Pleiten bereiten Sorgen 

Laut Hochrechnung des KSV wurden heuer 6.550 Firmen zahlungsunfähig, nur 2005 und 2007 waren es mehr. Die Passiva lagen auf einem historischen Rekordwert.

„Die österreichische Wirtschaft ist gespalten“, sagt Ricardo-José Vybiral, CEO des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). „Die eine Hälfte wirtschaftet noch recht positiv, die andere ist schon in einer entsprechenden Drucksituation.“ Dass viele dem ökonomischen Druck nicht mehr standhalten, zeigen die Insolvenzzahlen des heurigen Jahres. Laut aktueller KSV-Hochrechnung mussten 2024 in Österreich 6.550 Unternehmen Insolvenz anmelden, im Schnitt schlitterten demnach täglich 16 Firmen in die Pleite. Ein historisches Hoch – nur in den Jahren 2005 und 2007 gab es hierzulande mehr Insolvenzen. Gemessen an den Passiva wird 2024 ein Negativrekord erreicht: Der ohnehin schon sehr hohe Vorjahreswert explodiert um 31 Prozent auf noch nie dagewesene 18,3 Mrd. Euro.

Pleiten mit Dominoeffekt

Die Ursache liegt laut KSV an der hohen Anzahl von Großinsolvenzen. Bis dato gab es davon 79, im Vorjahr waren es nur 44 gewesen. Auffällig sei heuer auch, dass von den Fällen viele Gläubiger (100 plus) betroffen sind. Die Fälle strahlen damit auch auf andere Betriebe bzw. deren Geschäftspartner aus und bergen das Risiko von Folgeinsolvenzen. 

„Umso mehr Unternehmen in die Pleite rutschen, desto größer ist die Gefahr, dass infolgedessen auch finanziell gesunde Unternehmen über kurz oder lang mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben und den Anker werfen müssen“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter des Insolvenzbereichs im KSV. 

Dass die insolvente Möbelmarke Kika/Leiner trotz ihres bekannten Namens nicht einmal in den Top-7 der größten Firmenpleiten aufscheint, verdeutlicht die Dimensionen. Neben KTM und dem Immobilienentwickler Imfarr finden sich dafür gleich vier Firmen aus René Benkos Signa-Konglomerat beziehungsweise der Einzelunternehmer selbst in dem Negativ-Ranking wider. Gemessen an den Passiva war jene des US-Elektroautobauers Fisker in Graz die größte Insolvenz (3,793 Mrd. Euro).

Gestiegen sind auch die nicht eröffneten Insolvenzen (+20 Prozent). In 2.403 Fällen wurde ein Verfahren mangels Vermögen nicht eröffnet, da nicht einmal mehr 4.000 Euro zur Deckung der Gerichtskosten vorhanden sind.

Industrie als Sorgenkind

Die Brennpunkte der heimischen Wirtschaft sind die Gastronomie, die Bauwirtschaft und der Handel, die mit knapp 5.000 den Großteil der Insolvenzen in diesem Jahr verzeichnen. Das große Sorgenkind sei aber vor allem die Industrie. „Wenn diese flöten geht, dann haben wir ein Problem“, betont Vybiral, der sogar von einer „schleichenden Deindustrialisierung“ spricht. Sowohl die Geschäftslage, als auch die Umsatzentwicklung habe sich drastisch verschlechtert. Laut „Austrian Business Check“-Umfrage des KSV vom August rechnet nur die Hälfte der Industriebetriebe damit, 2024 mit Gewinn abzuschließen. Damit liegt man zwar auf dem Vorjahresniveau, jedoch gaben gleichzeitig 19 Prozent der Befragten an, einen Verlust zu erwarten. Das entspricht einem Plus von 10 Prozent.

Aktuell sind nur 48 Prozent der Betriebe mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden – das ist der niedrigste Wert seit drei Jahren. Alle vier gebeutelten Wirtschaftsbereiche
einen im Wesentlichen dieselben Probleme: Einerseits belasten hohe Energiekosten die Budgets, andererseits schmerzt der Fachkräftemangel oder die sinkende Auftragslage. Hinzu kommt, dass die generelle Exportnachfrage in Österreich und Europa nur schleppend vorangeht. Entlastung ist nur in puncto Lieferengpässe spürbar.

Der KSV-Chef nimmt jedenfalls die Politik in die Pflicht, denn 2025 rechnet man mit einem Anstieg auf bis zu 7.000 Insolvenzen. Nötig sei die rasche Bildung einer neuen Regierung: „Österreichs Wirtschaft befindet sich am Scheideweg. Die Aufgabe der neuen Bundesregierung wird sein, die Fließgeschwindigkeit in der Wirtschaft zu erhöhen und neue Impulse zu setzen, ohne dabei die Österreicher außer Acht zu lassen.“ Konkret nennt Vybiral bereits vielfach geforderte Maßnahmen wie Bürokratieabbau und ein Zurückfahren der Regulatorik, wie beispielsweise die oft gescholtene, Ende Juni 2025 auslaufende KIM-Verordnung. Und: „Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen schneller werden, aber auch anderes wie die DSGVO könnte man entstauben“, so Vybiral, der neben der schwachen Konjunktur auch Managementfehler als Gründe für die Firmenpleiten sieht.

Privatkonkurse noch stabil

Beinahe unverändert stellt sich die Bilanz laut KSV-Hochrechnung bei den Privatinsolvenzen dar: Im Vergleich zu 2023 gibt es hier lediglich einen Anstieg von 0,8 Prozent auf 8.920 Fälle. Allerdings schlage sich die Steigerung bei den Unternehmenspleiten in der Regel erst zwei bis drei Jahre später bei den Privaten nieder, so Götze: „Die Menschen haben sich wohl oder übel auf die Situation eingestellt und den Gürtel deutlich enger geschnallt. Es bleibt die Frage, ob die Haushaltsbudgets die anhaltend hohen Kosten noch länger stemmen können oder nicht.“ 

Trotz heuer nur unwesentlich mehr Privatkonkursen sind die Passiva deutlich gestiegen, und zwar um 8,5 Prozent auf 996 Mio. Euro. Im Schnitt ist damit die Verschuldung pro Schuldner um 8.000 Euro auf 112.000 Euro angewachsen. Im kommenden Jahr gehen die KSV-Experten von bis zu 9.500 Privatinsolvenzen aus.

AusgabeRZ51-2024

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