Frau Zucker, Sie sind seit kurzem neue Aufsichtsratspräsidentin der Raiffeisen Factor Bank. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Sabine Zucker: Ich freue mich auf die noch engere Kooperation mit den beiden Vorständen Andreas Bene und Marcel Burtscher. Dabei möchte ich nicht nur eine kontrollierende Funktion ausüben, sondern auch als Sparringspartner zur Verfügung stehen, um gemeinsam Wachstumsstrategien zu entwickeln und die Raiffeisen Factor Bank bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Um unsere Position in Österreich zu stärken, möchte ich mithelfen, die Sichtbarkeit und das Bewusstsein für die Vorteile von Factoring bekannter machen. Hierbei sehe ich großes Potenzial vor allem bei den mittelständischen Unternehmen in Österreich.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren im Vorjahr mit der Rezession, den hohen Zinsen und der Inflation mehr als herausfordernd. Wie hat sich die Raiffeisen Factor Bank entwickelt?
Andreas Bene: Das Jahr 2023 war ein Rekordjahr. Wir konnten beim Volumen der angekauften Forderungen erstmals die Grenze von 10 Milliarden Euro überschreiten. Zusätzlich wurden wir vom Magazin „Börsianer“ als „Beste Factoring Bank in Österreich“ ausgezeichnet – und das zum vierten Mal in Folge. Bei den Kunden hat Factoring wiederum stabilisierend gewirkt, diese haben sich trotz der zahlreichen Herausforderungen gut entwickelt. Besonders stolz ist unser gesamtes Team aber auf „Smart Factoring“, die digitale Kundenplattform. Wir konnten im Vorjahr insgesamt 3,5 Millionen Rechnungen vollautomatisch verarbeiten und sind digitaler Vorreiter im Factoring.
Was sind Ihre Erwartungen für 2024?
Zucker: Der Fokus liegt sicher auch weiterhin auf der Digitalisierung. Mit ihr bietet die Raiffeisen Factor Bank ihren Kunden einen echten Mehrwert. Ich möchte mit meinen Erfahrungen die Bank dabei unterstützen, diesen Vorsprung am Markt zu halten und weiter auszubauen. In diesem Zusammenhang sehe ich die weitere Entwicklung sehr positiv, geprägt von Wachstum und Innovation.
Was sind die Gründe für das starke Wachstum am österreichischen Factoring-Markt und gibt es überhaupt noch weiteres Wachstumspotenzial?
Bene: Das Marktwachstum in Österreich hat in den letzten fünf Jahren ganze 51 Prozent betragen. Das Factoring-Volumen erreichte im Vorjahr 36,5 Milliarden Euro, was 7 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsproduktes entspricht. Es wird vielen erst jetzt bewusst, dass bereits 7 Prozent der österreichischen Wertschöpfung über Factoring finanziert wird. Damit leistet Factoring einen wesentlichen Beitrag für die heimische Wirtschaft, hat aber noch immer enormes Wachstumspotenzial. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt liegt bei 12 Prozent des BIP. Factoring ist in anderen europäischen Ländern einfach länger etabliert. Und mit steigender Bekanntheit wird Factoring auch in Österreich weiter wachsen und stärker nachgefragt werden, weil die Vorteile bei Kunden bekannter werden.
Welchen Vorteil bringt Factoring für Unternehmen?
Zucker: Das Finanzierungsinstrument bietet Unternehmen eine Reihe von Vorteilen wie die Verbesserung der Liquidität, schneller zu Kapital zu kommen, die Risikominimierung ihrer Forderungsausfälle und die Optimierung der Finanzkennzahlen. Bei regresslosem Factoring erhält der Kunde zusätzlich eine Absicherung gegen Zahlungsausfälle. Darüber hinaus müssen sich Unternehmen nicht um das Forderungsmanagement kümmern, sondern können sich ihren Kernaufgaben widmen.
Für wen ist Factoring besonders geeignet und was sind die Besonderheiten dieser Finanzierungsform?
Bene: Factoring richtet sich an Unternehmen, die überwiegend gewerbliche Abnehmer haben, somit an das sogenannte B2B-Segment in der Wirtschaft. Das können Produktionsunternehmen, Großhändler oder Dienstleister sein. Durch den Verkauf der Lieferforderungen wird aus langen Zahlungszielen Liquidität in wenigen Stunden. Kunden der Raiffeisen Factor Bank erhalten für Forderungen, die sie bis Mittag übermitteln, Liquidität noch am selben Tag. Dabei ist der Ablauf sehr einfach und digital.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Raiffeisensektor?
Bene: Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren war und ist die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnerbanken, den Raiffeisen Landesbanken und Raiffeisenbanken. Unsere Partnerschaft ist von gegenseitiger Wertschätzung, kurzen Wegen und der gemeinsamen Kundenorientierung geprägt. Es ist eine Freude täglich zu sehen, wie Kunden von dieser Zusammenarbeit profitieren und Factoring zunehmend als attraktives Zusatzprodukt wahrgenommen wird. Im weiteren Ausbau dieser Kooperation liegt auch unser größtes Potenzial.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Finanzierungslösungen?
Zucker: Nachhaltigkeit ist einer der großen Trends im Banking und wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Wir sind bestrebt, Lösungen anzubieten, die nicht nur wirtschaftlich sinnvoll sind, sondern auch positive soziale und ökologische Auswirkungen haben. Ich freue mich, dass die Raiffeisen Factor Bank als einer der ersten Anbieter nachhaltige Lösungen wie ESG-linked Factoring anbietet und bereits heute ihre Kunden bei ihrer Transformation zu einer nachhaltigen Zukunft begleitet.