Lisa Alzner: „Ich bin der Chef-Typ!“

Seit Anfang des Jahres ist Lisa Alzner Trainerin von Serienmeister SKN St. Pölten – mit gerade einmal 26 Jahren. Im Interview spricht sie über ihren Führungsstil, klare Trennlinien, Druck und warum Kompetenz bei ihr immer vor Geschlecht geht.

Was für eine steile Karriere. Mit 18 Jahren musste Lisa Alzner ihre aktive Laufbahn als Fußballerin beenden, weil ihre Knorpel im Knie nicht mehr mitmachten. Sie stieg danach ins Trainergeschäft ein, schaffte mit dem LASK den Aufstieg in der 3. Liga, wurde Co-Trainerin von Liése Brancão bei Branchenprimus SKN St. Pölten. Und übernahm zu Jahresbeginn nach dem überraschenden Rücktritt der Brasilianerin als jüngste Chefin der Liga, die nun das Double verteidigen soll.

Sie sind mit zwei Siegen (5:0 gegen Sturm im Cup, 4:0 in der Liga gegen den LASK) in Ihre Amtszeit gestartet. Wie wichtig waren diese Erfolgserlebnisse, um gleich mal ein Ausrufezeichen zu setzen?
Lisa Alzner: Unglaublich wichtig! Wir kamen aus der kurzen Winterpause, wussten nicht, wo wir stehen, hatten einen Trainerwechsel. Alle haben durch diese Siege gemerkt: Was wir in der Vorbereitung gemacht haben, fruchtet, der Erfolg ist gleich da. So etwas beflügelt von Anfang an.

Wenn man bei einem erfolgreichen Klub wie dem SKN übernimmt – wie schwer ist es, die Balance zu finden zwischen der Bewahrung des Guten und dem Einbringen der eigenen Handschrift?
Alzner: Das ist mir relativ leichtgefallen. Ich kenne den Verein und das Team seit zweieinhalb Jahren als Co-Trainerin und profitiere von diesem Blickwinkel. Wir sind Tabellenführer, es besteht keine Notwendigkeit, alles über den Haufen zu werfen. Das würde auch nicht zu mir passen. Liése (Anm.: Brancão) und ich haben auch eine ähnliche Idee vom Fußball. Und trotzdem war es eine Challenge, die großen Hebel zu erwischen, um die eigenen Ansätze durchzubringen.

Was war der größte Hebel?
Alzner: Wir sind aus einer Situation heraus gestartet, in der viele Spielerinnen mit Verletzungen zu kämpfen hatten, manche waren im Herbst überspielt, gefühlt war die Luft ein bisschen draußen. Das Trainerteam und ich konnten dann die Vorbereitung nutzen, eine positive Stimmung zu implementieren, die Vorfreude zurückzubringen. Und natürlich die Mannschaft körperlich in die Spur zu bringen.

Wenn man zweieinhalb Jahre als Co-Trainerin agiert, ist man auch Kummerkasten für die Spielerinnen. Wie schwer fiel der Wechsel auf die Chef-Rolle?
Alzner: Ich hatte mir das schwieriger vorgestellt. Es ist eine Umstellung für einen selbst, für die Mannschaft, aber auch für das bestehende Trainerteam. Wenn aber alle offen sind und den Glauben daran haben, dass es funktioniert, ist es schaffbar.

Lisa Alzner gibt Anweisungen vom Spielfeldrand
© SKN St. Pölten

Von total autoritär bis kumpelhaft – wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Alzner: Eine gute Mischung aus beidem. Ich lege sehr viel Wert darauf, Fachliches von Menschlichem zu trennen. Ich habe durch meine Tätigkeit als Co-Trainerin einen menschlich sehr engen Kontakt zu den Spielerinnen. Aber wenn es um fachliche Entscheidungen geht, bin ich klar und direkt. Ich trenne das ganz scharf! Ich kann einer Spielerin draußen am Feld sagen, dass es diesmal nicht für den Kader reicht und dann beim Mittagessen ein ganz normales Gespräch mit ihr führen. Ich hoffe, dass es den Spielerinnen genauso geht.

Für die Öffentlichkeit kam der Abgang von Liése Brancão total überraschend – für Sie auch?
Alzner: Vielleicht nicht ganz so überraschend wie für die Öffentlichkeit … Ich hätte allerdings bis zu Ihrer Entscheidung nicht damit gerechnet, dass sie im Winter wirklich geht.

Sie waren zunächst in den Prozess eingebunden, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden, ehe der Verein darauf kam, dass Sie die beste Option sind. Wie ging das vonstatten?
Alzner: So wie Sie es beschrieben haben. Ich wusste aber von Anfang an, dass auch ich eine Kandidatin bin. Wir haben dann einige gute Gespräche mit externen Trainern geführt, das war ein total transparenter Prozess. Aus Klubsicht war aber niemand dabei, der oder die im Vergleich zu mir mehr mitgebracht hätte. In diesem Prozess kam der Verein auf mich zu und meinte: Jetzt setzen wir uns mal richtig zusammen, es läuft darauf hinaus, dass du es wirst.

War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie auch zur Verfügung stehen? Oder war es ein längerer Prozess des Abwägens?
Alzner: Ich habe es sehr gut abgewogen. Durch diesen etwas längeren und transparenten Suchprozess hatte ich Zeit, mich mit der Überlegung zu beschäftigen, mich mit Leuten, die mir nahestehen, darüber auszutauschen. Als dann die finale Frage kam, musste ich nicht mehr lange nachdenken.

Was waren die großen Pros und Contras?
Alzner: Mir war immer klar, dass ich langfristig Richtung Chef-Trainerin gehen möchte, egal ob beim SKN oder einem anderen Verein. Jeder in diesem Metier weiß von sich, ob er oder sie eher der Assistent in der zweiten Reihe oder eher der Chef ist – ich bin mehr der Chef-Typ. Ich dachte allerdings, dass ich mehr Zeit hätte, in diese Rolle hineinzuwachsen. Und die Frage war auch, ob es in meine sonstige Lebensplanung abseits des Fußballs passt. Am Ende überwog ganz klar das Vertrauen des Vereins und die Chance, diese tolle Aufgabe zu übernehmen.

Sie haben betont, dass das Alter für Sie keine Rolle spielt. Glauben Sie, dass das auch für die Mannschaft gilt?
Alzner: Ich sehe das so: Ich kann mein eigenes Alter ja nicht beeinflussen, es ist eine Tatsache, also warum sollte es eine Rolle spielen? Genauso könnte man mich fragen, ob es eine Rolle spielt, dass ich eine Frau bin. Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft sehr offen dem gegenüber ist. Für die Spielerinnen geht es ausschließlich um die Qualität des Trainers. 

Der Kader des SKN ist relativ jung, es gibt aber auch ein paar sehr routinierte Spielerinnen, die zehn oder mehr Jahre älter sind als Sie. Hören Sie sich deren Meinungen an, um sie ins Boot zu holen oder entscheiden Sie lieber allein?
Alzner: Natürlich höre ich auf die Ansichten der Spielerinnen, aber nicht nur auf die der älteren. Mir sind diese Meinungen extrem wichtig. Das würde ich aber auch machen, wenn ich zehn Jahre älter wäre als alle anderen. Das ist für mich eine Frage des Führungsstils.

Lisa Alzner freut sich
© SKN St. Pölten

Wenn man die Cheftrainerinnen-Karriere bei einem erfolgsverwöhnten Klub wie dem SKN startet – ist das nicht auch eine undankbare Aufgabe? Selbst wenn Sie am Ende das Double holen, werden manche sagen: Klar, die gewinnen ja eh immer …
Alzner: Mit diesem Druck muss man leben können, den habe ich schon als Assistentin mitbekommen. Das ist Teil des Jobs. Wir im Klub wissen ganz genau, dass kein Titel geschenkt ist und dass es zu jeder Meisterschaft ein steiniger Weg ist, auf dem man extrem viel abliefern muss. 

National ist St. Pölten das Maß aller Dinge, in der Champions League war der Verein zwar zuletzt immer in der Gruppenphase dabei, wartet aber noch auf den ganz großen Wurf. Gilt dem ein besonderes Augenmerk?
Alzner: Man muss eines ganz klar sagen: Es ist ein riesiger Erfolg, dass wir jetzt dreimal nacheinander bei den Top 16 Europas dabei waren. Das haben ja sonst nur sechs weitere Teams geschafft – etwa Titelverteidiger Barcelona oder Bayern München. Da darf man uns nicht kleiner machen als wir sind. Trotzdem ziehen wir aus jeder Saison in der Champions League unsere Lehren und analysieren genau, woran es noch fehlt, nochmal ein Spiel mehr zu gewinnen, mehr Punkte zu holen oder eine Runde weiterzukommen. Natürlich versuchen wir, die Mannschaft auch dahingehend weiterzuentwickeln, ganz klar.

Beim SKN standen zuletzt öfter Frauen als Männer an der Seitenlinie. Beim ÖFB hat mit Alexander Schriebl ein Mann die Frauen-Nationalmannschaft von Irene Fuhrmann übernommen. Finden Sie das schade?
Alzner: Da habe ich eine ganz klare Meinung: Ich wünsche mir gute Trainer für den Frauen-Fußball, ganz egal, ob es Männer oder Frauen sind. Qualität und Persönlichkeit müssen stimmen, das ist das Allerwichtigste. Das Geschlecht ist für mich komplett zweitrangig.

AusgabeRZ10-2025

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