Die Begeisterung steht den Athleten ins Gesicht geschrieben – und zwar im doppelten Sinn des Wortes. Denn wenn Freerider vom „Face“ sprechen, meinen sie damit in erster Linie den Hang, den sie sich auf ihren Skiern oder Snowboards auf unpräpariertem Tiefschnee hinunterstürzen. Ein Spektakel der besonderen Art, bei dem von einer Fach-Jury bewertet wird, wer die beste Linie, den coolsten Style oder die abgefahrensten Sprünge präsentiert. „Wer glaubt, dass das mit Alpinsport im herkömmlichen Sinne – mit dem Lift rauf und auf ein oder zwei Brettern wieder runter – zu tun hat, der irrt“, erklärt Mario Pesl vom Organisations-Komitee der Open-Faces-Tour. „Jeder Schwung, jede Kurve ist akribisch geplant. Einmal falsch abgebogen, und man steht vor einem 15 Meter tiefen Abgrund. Das unterschätzen viele.“
Im Jahr 2012 – also vor genau zehn Jahren – ging das erste Open-Faces-Event über die Bühne. Ausgedacht und konzipiert von „den Löfflers“, wie Pesl sagt. Dazu gehören die Brüder Markus und Tom sowie Markus‘ Ehefrau Mia, die damals das Gefühl hatten, der immer größer werdenden Freeride-Szene etwas bieten zu wollen. „Das ist bis heute eigentlich so“, sagt Pesl. „Für die große Nachfrage gibt es zu wenig Angebot. Wir merken vor allem in den unteren Kategorien, die für ambitionierte Wettkampf-Einsteiger gedacht sind, dass wir immer sofort aus- und überbucht sind.“
Und das, obwohl Open Faces die mit Abstand größte Freeride-Serie in ganz Europa sind. „Es gibt hie und da vereinzelte Bewerbe in Frankreich oder der Schweiz. Aber ich traue mich zu sagen, dass es nirgendwo so viele und so professionell abgewickelte Events wie bei uns gibt.“ Was man auch an den Namen ablesen kann, die sich die Ehre in einem der Tiroler Ski-Gebiete geben, vor allem in der sogenannten Vier-Sterne-Kategorie. Hier treffen Rider aufeinander, die höchste Ambitionen haben oder vielleicht sogar schon mal eines der begehrten World-Tour-Tickets in ihrem Besitz hatten. Ludovic Guillot-Diat, Thomas Feuerstein oder Carl Renvall, allesamt mit dem Prädikat Weltklasse versehen, waren hier schon mal am Start.
Zur Erklärung: Um zu den weltweit nur 32 Athleten zu gehören, die auf der World Tour (die auch in Fieberbrunn einen Stopp hat) dabei sein dürfen, muss man Qualifikations-Punkte sammeln. Genau diese gibt es bei Bewerben wie den Open Faces. Da aber auch immer wieder Fahrer „von oben“ herausrutschen, müssen auch diese wieder bei Qualifikationen antreten, was für bunte und qualitativ spannende Mischungen in den vier Kategorien (Snowboard Frauen und Männer, Ski Frauen und Männer) sorgt.
Freundschaft und Sicherheit
Und trotzdem besticht die Sportart vor allem dadurch, dass sich die Fahrer als eine Community begreifen, in der man den Gegner mehr als Freund denn als Konkurrenten sieht. „Das mitzuerleben, ist schon einmalig“, sagt Pesl. „Man gibt einander Tipps, wünscht sich von Herzen alles Gute und hofft wirklich, dass jeder unfallfrei unten ankommt.“
Was gar nicht so selbstverständlich ist, wenn man sich die wilden Ritte durch felsiges Gelände zu Gemüte führt. Doch Sicherheit steht bei den Veranstaltern an erster Stelle. Im Rahmen der Open-Faces-Academy finden Trainings zu Themen wie Schneekunde oder sichere Linienführung statt, im Rahmen einer Kooperation mit der ÖGSL – der Österreichischen Gesellschaft für Schnee und Lawinen – wird genau über diese Gefahren diskutiert. Und um beim Bewerb selbst das Risiko zu minimieren, gibt Markus „Kogs“ Kogler als renommierter Security-Beauftragter genau vor, welche Teile vom Face befahren werden dürfen und welche nicht.
„Sicherheit ist auch ein Thema, das unserem Partner vom Raiffeisenclub Tirol sehr am Herzen liegt“, sagt Pesl. „Hier bringen sie ihr Know-how ein, das sie als Sponsor einiger Freeride-Camps gesammelt haben, darauf liegt unter anderem ihr Fokus.“ Seit 2014 ist das Giebelkreuz bei den Open Faces dabei und ist der Serie auch treu geblieben, als im vergangenen Jahr alles abgesagt werden musste. „Wir wissen diese Form der Loyalität zu schätzen, so etwas ist nicht selbstverständlich.“
Wie das Thema Sicherheit steht auch die Jugendförderung weit oben auf der Prioritätenliste. Damit junge Fahrer an das Top-Niveau der Stars herangeführt werden können, findet im Rahmen der Bewerbe immer auch eine Junior-Tour statt, in der sich unter weniger gefährlichen Bedingungen 14- bis 18-jährige Freerider untereinander matchen können. Was nicht bedeutet, dass es dort viel weniger Action zu bestaunen gäbe. „Ich bin immer wieder geflasht, was zum Teil 15-Jährige für Sprünge abliefern“, sagt Pesl. Und verweist darauf, dass es durchaus schon 16-jährige Freerider gibt, die so gut sind, dass sie im Erwachsenenbereich mitfahren.
Grande Finale
Das Highlight der diesjährigen Serie, die vergangenes Wochenende in Kappl gestartet ist, findet Anfang April in Gurgl statt. Denn aufgrund einer Modus-Änderung treffen sich beim dortigen Vier-Sterne-Event alle Fahrer, die die besten Chancen haben, sich für die World Tour 2023 zu qualifizieren, zu einer Art Finale. „Da geht es dann um die Wurscht, an diesem Wochenende muss geliefert werden. Das wird ein Event der Extraklasse.“ Wer das, oder auch die vorigen Bewerbe, nicht verpassen möchte, kann auf den professionellen Livestream zugreifen, der unter open-faces.com angeboten wird. Pesl: „Wir haben sieben Kameras vor Ort und Kommentatoren, die in der Szene bestens bekannt sind. Auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal von uns.“ So kann auch den passiven Fans die Begeisterung ins Gesicht geschrieben stehen.