Trotz des anhaltend schwachen wirtschaftlichen Umfeldes entwickelt sich der österreichische Bankensektor robust, baut weiter Kapital auf und muss auf anhaltende Risiken vor allem bei Gewerbeimmobilien achten, das zeigt der 50. Finanzmarktstabilitätsbericht der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).
OeNB-Gouverneur Martin Kocher sieht nach einer zweijährigen Rezessionsphase nun eine verhaltene Stabilisierung der Wirtschaft. 2026 sollte das BIP-Wachstum 0,8 Prozent nach 0,3 Prozent im heurigen Jahr erreichen. Eine Beruhigung wird auch bei der Inflation erwartet – von 3,5 Prozent 2025 auf 2,4 Prozent im kommenden Jahr. Die Erholung wird laut Nationalbank vom öffentlichen Konsum getragen, während wichtige Branchen wie die Industrie, der Bausektor und konsumnahe Dienstleistungen sich weiterhin schwach entwickeln. Und auch die hohe Sparquote signalisiere die anhaltende Unsicherheit. Am Arbeitsmarkt könnte sich dem Gouverneur zufolge 2026 eine Wende abzeichnen und die Arbeitslosigkeit wieder sinken.
„Rechnen mit weiterhin guter Gewinnlage“
Im wirtschaftlich angespannten Umfeld erzielten die österreichischen Kreditinstitute im ersten Halbjahr 2025 einen kumulierten Nettogewinn von 5 Mrd. Euro – „das drittbeste Halbjahresergebnis der Geschichte“, berichtete OeNB-Direktor Thomas Steiner. Den deutlichen Rückgang von 28 Prozent im Jahresvergleich führt Steiner vor allem auf das Ergebnis der Raiffeisen Bank International (RBI) in Russland zurück: Wäre der Rasperia-Fall nicht vorhanden, würde der Rückgang im ersten Halbjahr lediglich 10 Prozent betragen. „Wir sind gespannt, was das zweite Halbjahr bringen wird. Wir rechnen damit, dass die Gewinnlage weiterhin gut sein wird“, so Steiner.
Rund zwei Drittel des hohen Gewinns von 11,5 Mrd. Euro 2024 haben die heimischen Banken einbehalten und für den Kapitalaufbau verwendet. Mit einer harten Kernkapitalquote von 18,6 Prozent per Jahresmitte 2025 seien die heimischen Banken deutlich besser kapitalisiert als ihre europäische Konkurrenz (16,7 Prozent). Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 wurde die Kapitalisierung der heimischen Kreditinstitute mehr als verdoppelt. Eine hohe Eigenkapitalausstattung unterstütze nicht nur die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors, sondern vergrößere auch den Spielraum der Banken für mehr Kreditvergabe. Die Kreditvergabe habe im ersten Halbjahr weitere Erholungstendenzen gezeigt, vor allem bei den privaten Wohnraumfinanzierungen. „Wir sind aber noch weit weg von den Niveaus 2021 und den Jahren davor“, strich Steiner hervor. Dagegen entwickelten sich die Unternehmenskredite weiterhin schwach.
Stabilisierung bei NPLs
Bei der Kreditqualität der Banken zeichnet sich insgesamt gesehen eine Stabilisierung ab. „Wir sehen bei den Kreditausfällen mittlerweile eine abfallende Dynamik, was grundsätzlich positiv ist, aber für eine Entwarnung ist es aus unserer Sicht zu früh.“ Die sogenannten notleidenden Kredite („Non Perfoming Loans“, NPL) haben sich nach Anstiegen von sechs Quartalen hintereinander nun bei 3 Prozent des Gesamtbestands eingebremst. Auch die Quote jener Kredite, die aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten neu verhandelt werden mussten („Forbearance Ratio“), sei ebenso stabil wie die Coverage der ausgefallenen Kredite und Wertberichtigungen, berichtet Markus Schwaiger, Leiter der OeNB-Hauptabteilung Finanzmarktstabilität und Bankenaufsicht.
Auch wenn es eine gewisse Abnahme der NPL-Dynamik gäbe, sei der Bestand der ausgefallenen Kredite mit einem Gesamtvolumen von rund 26 Mrd. Euro relativ hoch. „Die gilt es, sehr aktiv zu managen“, sagte Schwaiger in Richtung der betroffenen Banken. In Österreich gebe es mittlerweile rund 50 Banken mit einer NPL-Quote von 5 Prozent und mehr. Dies sei europaweit eine wesentliche Schwelle. Zum Vergleich: In der Eurozone sind
insgesamt rund 250 Banken bei diesem Schwellenwert angelangt bzw. haben diesen überschritten. Wegen neuer europäischer Vorschriften zur Risikovorsorge sei „in naher Zukunft“ mit einem deutlichen Anstieg des Wertberichtigungsbedarfs für bereits notleidende Kredite zu rechnen, was sich wiederum negativ auf Gewinne und Eigenkapital der Banken auswirken dürfte, so die OeNB.
Gewerbeimmobilien bleiben Sorgenkind
Die anhaltenden Unsicherheiten in der Bau- und Immobilienbranche belasten die Kreditqualität der Banken. Vor allem der Bereich der Gewerbeimmobilien verzeichne nach wie vor eine wachsende Dynamik bei den ausgefallenen Krediten. Mit einer NPL-Quote von 7,9 Prozent sei diese mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche Ausfallsquote bei den Gesamtkrediten. Ein besonderer Treiber seien Gewerbeimmobilienkredite, die mit Wohnimmobilien besichert sind. „Hier ist nahezu jeder achte Kredit ausgefallen. Die Ausfallsquote beträgt über 12 Prozent. Strukturell erhöhte Kreditrisiken sind mit strukturell höheren Eigenmittelerfordernissen auszugleichen“, erklärt Schwaiger. Daher werde das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) im Dezember den sektoralen Systemrisikopuffer in Höhe von 1 Prozent evaluieren.
Eine positivere Entwicklung skizzierte der OeNB-Experte im Bereich der privaten Wohnimmobilienkredite. Die Ausfallsquote sei mit 1,4 Prozent relativ niedrig. Zudem habe sich die Leistbarkeit deutlich verbessert, weil einerseits die Immobilienpreise im Vergleich zum Höchststand um rund 4 Prozent nachgaben, während die Einkommen in den vergangenen Jahren um über 20 Prozent stiegen. „Das hat dazu geführt, dass sich die Leistbarkeitslücke, die sich über die letzten zehn bis 15 Jahre aufgebaut hat, um mittlerweile drei Viertel geschrumpft ist“, so Schwaiger. Zudem wurden Risiken im privaten Wohnimmobilienbereich durch fix verzinste Kredite herausgenommen. Deren Anteil betrage im Neugeschäft nun über 80 Prozent. Damit würde das Zinsrisiko überwiegend vom Bankensektor und nicht von den Haushalten getragen.
„Nahtloser Übergang“
Zum angekündigten baldigen Rücktritt von OeNB-Präsident Harald Mahrer hielt Gouverneur Martin Kocher fest, dass die Gremien der Nationalbank funktionierten und es für sein Haus wichtig sei, „einen nahtlosen Übergang“ in dieser wichtigen Funktion zu haben, um auch insgesamt die Funktionsfähigkeit der OeNB aufrechtzuerhalten. Aus seiner Sicht ist nun die Bundesregierung am Zug, die sich über einen neuen OeNB-Präsidenten einigen muss. Mahrer ist einerseits wegen der vergleichsweise hohen geplanten Gehaltsanpassung von 4,2 Prozent in der Wirtschaftskammer Österreich und andererseits wegen der anschließenden Kommunikation über die öffentlich entfachte Debatte darüber unter Druck geraten.








