Marktbereinigung statt Krise

Über 140 Teilnehmer informierten sich beim 2. Raiffeisen-Bauwirtschaftsforum in Graz über die angespannte Entwicklung der Immobilienwirtschaft.

Die brisante Entwicklung auf dem Immobilienmarkt wurde heuer beim 2. Raiffeisen-Bauwirtschaftsforum der Raiffeisen-Landesbank (RLB) Steiermark und des Raiffeisenverbandes Steiermark beleuchtet. Auf die schwierigen konjunkturellen Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft ging Matthias Reith, Immobilienexperte und Senior-Ökonom bei Raiffeisen Research, ein. Vor allem die hohe Inflation sei eine große Herausforderung und bremse das Wachstum am Immobilienmarkt, auch wenn sie sich im Jahr 2024 überraschend positiv entwickelt habe. Dennoch: „Inflation ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, sagte Reith und machte deutlich, dass Ausdauer im Kampf gegen die Teuerung weiterhin gefragt sei.

Die Immobilienexperten Jürgen Nageler, Christian Neuhold und Werner Schönfelder von der in Graz ansässigen KNNS Beratungs GmbH legten ihren Fokus auf die Herausforderungen der Projektentwicklung. So würden viele Käufer weiterhin zurückhaltend agieren, da sich die Preise noch nicht stabilisiert hätten. Die Realwirtschaft übe hierbei wesentlichen Einfluss auf die künftige Marktentwicklung und damit auf die Immobilienprojekte aus. Da die Wohnungsindustrie aufgrund ihrer langen Entwicklungszyklen schwerfällig sei, wären kurzfristige Anpassungen kaum möglich. Ein zentrales Thema in den Ausführungen der drei Experten war die Diskrepanz zwischen den angebotenen Wohnungsprojekten und den Bedürfnissen der Wohnungssuchenden. Viele Projekte gingen an der Nachfrage vorbei, da nach der Corona-Pandemie vermehrt größere Wohnungen mit Freiflächen gefragt seien, was jedoch nicht immer berücksichtigt werde.

Gerald Gollenz, Fachverbandsobmann für Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Steiermark, gab einen fundierten Überblick über die aktuelle Situation sowie Chancen und Entwicklungen in der Immobilienwirtschaft. Er betonte, dass der Markt derzeit eine Bereinigung durchlaufe, was häufig fälschlicherweise als Immobilienkrise bezeichnet werde. „Es handelt sich eigentlich nicht um eine Immobilienkrise, sondern um eine Krise einzelner gewerblicher Bauträger, die wir als Bank beziehungsweise als Kreditwirtschaft groß gemacht haben“, erläuterte Gollenz. Er warnte vor einer drohenden Wohnungsknappheit, die den Markt weiter unter Druck setzen könnte, sieht aber auch Chancen für eine Neuausrichtung der Branche.

Wirtschaftlichkeit

Über die Wirkung und Veränderung des Baupreisindex informierte Herwig Pernsteiner, Geschäftsführer der in Ried im Innkreis angesiedelten ISG-Wohnbaugenossenschaft. Er beleuchtete die starken Schwankungen auf den Finanzmärkten und die Entwicklungen bei Material- und Lohnkosten, die massive Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft haben. Die steigenden Baukosten erschweren die Projektplanung zunehmend. „Die Kostenexplosion bei Materialien und Löhnen führt dazu, dass Bauvorhaben teurer und weniger rentabel werden, was Bauträger und Investoren vor neue Herausforderungen stellt und den gesamten Markt nachhaltig beeinflusst“, analysiert der Fachmann aus Oberösterreich.

Florian Stryeck, Vorstandsdirektor der Raiffeisen-Landesbank, analysierte die gegenwärtige Situation am Immobilienmarkt aus Sicht der steirischen Raiffeisen-Bankengruppe. Zusammenfassend betonte er, dass die RBG Steiermark in der Vergangenheit strategisch richtige Entscheidungen getroffen habe und daher gut aufgestellt sei. Dennoch könne man sich den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entziehen. Besonders betonte er die große Bedeutung der Sicherheitsbewertung: „Vorausschauendes Handeln, das frühzeitige Erkennen und Einschätzen von Risiken sowie präzise Berechnungen sind entscheidend, um auf künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein.“

AusgabeRZ42-2024

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung