer digitalen Währung. Bis dato haben die EZB und die nationalen Notenbanken an einem digitalen Euro ohne öffentlichen Diskurs und auch ohne rechtliche Grundlage gearbeitet. Zumindest in der Privatwirtschaft wäre es ein äußerst unübliches Vorgehen, vor Klärung der Grundsatzfragen bereits das Design eines Produktes festzulegen.   

Wie stehen Banken generell zum digitalen Euro? Können Banken der Idee einer digitalen Währung etwas Positives abgewinnen?
Rehulka: Es ist nachvollziehbar, dass sich Notenbanken über die Bedeutung von Währungen im digitalen Raum Gedanken machen. Im hoch entwickelten Zahlungsverkehrssystem bleibt jedoch der praktische Anwendungsfall für einen digitalen Euro unklar. Jeder Kunde kann schon heute pro-blemlos auf seiner Banking-App grenzüberschreitende Zahlungen vornehmen. Welchen Mehrwert der digitale Euro für die Menschen konkret bringen soll und welche Kosten mit der Einführung für die Privatwirtschaft entstehen, konnte bis jetzt noch nicht ausreichend erklärt werden.

Ab 2026 könnte der digitale Euro einsatzbereit sein. Werden Banken genügend Zeit bekommen, sich darauf vorzubereiten?
Rehulka: Wir befinden uns am Beginn einer komplexen Diskussion. Es würde mich nicht überraschen, wenn die EZB und die Notenbanken das angepeilte Datum nicht einhalten können. Darüber hinaus kann ich nur empfehlen, die Kreditinstitute ausreichend und rechtzeitig einzubinden – denn ohne die Banken wird das Projekt eines digitalen Euro kein Erfolg werden.

Banken bieten bereits viele elektronische Zahlungsmöglichkeiten an. Wird der digitale Euro eine große Konkurrenz und die bestehenden Angebote gar verdrängen?
Rehulka: Geschäftsbanken stellen aktuell eine Vielzahl an Zahlungsverkehrsprodukten zur Verfügung. Die Kunden nehmen die Innovationen durch Banken auch sehr gut an. Eine Verdrängung der Produkte von Banken kann ich mir bei dieser Ausgangslage nicht vorstellen.

Die Limits für die digitale Geldbörse sind noch offen – es geistern immer wieder Zahlen zwischen 500 und 3.000 Euro herum. Die Wallet soll nach einem Wasserfall-Prinzip immer automatisch gefüllt werden. Wenn das alle EU-Bürger gleichzeitig machen – ist dieser Liquiditätsabfluss bei den Banken verkraftbar?
Rehulka: Die Höhe des maximalen Haltelimits für einen digitalen Euro ist nicht festgelegt, daher können die endgültigen Auswirkungen noch nicht abgeschätzt werden. Man kann aber sagen: Je höher die Haltelimits ausfallen, desto größer können die Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität sein. Warum die Notenbanken selbst und nicht der Gesetzgeber ein Haltelimit festsetzen sollen, konnte auch noch nicht ausreichend begründet werden.

Welche Risiken kann ein digitaler Euro für das ­Finanzsystem bringen? 
Rehulka: Wir haben bei den letzten Krisenfällen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse vor Augen geführt bekommen, wie schnell Abflüsse von Banken in Zeiten von elektronischem Banking vonstattengehen können. Künftig könnte mit
einem Klick das Vermögen von der Geschäftsbank auf das Konto des digitalen Euro überwiesen werden. Das kann gerade in Krisenfällen zu noch rascheren Abflüssen führen. 

Was bedeutet die Einführung eines digitalen Euro für die restliche Wirtschaft?
Rehulka: Bis auf Kleinstunternehmen trifft künftig jedes Unternehmen eine Annahmeverpflichtung des digitalen Euro. Jedes Unternehmen muss daher künftig den digitalen Euro als Zahlungsmittel akzeptieren. Bislang konnte aber nicht geklärt werden, wer die Anschaffungskosten für die Errichtung der technischen Infrastruktur tragen wird.

Werden die Bedenken von Regionalbanken in Bezug auf den digitalen Euro in die nun startenden Verhandlungen einfließen? 
Rehulka: Regionalbanken refinanzieren sich größtenteils über die Entgegennahme von Einlagen. Gerade für sie beinhaltet die Einführung einer digitalen Währung zahlreiche Unwägbarkeiten und Fragen. Solange diese Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet werden, sollte ein digitaler Euro nicht eingeführt werden.

Noch sind also viele Fragen offen, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der digitale Euro scheitert?
Rehulka: Der Erfolg einer Währung, egal ob digital oder real, hängt immer vom Vertrauen der Endverbraucher ab. Solange Konsumenten, Unternehmen, aber auch Banken keinen Mehrwert in der neuen Währung erkennen können, wird sich der digitale Euro auch nicht durchsetzen. Es wird an der EZB und den nationalen Notenbanken liegen, eine nachvollziehbare Erzählung für die Anwendung eines digitalen Euros zu entwickeln.