Einen für Raiffeisen ungewöhnlichen Schritt setzen die beiden Landesbanken Niederösterreich-Wien und Burgenland: Sie kooperieren in zehn ausgewählten Bereichen, bleiben aber eigenständige Bankengruppen. „Es geht uns nicht um eine Fusion. Wir wollen einfach bundeslandübergreifend ehrlich zusammenarbeiten“, stellten die beiden Generaldirektoren der Landesbanken, Rudolf Könighofer für das Burgenland und Michael Höllerer für NÖ-Wien, bei der Abschlussveranstaltung für alle am Projekt beteiligten Mitarbeitenden klar.
Als kleinste Landesbank sei die stetig zunehmende Regulatorik nicht mehr mit vernünftigem Aufwand bewältigbar geworden und der Kostendruck habe immer mehr zugenommen, erläutert Könighofer die strategischen Beweggründe der RLB Burgenland zu dieser Zusammenarbeit. Zudem sei es sehr schwierig geworden, die entsprechenden Mitarbeitenden für diese regulatorischen Aufgaben zu bekommen.
Zukunftsmodell
Höllerer sieht in dieser Kooperation sogar ein „Zukunftsmodell“ für andere Bundesländer im Raiffeisensektor: „Eine solche Kooperation hat es bei Raiffeisen bisher noch nicht gegeben. Unser Modell könnte auch für andere Beispiel sein“, ist er überzeugt. Man habe die einzelnen Bereiche gescreent und unvoreingenommen aufgrund von Fakten und Zahlen entschieden, wo eine Zusammenarbeit Sinn machen würde. Diese Form der Zusammenarbeit zeige jedenfalls, was möglich ist, wenn beide Partner das wollen.
Konkret haben die Projektteams zehn Aufgabengebiete definiert, die künftig gemeinsam abgewickelt werden. Es sind dies die Bereiche Geldwäsche, Compliance, Outsourcing, Datenschutz, IT-Management, IT-Risikomanagement, Meldewesen, Data-Governance, Produkte & Prozesse sowie Nachhaltigkeitsmanagement.
Vorzeigeprojekt
Vor gut einem Jahr haben die ersten Gespräche für dieses Projekt stattgefunden. Von Beginn an seien alle Organmitglieder eingebunden gewesen und hätten die Kooperation mitgetragen, unterstreichen die beiden Aufsichtsrats-Präsidenten, Erwin Hameseder für NÖ-Wien und Erwin Tinhof für das Burgenland. „Das Projekt hat eine klare Struktur und eine genaue Zieldefinition: Nicht eine Fusion wurde in den Mittelpunkt gestellt, sondern eine Kooperation“, so Hameseder. Nach einer wertfreien Analyse sei es gelungen, dieses „Vorzeigeprojekt für die Raiffeisen Bankengruppe Österreich“ aufzusetzen. Bei all der Unsicherheit, etwas Neues zu beginnen, habe man bei diesem bundesländerübergreifenden Projekt bewiesen, dass hier ein Nukleus geschaffen wurde, aus dem etwas wachsen kann, ergänzt Tinhof.
Selbstständigkeit leben
Gelungen sei dabei ein breites Spektrum der Kooperation, wie Könighofer erläutert. Die einzelnen Projektteams hätten Großartiges geleistet, nun gelte es, diese positive Energie mitzunehmen in die Umsetzung. „Denn Selbstständigkeit bei Raiffeisen heißt nicht, alles selbst machen zu müssen“, so der Generaldirektor, „sondern die wichtigen Dinge selbst zu machen – und das ist die Kundenbetreuung und das Geschäft am Kunden.“ Und auf der anderen Seite müsse man alles tun, das dazu diene, die Kosten in Schach zu halten. Denn nur so könne die vergleichsweise teure Raiffeisen-Organisationsform erhalten werden, unterstreicht Könighofer.
Höllerer zeigt sich zufrieden, dass es gelungen ist, ein „partnerschaftliches Miteinander auf Augenhöhe“ in der nun abgeschlossenen Projektphase zu leben. „Das soll auch so bleiben“, gibt er den Weg für die beginnende Umsetzung vor und betont: „Eine Fusion ist kein Thema, weil wir so zusammenarbeiten, als wären wir eine Einheit.“ Man werde alles daransetzen, noch stärker zusammenzuwachsen, auch bei Marktthemen.
Als nächsten Schritt sei geplant, die Governance, also die Entscheidungs- und Kontrollstrukturen, gemeinsam aufzustellen.