2021 ist für Raiffeisen NÖ-Wien gut gelaufen. Sie übergeben ein solide aufgestelltes Haus. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien?
Klaus Buchleitner: 2021 ist ein sehr gutes Jahr gewesen, das die Richtigkeit unseres Weges gezeigt hat. Die Beteiligungen haben sich plangemäß entwickelt, die RLB hat im Bankgeschäft ein sehr gutes Ergebnis erreicht, und auch die jüngsten Initiativen, die wir gesetzt haben, haben erste Früchte gezeigt. Zudem hatte die RBI als unsere größte Beteiligung ein exzellentes Ergebnis, auch wenn durch das Impairment der RBI-Ergebnisbeitrag bei uns wieder egalisiert wurde. Zusammengefasst bin ich stolz auf unsere Entwicklung 2021. Es war ein sehr gutes Jahr.
Die Holding hält Beteiligungen in den vier Bereichen Agrar, Bank, Infrastruktur und Medien. Ist Ihnen eine der Beteiligungen oder ein Bereich besonders ans Herz gewachsen?
Buchleitner: Es wäre nicht professionell, wenn ich emotional einen Bereich bevorzugen würde. Das habe ich in meiner gesamten Laufbahn versucht zu vermeiden. Denn wenn man sich auf persönliche Präferenzen für Beteiligungen oder gewisse Geschäfte verlässt, dann ist die Gefahr groß, dass man nicht neutral und nicht sachorientiert entscheidet. Ich habe eigentlich derartige Vorlieben immer versucht, aus dem Berufsleben herauszuhalten – was vielleicht ein bisschen zu meinem trockenen Ruf beigetragen hat. Und in diesem Sinne habe ich auch jetzt keine Lieblings-Beteiligung. Aber ich könnte Ihnen sagen, welche Art von Beteiligung die Holding gerne hat: das sind solche mit guten Dividenden, entsprechender Wertsteigerung ohne Impairments oder einer guten Marktposition.
Die Wurzeln von Raiffeisen liegen im Agrarbereich, wo die Holding traditionell stark engagiert ist. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung dieser Beteiligungen?
Buchleitner: Es zeichnet die Holding NÖ-Wien innerhalb von Raiffeisen-Organisationen in Österreich, aber auch international ganz besonders aus, dass sie beide Wurzeln von Raiffeisen, nämlich das Agrarische und das Bankgeschäft, in sich vereint. Und es hat mir besondere Freude in den vergangenen Jahren gemacht, beide Wurzeln von Raiffeisen managen zu dürfen. Die Agrar-Beteiligungen erleben derzeit sehr volatile Zeiten. Schon im Vorjahr sind die Preise getrieben von der Inflation gestiegen. Solche Zeiten sind natürlich für große, vor allem verarbeitende Betriebe, wie sie im Portefeuille der Holding sind, auch Zeiten der Veränderung.
Vor allem die Beteiligung an einem Medienunternehmen wird oft kritisch beurteilt. Wie sehen Sie das?
Buchleitner: Die Medienbeteiligungen machen einen sehr kleinen Teil des Beteiligungsportfolios aus. Meine Wahrnehmung ist, dass die Führung dieser Medienunternehmen aus Sicht eines Beteiligungskonzerns keine Besonderheit darstellt.
Die NÖ Raiffeisenbanken haben im Vorjahr ein Rekordergebnis eingefahren. Worauf führen Sie das zurück?
Buchleitner: Sie haben eine exzellente Marktposition, entsprechendes Wachstum bei stabiler Kapitalquote und eine durchaus gute Kostenstruktur. Und wie ich immer sage – professionelle Manager, und das sind die Geschäftsleiter der niederösterreichischen Raiffeisenbanken. Auch haben wir in den letzten Jahren eine sehr offene und intensive, auf Synergien konzentrierte Zusammenarbeit zwischen RLB und Raiffeisenbanken in Niederösterreich gefunden. Das alles ist der Mix, den die niederösterreichischen Raiffeisenbanken 2021 einmal mehr für sich nutzen konnten.
Bei den Raiffeisenbanken hat es zuletzt einige Fusionen gegeben. Ist die Strukturanpassung abgeschlossen?
Buchleitner: Strukturprozesse sind niemals abgeschlossen. Ganz gleich, auf welcher Ebene man das betrachtet, es geht eher darum, in welcher Zeitspanne derartige Prozesse ablaufen. In Niederösterreich ist das ein sehr natürlicher Prozess, im wesentlich unverkrampft, der in den letzten Jahren auch immer wieder Synergien gebracht hat.
Sie waren zehn Jahre lang Generaldirektor von Holding und RLB NÖ-Wien. Was waren die Meilensteine und die größten Herausforderungen Ihrer Karriere?
Buchleitner: Generell war es eine großartige Zeit und ich bin stolz, dass ich in dieser Zeit bei Raiffeisen NÖ-Wien gestalten durfte. Vereinfacht dargestellt war wahrscheinlich ein erster Meilenstein sicherlich das Umstellen und Adaptieren der Organisation, um auch nach Basel III regulatorisch entsprechend aufgestellt zu sein. Insgesamt waren diese zehn Jahre sehr dicht und voller oft weitreichender Veränderungen und strategischer Weichenstellungen, ich denke da beispielsweise an die Fokussierung unseres Beteiligungsportfolios oder die Fusion von RZB und RBI. Auch die vielen regulatorischen Anforderungen haben uns in Atem gehalten. Zuletzt war es die Covid-Pandemie oder die Revitalisierung unseres Geschäfts in Wien rund um das Stadtbankkonzept. Vergessen darf man auch nicht auf unsere wichtige Strategie der Digitalisierung.
Die Entwicklung zeigt, angetrieben durch die Pandemie und die Digitalisierung, dass Bankgeschäfte meist keine Bank mehr brauchen. Wo geht die Reise für Banken hin?
Buchleitner: Dass man aufgrund der Digitalisierung gar keine Bank mehr braucht, halte ich für übertrieben. Das glaube ich nicht. Für Standard-Transaktionen mit Kunden, die eine Affinität zum Digitalen haben, wird das Bankgeschäft immer mehr digital sein. Aber was nicht verschwinden wird, ist, dass Menschen in zentralen Lebenssituationen die persönliche Beratung brauchen. Denn das wird Künstliche Intelligenz nicht leisten können. Insofern verändert die Digitalisierung das Bankgeschäft signifikant, aber sie schafft das Bankgeschäft nicht ab.
Die Gremien der RLB und RH NÖ-Wien haben Michael Höllerer zu Ihrem Nachfolger bestellt – Anfang März ist er von der RBI zu Raiffeisen NÖ-Wien gewechselt. Wie ist die Übergabe gelaufen?
Buchleitner: Problemlos – professionell, freundschaftlich und reibungslos.
Die Übergabe war ursprünglich für Ende Mai geplant. Warum wurde dieser Schritt jetzt schon gesetzt?
Buchleitner: Viele Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, reichen doch schon weit in die Zukunft – in die Zeit Michael Höllerers, der schon gut eingearbeitet ist. Deshalb habe ich mit Erwin Hameseder eine frühere Übergabe besprochen, in Folge haben die Gremien der Raiffeisen-Holding und RLB NÖ-Wien entschieden. Auch bei dieser Entscheidung ging es um das Richtige für das Unternehmen – Professionalität ist immer mein Ziel.
Sie sind ja eigentlich noch nicht im Pensionsalter. Was haben Sie jetzt vor?
Buchleitner: Es war schon länger meine Idee, mich nach zehn Jahren aus diesen Funktionen zurückzuziehen. Und so kann ich jetzt in dieser Lebensphase hoffentlich noch viel Produktives und Interessantes tun. Ich habe das schon seit Jahren überlegt.
Einige Generaldirektoren von Landesbanken beginnen nach ihrem Ausscheiden damit, Bücher zu schreiben. Welche Art von Buch würden Sie schreiben wollen?
Buchleitner: Ein Buch schreiben zu wollen ist nett, aber man muss es auch können. Das reine Wünschen und Wollen ist keine erfolgversprechende Strategie, das habe ich auch als CEO immer kommuniziert. Und ganz ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich kein Buch schreiben kann. Ich konzentriere mich lieber auf Themen, die mich begeistern und faszinieren. Daher habe ich mir diesen Gedanken abgewöhnt. Ich werde kein Buch schreiben, aber ich werde viele Bücher lesen.