Play Fair Code: Einzigartig in Europa

Der Play Fair Code feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Wie wichtig die Prävention gegen Wettmanipulation ist, zeigt der jüngste Fall in der Regionalliga Ost. Die Macher Günter Kaltenbrunner und Severin Moritzer werfen im Interview einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft.

Lange Zeit war es ruhig, was das Thema Wettmanipulation im heimischen Fußball angeht. Doch Ende November des vergangenen Jahres poppte ein Fall beim Regionalligisten SC Neusiedl auf, bei dem Spieler Partien verschoben haben sollen. Seit 2012 kümmert sich der Play Fair Code – Verein zur Wahrung der Integrität im Sport – um dieses heikle Thema. Präsident Günter Kaltenbrunner und Geschäftsführer Severin Moritzer erklären, warum diese Aufgabe so wichtig ist.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom aktuellen Fall erfahren haben?
Günter Kaltenbrunner: Für den Sport ist es eine Katastrophe! Für uns als Verein ist es eine Bestätigung, wie wichtig unsere Arbeit ist.
Severin Moritzer: Der SC Neusiedl wurde in den vergangenen sechs Jahren zweimal von uns geschult, das ist belegbar. Wir brauchen uns da nichts vorzuwerfen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es mittlerweile 62 Regionalliga-Klubs gibt, das ist auch ein Thema der Manpower. Aber jeder dieser Vereine ist in den Jahren 2019 und 2020 von uns besucht und auf das Thema aufmerksam gemacht worden.
Kaltenbrunner: Für mich ist dieser Fall keine riesige Überraschung. Man muss ja auch klar sagen: Es kann nicht alles verhindert werden, nur weil man präventiv tätig ist. Das ist in anderen Bereichen der Kriminalität genauso. Warten wir einmal ab, wie weit die Kreise sind, die die Geschichte noch zieht.

Gehen wir zehn Jahre zurück. Wie ist die Idee entstanden, das Thema Wettmanipulation aktiv zu bekämpfen?
Kaltenbrunner: Man kam auf europäischer Ebene überein, dass in jedem Land ein Stützpunkt errichtet werden soll, in dem Maßnahmen gegen diese große Bedrohung des Sports ergriffen und koordiniert werden sollen. Das Sportministerium unter Minister Darabos hat dann die Initiative ergriffen und gehört mit dem ÖFB und der Bundesliga zu den Gründungsmitgliedern.
Moritzer: Mitinitiatoren waren auch die Wettanbieter unter Federführung von tipp3, die ja selbst zu den Geschädigten von Spielmanipulationen gehören. Und zu der Zeit gab es immer wieder Verdachtsfälle.

Zwei Jahre später erschütterte der Skandal rund um Dominique Taboga und Sanel Kuljic den Fußball.
Moritzer: Als der Fall aufkam, waren wir schon bei jedem Verein der 1. und 2. Liga mindestens einmal vor Ort, um auf die Gefahren hinzuweisen. Das war auch eine Argumentationshilfe für Liga und Verband, die sagen konnten: Wir sind in der Sache ohnehin schon tätig.
Kaltenbrunner: Für uns war diese Geschichte ein Treiber, weil wir seitdem niemandem mehr erklären mussten, warum wir in dem Thema engagiert sind. Bis dahin glaubte man ja, wir in Österreich hätten mit dieser Form der Kriminalität nichts am Hut.

Der Verein war anfangs auf Fußball beschränkt, was sich aber schnell geändert hat.
Kaltenbrunner: Ziel war, die Verbände aus den größten bewettbaren Sportarten als Partner zu gewinnen. Schon nach zwei Jahren kam der Skiverband dazu, dann Eishockey, Basketball, Handball, Volleyball und Tennis. Wir sind gerade in finalen Gesprächen mit dem Tischtennis-Verband, der demnächst bei uns aufgenommen werden soll.
Moritzer: Tischtennis ist eine große Sportart mit Relevanz auf dem Wettmarkt und hat das Einzelsport-Problem, bei dem es immer einfacher ist, ein Match zu manipulieren. Ähnlich wie beim Tennis. Damit hätten wir alle wettrelevanten Sportarten abgedeckt.

War von Anfang an klar, dass euer Ansatz nur der der Prävention sein kann?
Moritzer: Nachdem wir keine Ermittlungsbehörde sind, die auf der Interventionsseite aktiv werden kann, war das der logische Weg. Und den haben wir in zehn Jahren ausgestaltet, und zwar für alle Zielgruppen: jung, alt, Amateure, Profis und die Schnittstelle dazwischen.
Kaltenbrunner: Wir machen dabei für jede Sportart individuelle Programme. Ein Basketballer bekommt Beispiele aus dem Basketball gezeigt, da wird nichts über einen Kamm geschert. Wir maßschneidern jede Schulung auf jede Sportart. Man kann ja auch Szenarien aus dem Eishockey und dem Tennis nicht miteinander vergleichen.

Von wie vielen Schulungen pro Jahr reden wir?
Moritzer: Ganz am Anfang waren es 30 bis 40, da haben wir die Teams der 1. und 2. Fußballliga besucht. Mittlerweile sind es etwa 100, was bedeutet, dass an jedem zweiten bis dritten Werktag irgendwo in Österreich ein Seminar von uns stattfindet. Dazu kommen aber auch Kooperationen und Vorträge beim IOC, an der Deutschen Sporthochschule in Köln oder im Rahmen des EU Erasmus+ Programmes, wo wir gern gesehene Partner sind. 
Kaltenbrunner: Der Aufwand ist jedenfalls enorm. Wir schauen, dass wir die Vereine jedes Verbandes einmal alle zwei Jahre durchbringen.

Wie finanziert sich der Play Fair Code?
Kaltenbrunner: Zu 55 Prozent vom Sportministerium, den Rest erwirtschaften wir uns selbst, worauf wir stolz sind. Unsere Mitgliedsverbände zahlen einen Beitrag, dazu kommen Wettanbieter und Sponsoren wie Raiffeisen, die übrigens von der ersten Stunde an dabei sind.
Moritzer: Wir sind ein Best-Practice-Beispiel, wie man so etwas finanzieren kann, das ist schon einzigartig. Weder finanziell noch inhaltlich findet man so eine Struktur in Europa.

Hat sich auf der „Gegenseite“ in den zehn Jahren etwas signifikant verändert? Geht die Wettmafia heute anders vor?
Moritzer: Die „Mechanik“, wie ein Spiel manipuliert wird, ist seit der Antike gleich, nämlich nicht das sportlich Beste zu geben.
Kaltenbrunner: Was wir mittlerweile klar wissen: Die Sportler, die von der Wettmafia angesprochen werden, sind in vielen Fällen spielsüchtig. Das sind wettaffine Menschen, die meist Geldprobleme haben und sich dann überreden lassen.

Mittlerweile ist das Regulativ in den meisten Sportarten so, dass ein Athlet, der angesprochen wird, das sofort melden muss, ansonsten droht ihm oder ihr selbst eine Strafe. War das ein Gamechanger?
Moritzer: Eine ungeheuer wichtige Maßnahme, die als Erstes vom ÖFB ausging. Wir als Play Fair Code sind aufgefordert worden, dieses vernünftige Regulativ auch in andere Sportarten zu tragen. Das ist zu 90 Prozent gelungen.

Was sind die Ziele für die nächsten zehn Jahre?
Kaltenbrunner: Alle Vorgaben, die 2012 an uns herangetragen wurden, haben wir erreicht oder übertroffen. Jetzt stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Seitens des Europarats gibt es eine Konvention gegen Spielmanipulation mit der Maßgabe, dass es in jedem Land eine nationale Plattform gegen Wettmanipulation geben soll. De facto sind wir das ja schon, wir sollten diesen Status aber auch offiziell bekommen, in dem man uns zu einer Behörde macht. Ähnlich wie es die NADA (Anm.: Nationale Anti-Doping-Agentur) ist. Jetzt sind wir wie eine NGO, die sich theoretisch morgen auflösen kann. Wenn sich die Regierung dazu bekennt, hat es auch nach außen Wirkung. Das wäre ein logischer Schritt. 

AusgabeRZ04-2022

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung