Obwohl die weiße Lilie als Attribut von Heiligen bekannt ist, durfte sie in der Malerei lange Zeit nicht so gemalt werden, wie Gott sie schuf – und zwar auf Anordnung des Papstes persönlich. Auch die Rose – heute ein Symbol der Liebe – war einst auf christlichen Bildern verpönt. Warum das so war, erfährt man in der Landesgalerie Krems. Genauso wie den Umstand, dass eigentlich die Banane schuld ist an der Reblaus-Epidemie des 19. Jahrhunderts. Die Ausstellung „Flower Power“ spannt mit über 400 Exponaten einen Bogen über die Kulturgeschichte der Pflanzen und arbeitet 18 ausgewählte Vertreter aus ganzheitlicher Sicht auf. Dabei gesellen sich bekannte Gemälde zu kulturhistorischen Objekten, naturwissenschaftliche Präparate zu Sakralkunst oder zeitgenössische Installationen zu kulturhistorischen Objekten.
Wertvolle Blumen
Blumen haben ein Potenzial, das weit über die Funktion als „schöner Raumschmuck“ hinausgeht – sie begleiten uns von der Wiege bis zum Grab. Bei vielen Festen spielen sie eine Rolle, ob bei der Verlobung, Hochzeit oder als letzter Gruß zur Beerdigung. Manche Blumen haben sogar Revolutionen ausgelöst. Eine Zusammenstellung genau dieser Exemplare begrüßt die Besucher der Ausstellung beim Eintreten. Anna Jermolaewa zeigt hier die Fotoarbeit „Die Vorletzte“, mit der sie auf der Biennale 2024 im Österreich-Pavillon vertreten war. Zu sehen sind dabei Blumen, die eine (mehr oder weniger friedliche) Revolution ausgelöst haben – von der Tulpe und Rose über die Nelke bis zu Safran und Jasmin.
Gleich im Anschluss erfährt man mehr über die Tulpe, die heute in jedem Supermarkt angeboten wird und ein Massenprodukt geworden ist. Das war allerdings nicht immer so. Einst vom Botschafter des Wiener Hofes in Istanbul entdeckt und Mitte des 16. Jahrhunderts nach Wien gebracht, fand die Tulpe ihren Weg in die Niederlande, wo sie zur begehrtesten Blume überhaupt wurde. Ihr Wert – und zwar jener der Zwiebel – stieg ins Unermessliche. Die höchsten Preise erzielte die rot-weiß geflammte Sorte „Semper augustus“, die 1636 den Wert eines ganzen Grachtenhauses erreichte. Die Tulpenmanie fand schließlich ein jähes Ende und endete in der ersten schriftlich dokumentierten Finanzkrise.
Auf päpstliche Anordnung
Viele Arten der Lilie kamen von Kleinasien zu uns. Die edle Blume galt als Statussymbol – sie stand für Unbeflecktheit und wurde in der weißen Variante gerne als Attribut der Madonna und anderer Heiliger verwendet – bis Carl von Linné 1735 sein Werk „Systema Naturae“ veröffentlichte, das bis heute gültige biologische Klassifikationssystem. „Die Natur ist geordnet worden“, beschreibt Kurator Martin Pfosser diesen Meilenstein der Naturwissenschaft.
Linné gab den damals bekannten Pflanzen, etwa 17.000 an der Zahl, lateinische Namen und teilte sie entsprechend ihrer Fortpflanzungsorgane ein. Nachvollziehbar wird das anhand der überdimensionalen, detailgetreu gearbeiteten Blüten aus Holz oder Pappmaché, die aus dem botanischen Institut der Universität Wien stammen. Linné verwendete in seinen Schriften eine sehr bildliche Sprache. Die Blüte war das „Ehebett“, die männlichen Fortpflanzungsorgane nannte er Männer, die weiblichen Frauen. Dass in der eleganten Lilie also „sechs Männer mit einer Frau im Ehebett“ zusammenkommen, war für die katholische Kirche allerdings nicht akzeptabel, weshalb Linnés Werk auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt wurde und die Lilie in der Malerei lange ohne Fortpflanzungsorgane dargestellt werden musste.
Auch die Rose mit ihrem betörenden Duft ist für ihre erotische Ausstrahlung bekannt. Nicht zuletzt deshalb wurde sie gerne auf Heiligenbildern durch die Pfingstrose ersetzt, die auch keine gefährlichen Dornen besitzt.
Gut oder böse?
Eine Frucht, die von Anbeginn der Menschheit für Kontroversen gesorgt hat, ist der Apfel – in der Ausstellung durch den Kupferstich „Adam und Eva“ von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1504 dargestellt. „Das Bild stellt erstmals die Proportionen des Menschen nach antikem Vorbild dar und fand durch die Reproduzierbarkeit große Verbreitung“, erklärt Pfosser. Der Apfel als Grund für die Vertreibung aus dem Paradies – worauf auch sein lateinischer Name „malus“, schlecht, hinweist.
In der Hand des Jesuskindes ist der Apfel aber ein Symbol für Erlösung, als Reichsapfel steht er sogar für Allmächtigkeit. Auch Amerika ist eng mit der Frucht verbunden. Bevor die ersten Siedler sesshaft wurden, war der Apfel dort noch unbekannt. Sie dokumentierten ihren neu errungenen Besitz mit der Pflanzung von Apfelbäumen und sorgten so für seine Verbreitung. Und nicht umsonst wird New York auch „big apple“ – zu sehen als Skyline aus Holz von Brigitte Corell – genannt.
Blinder Passagier
Auch Wein und die zugehörigen Trauben sind Bestandteil der Ausstellung, genauso wie die Banane. Zwischen diesen beiden beliebten Früchten besteht ein überraschender Zusammenhang. Es war nämlich die Banane, die indirekt schuld war an der Reblaus, die Ende des 19. Jahrhundert riesige Schäden im heimischen Weinbau angerichtet hat. Mitte des Jahrhunderts wurden in Mittelamerika Bananen bereits in großem Stil angebaut. Um diese auch nach Europa zu verschiffen, investierte die United Fruit Company (heute Chiquita) in die Dampfschifffahrt, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts die damals größte Handelsflotte besaß, mit der die Banane innerhalb weniger Tage nach Europa gelangen konnte. „Als blinder Passagier kam so auch die Reblaus zu uns“, berichtet Pfosser.
Es gibt noch viele Kuriositäten rund um unsere Kulturpflanzen – auch Paradeiser, Kartoffel oder Kaffee könnten so manch spannende Geschichte erzählen. Wer mehr darüber wissen möchte, erfährt es in der Landesgalerie Krems.