„Wir müssen eine erweiterte Markenidentität bilden“

Die Raiffeisen Bankengruppe Österreich hat sich 2021 von Testimonials verabschiedet und die Werbelinie grundlegend verändert. Wie das bei den Kunden ankommt und was sich noch ändern muss, erklärt Petra Walter, Geschäftsführerin der Zentralen Raiffeisenwerbung.

Vor gut einem Jahr haben wir zu Ihrem Antritt über die Verjüngung der Marke Raiffeisen gesprochen. Was hat sich seither getan?
Petra Walter: Vor eineinhalb Jahren haben wir entschieden, dass wir mit dem neuen Markenauftritt „Wir macht’s möglich“ hinausgehen. Im Vorjahr wurde der Transformationsprozess gestartet und weiterentwickelt. Wir haben unser digitales Angebot – Raiffeisen Mobil, RaiPay und Elba – sehr stark in den Vordergrund gestellt und gezeigt, dass wir modern und mobil sind. Vom Look-and-Feel waren wir noch, wie man uns kennt. Parallel haben wir daran gearbeitet, unsere Marke wirklich kennenzulernen und zu verstehen, wo unsere Stärken und Schwächen sind. Wir haben eine Zielgruppentypologie durchgeführt, um die Motive und Erwartungen der Menschen besser zu verstehen. Wir haben intensiv an unserem Tone-of-Voice gearbeitet, nicht nur im Sinne des Corporate Designs – Logo, Schrift, Farbe –, sondern an der gesamten Bildsprache. Das hatten wir in der Form noch nicht so definiert, denn solange man starke Testimonials wie einen Hermann Maier oder Marcel Hirscher hat, ist die Notwendigkeit nicht so stark gegeben. Wenn Hermann Maier auf einem Plakat war, war sofort klar, das ist Raiffeisen. Ohne Testimonials stellt das völlig neue Anforderungen an die Bildwelt. Dieser Tone-of-Voice ist ein Versatzstück, das uns noch gefehlt hat. Daran haben wir im Vorjahr gearbeitet.

Zeigt der neue Slogan schon Wirkung?
Walter: Ja, wir werden jünger und moderner. Wir messen sehr intensiv, da geht es nicht nur um unser Bauchgefühl in der ZRW: Zweimal im Jahr wird das Markenbild als Gesamtes und nach jeder Kampagne die Wirkung in den unterschiedlichen Zielgruppen analysiert. Fast 3.600 Personen werden befragt, mit welchen Attributen sie Raiffeisen wahrnehmen. Schon nach einem Jahr gehen wir in die richtige Richtung. Gerade in der jüngeren Zielgruppe der 15- bis 19-Jährigen und 20- bis 29-Jährigen werden wir noch besser wahrgenommen als in der Gesamtbevölkerung, weil dort dieser Community-Gedanken noch wichtiger ist. Dieses „Wir macht’s möglich“ wird als sehr stark differenzierend und glaubwürdig verstanden. Unsere Markenwerte wie Zukunft-gestalten und das Füreinander-da-sein werden als authentisch gesehen. Regionalität und Nachhaltigkeit werden uns auch zugeschrieben, differenzieren uns jedoch nicht so stark. Kompetenz ist ein ganz starker Faktor. „Wir machts möglich“ kommt sehr gut an, aber wir sehen auch, dass wir es noch stärker mit Inhalten und Relevanz aufladen müssen und auch können. 

Wie soll das gelingen?
Walter: Als Marke müssen wir die Themen Zukunft gestalten, Modernität und Innovation noch stärker betonen. Das ist noch unsere größte Schwäche in der Wahrnehmung der Menschen. Die Relevanz der Werte ändert sich aber laufend. Durch die Teuerung ist der Markenwert Kompetenz wieder stärker gefragt, in Pandemiezeiten war die Nähe wichtig. Aktuell geht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Bedürfnis nach einem Zusammenhalt ist, ausgelöst durch Krisen und Krieg, stärker geworden. 

Die neue Kampagne, die mit 30. Jänner startet, dreht sich auch um Solidarität und Zusammenhalt?
Walter: Es ist nicht nur eine neue Kampagne. Wir müssen eine erweiterte Markenidentität bilden, um Zielgruppen anzusprechen, die sich heute nicht mehr in dem Ausmaß bei uns wiederfinden, wie man es sich als Marktführer wünschen müsste. Wenn man heute die Menschen fragt, wäre Raiffeisen eine Persönlichkeit, wer wäre sie, dann sind wir ein fast 60 Jahre alter Mann, der am Land lebt, sehr gesellig und konservativ ist. Wir finden diesen Herren sicher sehr sympathisch, aber nach außen ist eine Marke, die 60 Jahre alt ist und sehr männlich, nicht mehr für alle die richtige Identifikationsfläche. Eine Marke wie unsere sollte jünger und weiblicher wahrgenommen werden, um damit attraktiv für die Jüngeren und die Älteren sein. Wir glauben, wir tragen alles in uns, um zukünftige Zielgruppen anzusprechen. Wir sind nicht alt und knorrig, sondern machen sehr moderne, zeitgemäße, relevante Dinge, aber haben es so noch nicht erzählt. Die Transformation Richtung Omnikanal-Vertriebsstrategie und Digitalisierung findet an jeder Stelle bei Raiffeisen statt, das muss sich auch bei der Marke zeigen. Der erste Schwerpunkt 2023 macht die Ergebnisse unserer Tone-of-Voice-Arbeit erstmals sichtbar. Ab 30. Jänner beginnt die TV-Werbephase. In Phase zwei erzählen wir auf Social Media und online „Wir-Geschichten“ von echten Menschen etwa zum Thema Dorfbelebung. Wir zeigen, dass ein Wir mehr möglich macht als ein Du oder Ich. In der dritten Phase erzählen die Bundesländer ihre eigenen Wir-Geschichten etwa über Energiegenossenschaften oder den Wir-hilft-Sozialfonds in der Steiermark. In jedem Bundesland laufen genossenschaftliche Initiativen, die man erzählen kann. Wir wollen den Wir-macht’s-möglich-Gedanken einfach stärker aufladen. Dazu bauen wir auch einen Content-Pool mit Bildern, Videos und Geschichten auf, die für alle Bundesländer das ganze Jahr verfügbar sind.

Porträt von Petra Walter
Petra Walter © ZRW/Roland Rudolph

Raiffeisen hat ein gemeinsames Logo. Segen und Fluch gleichzeitig. Werden die Anstrengungen, die Marke wieder positiv aufzuladen, durch die Aktivitäten der RBI in Russland belastet?
Walter: Die Kunden können differenzieren. Vor einem Jahr haben wir die Kritik auf unseren Social Media-Kanälen gespürt, aber das ist schnell wieder abgeebbt. Wir sehen jetzt nicht – im großen Bild –, dass es massiv negative Auswirkungen auf die Markenwahrnehmung und den Markenwert hat.

Apropos Reputation: Es wird immer schwieriger Mitarbeiter zu finden – auch für Banken. Welche Strategie verfolgt Raiffeisen, um als Arbeitgeber attraktiver wahrgenommen zu werden? 
Walter: Wir sind erst am Beginn, diese Strategie zu erarbeiten. Generell ist dieses „Wir macht’s möglich“ auch eine Plattform in diese Richtung. Wenn wir im zweiten Halbjahr das Thema Kompetenz transportieren, könnte das ein Anknüpfungspunkt sein, um auch die Arbeitgeberattraktivität zu betonen. Grundsätzlich macht es Sinn, Employer Branding auf Bundesebene anzugehen, auch wenn Raiffeisen nicht der eine Arbeitgeber ist. Eine Primärbank hat ja völlig andere Ansprüche an Mitarbeiter als beispielsweise eine Landesbank oder die RSC. Es ist noch die Frage, wie man auf den stärksten gemeinsamen Nenner kommt. Raiffeisen als attraktive Arbeitgeberorganisation darzustellen und das im Rahmen dieses neuen Kampagnen-Look-and-Feels zu tun, ist schon eine Ambition. 

Wie schauen die weiteren Pläne für 2023 aus?
Walter: Wir haben vier Kampagnen-Schwerpunkte: Haltung, Jugend, Innovation und Kompetenz. Während wir im Vorjahr die Produkte in den Vordergrund gestellt haben, ist es heuer die Marke mit „Wir macht’s möglich“. Wir werden die Markenwerte weiter aufladen und unsere jüngere Seite stärker zeigen. Wenn wir Modernität nicht als Teil unserer DNA leben, werden wir nicht mehr als Marktführer wahrgenommen. Ein Marktführer muss modern und zukunftsgewandt sein. Je positiver eine Marke wahrgenommen wird, umso eher sind die Kunden auch bereit, mehr zu bezahlen. Werbung ist nicht nur etwas Dekoratives, sondern auch etwas Strategisches, um die Marktführerschaft weiter zu behaupten. 

Werbe- und Marketingbudgets werden aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage vielerorts zurückgefahren. Wie ist das bei Raiffeisen?
Walter: Wir haben nicht reduziert, aber unser Budget auch nicht dramatisch erhöht – was legitim wäre, wenn man mit einer neuen Kampagne startet. Wir haben von allen Mitbewerbern das kleinste Medienbudget, aber es ist uns immer gelungen, dieses effizient einzusetzen. 

AusgabeRZ4–2023

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