In den letzten Jänner-Tagen hat Alois Genner immer wieder mal einen Blick nach Südkorea gewagt. Im fernen Gangwon wurden die Youth Olympic Winter Games ausgetragen, mit Emma Müller und Luis Heinisch waren auch zwei Athleten des K.C.C. (Kitzbühel Curling Club) dabei, die Österreichs Farben im Mixed Bewerb vertraten. Die zweite Teilnahme überhaupt seit 2012. „Das ist eine tolle Sache, darauf sind wir sehr stolz“, sagt Genner, der seit Sommer vergangenen Jahres Präsident des Vereins ist und in dieser Funktion Veronika Huber nachfolgte, die das Amt acht Jahre erfolgreich ausfüllte und mittlerweile zur Präsidentin des nationalen Curling-Verbandes aufgestiegen ist.
Doch die Ziele, die man sich beim Kitzbühel Curling Club setzt, sind damit noch lange nicht erfüllt. Ein Ehrgeiz, der nicht von ungefähr kommt, schließlich gilt der Klub als der mit Abstand erfolgreichste des Landes, der immer wieder für Ausrufezeichen sorgt. Mehr als 55 Goldmedaillen bei Staatsmeisterschaften, drei WM-Teilnahmen bei den Herren und zwei bei den Damen sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Erfolgs-Chronik.
Und in dieser Tonart kann es durchaus weitergehen. Denn im vergangenen Herbst hat es das K.C.C.-Team rund um Skip Mathias Genner, Sohn des Präsidenten, geschafft, sich für die A-Europameisterschaft der zehn besten Nationen zu qualifizieren. Zur Erklärung: Die (aus vier Spielern bestehende) Mannschaft, die den Staatsmeistertitel holt, stellt auch das Nationalteam und vertritt Österreich bei den großen internationalen Turnieren. Und das sind meistens die Athleten des K.C.C..
Olympia in Reichweite
„Auch wenn es ein harter Kampf wird – die Chance, dass unser Team bei der EM mindestens Achter wird und damit den Klassenerhalt schafft, steht nicht schlecht“, sagt Genner. Und traut seinen Burschen sogar noch mehr zu: „Mit dem Aufstieg sind wir auch beim Pre-Olympic-Qualification-Turnier dabei. Das bedeutet, dass die Chance lebt, dass Österreich 2026 in Mailand erstmals bei Olympia dabei sein kann.“ Ein Erfolg, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, wenn man bedenkt, dass der Sport in Deutschland, Schweden oder Italien einen deutlich höheren Stellenwert genießt und dort auch Profi-Athleten auf das Eis gehen. Hierzulande ist es dagegen undenkbar, von dem Sport seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Wie groß der Unterschied zu den genannten Nationen ist, verdeutlicht die Tatsache, dass es in ganz Österreich genau eine Halle gibt, in der Curling auf Top-Niveau gespielt und trainiert werden kann – und die steht seit 2006 in Kitzbühel. „Wir verfügen im Keller des Sportparks Kitzbühel über zwei Rinks (Anm.: bespielbare Eisflächen)“, sagt Genner. Und erklärt, warum man diesen Präzisionssport nicht auf jeder beliebigen Eisfläche ausüben kann. „Beim Eishockey oder beim Eiskunstlauf ist es nicht so entscheidend, ob der Niveauunterschied der Fläche vom einen zum anderen Ende fünf Zentimeter ausmacht. Bei uns wäre das eine Katastrophe, weil die Steine sofort irgendwohin abdriften würden. Außerdem muss das Eis speziell aufbereitet werden, damit man die Laufbahn der Steine richtig berechnen kann.“ Und das ist schließlich das Um und Auf bei diesem Präzisionssport, bei dem es viel auf Feingefühl ankommt.
Genners großer Wunsch wäre, wenn es in der Hauptstadt Wien ein Eissportzentrum für Eishockey, Eiskunstlauf und Curling gäbe, das eben auch Flächen für das Spiel mit Stein und Besen bietet. „Wir haben Spieler in unserem Verein, die in Wien arbeiten oder studieren. Die müssen dann mit ihren Kollegen nach Bratislava oder eben den weiten Weg zu uns fahren, um unter vernünftigen Bedingungen üben zu können. Das kann es ja nicht sein. Hier ist auch die Politik gefordert.“
Warum aber ist ausgerechnet in Kitzbühel das Zentrum, aus dem so viele erfolgreiche Athleten kommen und wo der Sport einen höheren Stellenwert als anderswo hat? Hier muss man in der Geschichte mehr als 100 Jahre zurückgehen, denn es war im Winter 1907/08, als schottische Kurgäste das in Großbritannien beliebte und etablierte Spiel mitbrachten und vom Ambiente und den Möglichkeiten im dortigen Grand Hotel begeistert waren. 1955 wurde dann der Kitzbühel Curling Club von Kurdirektor Baron Carl v. Menshengen gegründet – der Stein des Anstoßes für eine bis heute währende Erfolgsgeschichte, die kommendes Jahr in die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag mündet.
Curling ist Kopfsache
Die Faszination des Sports, der auch als „Schach auf dem Eis“ bezeichnet wird, erklärt Genner so: „Man muss körperlich topfit sein und taktisch immer einen guten Plan haben, zwei bis drei Spielzüge vorausdenken. Und man muss als Team funktionieren. Nur wenn man sich offen austauscht und auch mal unangenehme Dinge anspricht, kann man auf hohem Niveau funktionieren“, so der Hobby-Curler, der im zivilen Beruf in der Versicherungsbranche arbeitet und auch die Ausbildung zum Mentalcoach gemacht hat – keine schlechte Voraussetzung für den Sport, der öfter als andere im Kopf entschieden wird.
Besagte Fähigkeiten sind bei den Kitzbüheler Curlern jedenfalls vorhanden. Im Erwachsenenbereich, aber auch bei den Jugendlichen, auf die die Raiffeisenbank Kitzbühel – St. Johann als langjähriger Sponsor ein besonderes Auge wirft. „Mit einer Randsportart wie Curling kann man natürlich auch als Verein kein Geld verdienen, deswegen sind treue und verlässliche Partner wie Raiffeisen unglaublich wichtig“, sagt Genner.
Was auch bei den eingangs erwähnten Rookies Emma Müller und Luis Heinisch sichtbar ist. Die beiden verpassten bei den Youth Games in Korea zwar knapp das Viertelfinale, konnten mit Siegen über Kasachstan und Italien aber auf sich aufmerksam machen. Eine durchaus beachtliche Leistung, der in naher Zukunft weitere Erfolge folgen sollen.