Eine Region lebt auf

Gemeinsam mit Tartu in Estland und Bodø in Norwegen wird Bad Ischl-Salzkammergut im Jahr 2024 Europas Kulturhauptstadt. Die ersten 95 Projekte des umfangreichen Programms stehen nun fest.

Klaus Ahammer, Geschäftsleiter der RB Salzkammergut, Künstlerische Geschäftsführerin von Salzkammergut 2024 Elisabeth Schweeger, Manuela Reichert, Kaufmännische Geschäftsführerin, und Generaldirektor der RLB OÖ Heinrich Schaller
Klaus Ahammer, Geschäftsleiter der RB Salzkammergut, Künstlerische Geschäftsführerin von Salzkammergut 2024 Elisabeth Schweeger, Manuela Reichert, Kaufmännische Geschäftsführerin, und Generaldirektor der RLB OÖ Heinrich Schaller (c) Salzkammergut 2024/Pia Fronia

Das Projekt Kulturhauptstadt wurde vor 38 Jahren gegründet. Ziel war es, Städte interessanter zu machen, sie durch Kunst und Kultur zu erweitern und das Leben internationaler zu gestalten. Mit dem Salzkammergut wird dieser Titel nun zum ersten Mal einer alpinen Region zugesprochen. Während bisher, mit der Ausnahme des Ruhrgebiets, ausschließlich Städte zur Kulturhauptstadt ernannt wurden, haben sich für das aktuelle Projekt der Kulturhauptstadt 2024 ganze 23 Gemeinden zusammengeschlossen. „Wenn diese Gemeinden es schaffen, das Potenzial und die Entwicklungsmöglichkeiten einer ländlichen Region aufzuzeigen, dann sind wir ein Vorzeigemodell für den europäischen Raum“, sagt die künstlerische Geschäftsführerin von Salzkammergut 2024, Elisabeth Schweeger. 

Unterstützt wird das Projekt von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Generaldirektor Heinrich Schaller sieht diese Zusammenarbeit als Selbstverständlichkeit an. Denn schon Raiffeisen-Gründervater Friedrich Wilhelm Raiffeisen verfolgte den Grundsatz „Was der Einzelne nicht schafft, das vermögen viele“, was sich auch an der aus 23 Gemeinden bestehenden Kulturhauptstadt unschwer erkennen lässt. Zudem ist Raiffeisen in fast allen dieser Gemeinden vertreten und hat an jedem Standort die Förderung der Region als Priorität verankert. Außerdem sei man sich dessen bewusst, dass Kunst und Kultur wesentliche Treiber zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und des Wirtschaftslebens sind. „Innovation, Kreativität und Offenheit sind einige der Punkte, die man erwähnen muss, wenn es darum geht, eine Gesellschaft, das Wirtschaftsleben und einzelne Wirtschaftstreibende weiterzubringen“, betont Schaller.

Kulturhauptstadt zeigt große Projektvielfalt

„95 Projekte sind unter Dach und Fach und davon sind 85 Prozent in der Trägerschaft von regionalen Künstlern, Vereinen, Institutionen und Betrieben. Wir arbeiten mit der Region, durch die Region und für die Region“, so Schweeger. Die restlichen Projekte sollen bis Ende des Jahres vereinbart werden, um bereits im nächsten Jahr vereinzelt mit ihren Vorhaben starten zu können. 

Insgesamt werden die einzelnen Projekte der Kulturhauptstadt in vier Programmlinien unterteilt: „Macht und Tradition“, „Kultur im Fluss“, „Sharing Salzkammergut – Die Kunst des Reisens“ und „Globalokal – Building The New“. Die Programmlinie „Macht und Tradition“ soll ihrerseits nicht dazu beitragen, Traditionen zu verewigen, sondern vielmehr deren Wechselwirkung mit der Macht erkennbar machen. Denn oft sind kulturelle Entwicklungen stark durch Machtverhältnisse bedingt und „das Salzkammergut ist reich an solchen Machtverhältnissen und Verschiebungen – vom Salzabbau angefangen, der die Region reich gemacht hat, über die Bewegungen von Migration bis zum Aufkommen der Sommerfrische im 19. Jahrhundert, die die Region extrem belebt und kulturell aufgeladen hat“, so Schweeger.  Um die Zukunft verantwortungsvoll gestalten zu können, ist es wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und eine offene und aktive Erinnerungskultur zu schaffen. „Die Welt hat sich weitergedreht und so auch das Salzkammergut. Die Traditionen sind weitergegangen. Man muss immer versuchen zu erkennen, wie diese Geschichten zu verstehen sind – das brauchen wir, um die Zukunft zu bauen“, ist sich die künstlerische Geschäftsführerin sicher.

Teil dieser Programmlinie ist unter anderem das Projekt „Reise der Bilder“, welches in Partnerschaft mit dem Lentos Kunstmuseum Linz entstehen wird und sich auf Kunst und Kulturgüter fokussiert, die während der NS-Zeit in der Region versteckt wurden. Weitere Standorte sind in Bad Aussee sowie in Lauffen, wo der systematische Kunstraub zum zentralen Thema gemacht wird. „Bei Raubkunst geht es vor allem darum, wie der Sieger mit dem Besiegten umgeht und was unter kultureller Aneignung zu verstehen ist. Das sind Themen, die generalisiert sind und uns heute leider noch genauso betreffen wie vor 50 Jahren“, so Schweeger. 

Platz für Weiterentwicklung

Kunst und kulturelle Identität stehen niemals still und das dürfen sie auch in Zukunft nicht. Das soll mit der Programmlinie „Kultur im Fluss“ gezeigt werden.  Denn um eine Region und ihre Gesellschaft zukunftsfähig zu machen, ist es essenziell Platz zu machen für Neuerungen und die Notwendigkeit der Vielfalt anzuerkennen. Um die Zukunft neu gestalten zu können, ist es ebenso wichtig, der Jugend eine Stimme zu geben. Mit „Next Generation You“ werden Jugendliche dazu angeregt, über ihre Zukunft nachzudenken. Denn im Rahmen des Projekts sollen sie selbst ein Programm für das Kulturhauptstadtjahr erstellen – ohne thematische Einschränkungen und mit einem eigenen Budget können sich die Teilnehmer hier entfalten. Weitere Highlights dieser Programmlinie sind zudem die Projekte „Salzkammerqueer“ mit dem Ziel des queeren Community-Buildings im ländlichen Raum, sowie „Wohlstand Afterparty“ – ein internationales Vernetzungsprojekt der Kulturhauptstädte Europas Novi Sad 2022, Veszprém-Balaton 2023, Timișoara 2023, Bad Ischl-Salzkammergut 2024 und Trenčín 2026. 

Zukunft neu gestalten

Die dritte Programmlinie „Sharing Salzkammergut – Die Kunst des Reisens“ nimmt sich den Tourismus zum Thema und stellt sich dabei die Frage: „Wie reisen wir in Zukunft?“ Somit soll sich das Salzkammergut als beliebtes Reiseziel auch außerhalb der Hochsaisonen im Sommer und Winter attraktiv gestalten. Ideen, um diesen angestrebten Aufschwung zu erreichen, sollen mit dem Projekt Wirtshauslabor erarbeitet werden. Und auch hier wird die Zukunft in die Hände der Jugend gelegt. „Wir wollen mit der Jugend gemeinsam eine Plattform schaffen. In der Theorie kreieren sie ein Wirtshaus nach ihren Vorstellungen, das während des Kulturhauptstadtjahres in die Praxis losgetreten wird“, erklärt Laborleiter und Gastronom Christoph Held. Zudem wird die Region belebt durch die „Fête de la Musique“, die Musiker aller Art dazu animieren soll, ihre Musik auf die Straße zu tragen. Bereits am 23. Juni 2023 soll dafür ein Probelauf gestartet werden. Ebenso möchte man beim Tourismus neue Blickwinkel eröffnen und versucht so durch das Projekt „Regional_Express“ die Region virtuell erfahrbar zu machen. Dabei handelt es sich um eine akustisch-visuell immersive Erzählung auf der Bahnstrecke von Attnang-Puchheim nach Tauplitz, die sich mit dem Kultur- und Naturerbe der Region befasst.

Weiters wird sich im Rahmen der Programmlinie „Globalokal – Building The New“ mit zukünftiger Baukultur sowie mit der Frage „Wie denken wir die Welt von morgen?“ beschäftigt. Es soll unter anderem durch den Ausbau der Mobilität und der Digitalität eine Möglichkeit geschaffen werden, auf dem Land zu leben und trotzdem global vernetzt zu sein, um somit der Abwanderung vor allem junger Menschen entgegenzuwirken. Teil dieses Vorhabens sind unter anderem die Projekte „Acta Liquida“ – eine Ausstellung und Installation zu den Themen Traunsee, Fischerei und Klimawandel – sowie „Simple Smart Buildings“, welches einen Blick darauf wirft, wie man in der Vergangenheit resistente Häuser gebaut hat und was man daraus für die Zukunft mitnehmen kann.

Darüber hinaus gibt es einige Projekte, die sich über die Struktur der Programmlinien hinwegsetzen. Eines davon stellt die Kunstausstellung „Salt.Lake.City“ dar, welche sich mit den lebenswichtigen Elementen Salz, Wasser und Holz auseinandersetzt, die bis heute bestimmende Faktoren der gesamten Region sind.