Immer mehr intelligente Lösungen machen Transaktionen und die Verwaltung von Immobilien effizienter, transparenter und komfortabler. Von automatisierten Bewertungen über smarte Vermarktung bis hin zu personalisierten Beratungsgesprächen – die Einsatzmöglichkeiten von KI sind vielfältig. Das treibt auch die Erwartungen in die Höhe.
Der EY-Trendbarometer zeigt, dass die österreichische Immobilienwirtschaft zunehmend auf KI setzt. Für 81 Prozent hat die Technologie das Potenzial, immobilienwirtschaftliche Prozesse signifikant zu automatisieren. 79 Prozent der befragten Unternehmen glauben, dass KI einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels leisten kann. Rund 35 Prozent der befragten Unternehmen geben an, den Einsatz der neuen Technologie bereits intensiv zu testen, ein Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
„Die Integration von KI wird daher als entscheidend für die Zukunft angesehen und trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre werden vermehrt KI-Initiativen gestartet“, berichtet Elisabeth Sardy-Rauter, Director im Bereich Real Estate bei EY Österreich.
Investitionen gehen zurück
Auch wenn die Immobilienbranche die Potenziale und Vorteile von KI-Technologien erkannt hat, investierte sie 2024 weniger in die Digitalisierung als im Jahr davor. Der Anteil der Unternehmen mit einem Investitionsvolumen zwischen 6 und 20 Prozent des Jahresumsatzes verzeichnet einen deutlichen Rückgang im Jahresvergleich von 37 auf 31 Prozent. Einzig die Anzahl der Unternehmen, die über 20 Prozent ihres Jahresumsatzes in Digitalisierung investieren, hat sich von 10 auf 13 Prozent leicht erhöht.
Die Relevanz von KI hängt allerdings stark von den spezifischen Anwendungsfällen ab. „In der Immobilienbranche bietet sie eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. So kann KI im Asset- und Portfoliomanagement durch umfangreiche Datenanalysen und die Prognose von Zukunftsszenarien unterstützen, indem sie wertvolle Erkenntnisse zur Optimierung der Investitionsstrategien liefert. Im Facility Management wird KI eingesetzt, um frühzeitig notwendige Wartungsmaßnahmen zu identifizieren und somit proaktiv tätig zu werden, was zu einer erheblichen Kosten- und Ressourcenersparnis führen kann“, schildert die EY-Expertin Sardy-Rauter.
Darüber hinaus sorge KI in der Gebäudeautomation für ein umfassendes Energiemanagement und die Optimierung der Gebäudefunktionen, was nicht nur die Nachhaltigkeit fördere, sondern auch die Betriebskosten senke. Aufgrund der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten könne KI für praktisch alle Immo-Unternehmen interessant sein.
Datenstrategie notwendig
Die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von KI-Anwendungen liegen sowohl im Umgang mit Daten als auch im organisatorischen Wandel. „Vielen Unternehmen fehlt die Kontrolle über ihre Daten. Wenn Unternehmen nicht genau wissen, welche Daten sie besitzen, wie sie darauf zugreifen können und welche Anwendungsmöglichkeiten diese bieten, entstehen erhebliche Schwierigkeiten“, erklärt Susanne Zach, Leiterin AI & Data bei EY Österreich.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sei eine gut durchdachte Datenstrategie unerlässlich, die als Fundament für sämtliche KI-Anwendungen dient. Um die Potenziale voll auszuschöpfen, sei zum Beispiel eine systematische Erfassung und Analyse der vorhandenen Datenbestände notwendig. Als ein weiterer kritischer Punkt wird die Transformation der Mitarbeitenden gesehen. Die Einführung von KI-Technologien und die damit einhergehende Veränderung von Prozessen und Arbeitsweisen können oft auf Widerstand stoßen.
„Es ist von zentraler Bedeutung, die Mitarbeitenden von Beginn an in diesen Prozess einzubeziehen und sicherzustellen, dass die gesamte Organisation diesen Wandel unterstützt. Ohne die Zustimmung und das Engagement aller Beteiligten wird das Vorhaben nicht erfolgreich sein“, warnt Zach.
Breites Einsatzspektrum
Mit dem Einsatz von KI beschäftigt sich auch Raiffeisen Immobilien schon seit längerer Zeit intensiv. „Aus heutiger Sicht sehen wir zahlreiche sinnvolle Einsatzmöglichkeiten sowohl im operativen Vermittlungsgeschäft als auch im Bereich der Immobilienbewertung“, erklärt Michael Mack, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland.
Das Spektrum reicht von der automatisierten Aufbereitung umfangreicher Unterlagen, über die KI-gestützte Erstellung von Exposés, bis hin zur 24/7-Kundenkommunikation via Chatbots. „Besonders in der Bewertung von Immobilien sehen wir großes Potenzial: Die KI kann riesige Datenmengen vergleichbarer Objekte in kürzester Zeit analysieren – und das deutlich schneller und präziser, als es manuell möglich wäre“, so Mack.
KI nutze man derzeit insbesondere bei der Datenrecherche und der Generierung von Texten. Darüber hinaus arbeite man in interdisziplinären Projektteams an verschiedenen Anwendungsszenarien, um den Einsatz auch auf unternehmensweiter Ebene weiter voranzutreiben. „Das Ziel ist eine praxisnahe, schrittweise Integration“, so Mack. Viele Anwendungen lassen sich flexibel adaptieren – etwa KI-gestützte Chatbots. „Diese sind zunächst für interne Prozesse konzipiert, etwa zur Unterstützung unserer Teams bei wiederkehrenden Anfragen oder bei der Recherche. Mit minimalem Zusatzaufwand können sie aber auch im Kundenservice eingesetzt werden. Für uns ist das eine echte Win-win-Situation“, ergänzt der Raiffeisen-Experte.
„Fingerspitzengefühl gfragt“
Die Erwartungen an die KI sind für Mack klar: „Sie soll uns helfen, große Datenmengen schneller zu analysieren, Prozesse effizienter zu gestalten und die Transparenz im Vermittlungsprozess zu erhöhen. Gleichzeitig wollen wir damit unsere Mitarbeitenden von administrative Aufgaben entlasten – sodass mehr Zeit für persönliche Beratung, Strategie und wertschöpfende Tätigkeiten bleibt.“ Herausforderungen bei der Implementierung solcher Anwendungen kommen unter anderem durch rechtliche Vorgaben. Die KI-Verordnung der EU (AI Act der EU) stellt neue Anforderungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Datenschutz. Parallel dazu gilt es, die KI auch sinnvoll in bestehende Arbeitsprozesse zu integrieren, ohne Mitarbeiter zu überfordern oder in ihren Routinen zu bremsen. „Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt“, weiß Mack.
Die Immobilienwirtschaft ist insgesamt gesehen datengetrieben und von komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen geprägt. Hier kann KI als intelligentes Assistenzsystem Prozesse beschleunigen und die Qualität erhöhen – insbesondere bei der Vermittlung und Bewertung von Immobilien. „Gleichzeitig sehen wir keinen Wegfall von Arbeitsplätzen, sondern vielmehr einen Wandel der Aufgaben“, betont der Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland.