Wer glaubt, dass früher alles besser war, wird womöglich durch die Geschichtsbücher eines Besseren belehrt. Das zeigt auch ein Rückblick ins Jahr 1975, dem Gründungsjahr des Kompetenzzentrums Sicheres Österreich (KSÖ): Im Oktober wird der türkische Botschafter von drei Attentätern ermordet. Im Dezember stürmt ein Terror-Kommando das OPEC-Gebäude an der Ringstraße. Auch global gesehen ist 1975 mit dem Bürgerkrieg im Libanon und dem Ende des Vietnamkriegs von Konflikten geprägt.
„Vor 50 Jahren gab es genauso wie auch heute Herausforderungen im Bereich der Sicherheit, aber die Art der Kriminalität hat sich verändert“, betonte Innenminister Gerhard Karner bei der Festveranstaltung zum 50. Jubiläum des KSÖ, das am 22. Oktober 1975 noch als Kuratorium gegründet wurde.
Sicherheit neu denken
KSÖ-Präsident Michael Höllerer, Generaldirektor der RLB NÖ-Wien, erinnerte in seiner Eröffnungsrede an die Umbenennung in Kompetenzzentrum im Jahr 2021, die den Vereinszweck noch mehr betonen sollte: „Eine Plattform, in der Behörden, Regulatoren, Unternehmen, Manager und Führungskräfte Erfahrungen austauschen, Kompetenz aufbauen und Know-how weitergeben.“ Angesichts der vernetzten Probleme der heutigen Zeit sehe man sich als Vernetzungsverein, der das Thema Sicherheit objektiv vorantreibe. Aktuell zählt das KSÖ mehr als 230 Mitglieder.
Höllerer betonte, dass man Sicherheit aufgrund geopolitischer und technologischer Veränderungen gesamtgesellschaftlich neu denken müsse: „Für mich ist die Funktion, die ich hier ausübe – pathetisch gesagt –, Teil der geistigen Landesverteidigung.“ Entscheidungsträger müssten daran arbeiten, dass es neben einem friedvollen und sicheren auch ein wehrhaftes Österreich gebe.
Kriminalität im Wandel
„Österreich war damals und ist auch heute eines der sichersten Länder der Welt“, betonte Karner. Dennoch habe sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Sorge vor Anschlägen habe es sowohl früher als auch heute gegeben, verwies der Minister auf die aufrechte Terrorwarnstufe 2 von 4, wobei heute die Gefahr eher von radikalisierten Einzeltätern als von Gruppen ausgehe.
Positiv sei, dass Einbrüche in den Wohnraum zurückgegangen seien – von rund 15.000 Delikten vor zehn Jahren auf nunmehr etwa 6.000. Auch seien Banküberfälle, von denen es vor 50 Jahren noch mehr als 200 im Jahr gegeben habe, heute fast kein Thema mehr. Allerdings: Beides gebe es nach wie vor: „Sie finden digital statt. Die neue Bedrohung betrifft unsere Computer und Netzwerke“, hielt Karner fest.
Die Polizei habe sich deshalb neu aufgestellt, eine sogenannte Cyber-Cobra sei analog zur regulären Sondereinheit in Umsetzung. „Wenn man so will, niemand soll sich benachteiligt fühlen“, scherzte Karner: „Neben den Männern und Frauen mit den großen Muskeln auf der einen Seite, die Nerds mit Brille und Stoppelbart auf der anderen Seite.“
Er verwies auch auf die veränderte Medienlandschaft. Während sich die Menschen früher über Tageszeitungen und Nachrichtensendungen informierten, erhalten sie heute Push-Nachrichten über jede noch so kleine Gewalttat direkt aufs Smartphone. „Das macht etwas mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl“, so Karner. Neben objektiven Maßnahmen müsse man auch auf der persönlichen Ebene ansetzen, etwa mit der Initiative „Coffee with Cops“, die auch in Kooperation mit Raiffeisenbanken stattfindet.

Wie Hacker KI nutzen
Einen Einblick in die digitale Unterwelt gewährte der Wirtschaftspsychologe und Kriminalanalyst Mark Thorben Hofmann. In seiner Keynote sprach er über die dunkle Seite der KI und „wie Hacker den Faktor Mensch angreifen“. Hofmann begibt sich regelmäßig ins Darknet und in einschlägige Foren, um mit Hackern gezielt in Kontakt zu treten: „Der Ansatz ist kontrovers, aber alternativlos. Wenn ich mit Hackern im Gefängnis sprechen würde, würde ich ziemlich präzise mit den 0,1 Prozent der Idioten sprechen.“
KI stelle eine große Chance dar, weil sie wiederkehrende Muster gut erkenne. Das betreffe nicht nur etwa die Steuererklärung oder Buchhaltung, sondern auch Ladendiebe oder Ertrinkende im Schwimmbad: „Statistisch betrachtet ist es nur ein abweichendes Verhaltensmuster.“ Dass Menschen künftig alle durch KI ersetzt werden, glaubt Hofmann nicht – aber: „Ein Mensch, der intelligent mit KI zusammenarbeitet, wird einen Menschen ersetzen, der das nicht tut.“
Dabei seien KI-Modelle nur so gut wie deren Daten – laut dem Experten ein Einfallstor für sogenanntes „Data Poisoning“: „Jetzt Wikipedia-Artikel umzuschreiben, um die Zukunft der Information zu beherrschen, passiert bereits.“ Die Schäden durch Cybercrime sind immens: Eine Prognose rechnet mit 10,5 Billionen Dollar allein für 2025. „Wäre Cybercrime ein Land mit BIP, wäre es die drittgrößte Volkswirtschaft nach den USA und China“, so Hofmann.
Die Hauptgefahr gehe von Ransomware aus, mit der Täter den Zugriff auf Daten sperren und dann ein Lösegeld fordern. Finanzielle Motive landen in einer aktuellen Umfrage Hofmanns unter 1.185 Hackern aber nur auf Platz 5, während die Herausforderung das meistgenannte Motiv war. Durch KI wachse der potenzielle Täterkreis jedenfalls erheblich: „Man braucht in Zukunft nur mehr einen Laptop mit ChatGPT und ein Motiv“, so Hofmann. So könne man im Darknet GPT Jailbreak Prompts kaufen, um KI für illegale Zwecke zu manipulieren. Zudem gebe es mit Worm GPTs eigens von Hackern entwickelte KI-Modelle. Dass diese auch autonom zum Täter werden, sei nur eine Frage der Zeit.
Hofmann appellierte, immer wieder auf die Gefahren hinzuweisen – 90 Prozent der Cyberangriffe gingen auf menschliche Fehler zurück. Dabei sei Humor ein guter Hebel: „Wir müssen auch Menschen überzeugen, die sich nicht für das Thema interessieren.“
Ähnlich sieht es Karner, der „ein Bollwerk für die Sicherheit in diesem Land“ forderte. Die Vernetzung der Behörden mit der Wirtschaft über das KSÖ sei genau ein solches: „Diese Zusammenarbeit, die brauchen wir unbedingt.“ KSÖ-Generalsekretär Alexander Janda kündigte dazu mit dem Cyber Campus Austria ein neues Projekt an, das künftig als zentrale Einrichtung für Cybersicherheit in Planung sei.