Schlüsselfaktor Lösungsbegabung

Beim Management-Forum des Raiffeisen Campus in Salzburg wurden Geschäftsleiter:innen upgedatet, um nachhaltig erfolgreich zu bleiben.

Nach zwei Jahren Pandemie und fast ausschließlich Online-Veranstaltungen war das Interesse beim diesjährigen Management-Forum für Geschäftsleiter groß: Knapp 130 Teilnehmer aus allen Bundesländern sind nach Salzburg gekommen, um sich auszutauschen und unter der Moderation von Corinna Forstner und Markus Eisl Herausforderungen zu erkennen, zu diskutieren bzw. Lösungsansätze zu finden.  

Josef Buchleitner, bis vor seinem Beginn als Geschäftsleiter des Raiffeisen Campus im Herbst 2021 selbst Chef einer Raiffeisenbank in Niederösterreich, brachte die zentralen Herausforderungen auf den Punkt: „In dieser schnelllebigen Zeit brauchen Geschäftsleiter tatsächlich Superkräfte, um alle möglichen Rollen übernehmen zu können“, meint Buchleitner und sprach neben der geopolitischen Situation auch die Digitalisierung sowie unternehmensindividuelle Themen an. Die junge Generation lege bei der Jobsuche auf den „gesellschaftlichen Nutzen“ Wert und Raiffeisen könne mit seinem umfassenden Bildungsangebot als Arbeitgeber genau bei diesem Aspekt noch attraktiver auftreten.

Unvorhersehbares bewältigen

Außerdem verwies Buchleitner auf die immer wichtiger werdende Lösungsbegabung in einer Welt voller unvorhersehbarer Situationen. Um dieses Thema drehte sich auch der Vortrag von Markus Hengstschläger, der einen unterhaltsamen Blick in die Zukunft wagte und mit bildhaften Beispielen die Bedeutung dieser Thematik hervorhob: „Das Wichtigste in Zukunft wird sein, seine Mitarbeiter flexibel und individuell aufzustellen. Machen Sie ein Stärken- und Schwächenprofil Ihrer Mitarbeiter und achten Sie darauf, das jede Person der Begabung entsprechend eingesetzt wird“, so Hengstschläger. Der Genetiker analysierte dabei drei Typen im Bereich der Lösungsbegabung und warum es wichtig sei, stets in Bewegung zu bleiben und neue Entdeckungen möglich zu machen: „In der Grundlagenwissenschaft ist es auch oft so, dass man die Lösung für ein Problem zufällig entdeckt, welches es jetzt noch nicht gibt. Man müsse offen bleiben für Entdeckungen, um in Zukunft Unvorhersehbares zu bewältigen.“ 

Arbeitslosigkeit im Griff

Bundesarbeitsminister Martin Kocher ging auf die aktuelle Arbeitsmarktlage, die derzeitigen Prognosen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. „Auch wenn wir während der Pandemie eine Berg- und Talfahrt erlebt haben, hat man die Arbeitslosigkeit jetzt wieder im Griff. Außerdem war die Kurzarbeit ein wirksames Werkzeug in diesen herausfordernden Zeiten“, so Kocher, der ebenfalls auf den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel in Tourismus und Gastronomie einging und erklärte, warum auch im Bankensektor die Beschäftigungszahlen zurückgegangen sind: „Es liegt an der Digitalisierung, wobei bei Raiffeisen selbst die Beschäftigungszahlen gestiegen sind. Man muss sich in Zukunft überlegen, wie man den Standort Österreich generell wieder attraktiver für Arbeitnehmer macht“, so der Minister. 

In seinem Vortrag zum österreichischen Bankenmarkt unterstrich Michael Hysek von der Finanzmarktaufsicht (FMA), dass Österreich zumindest nicht mehr „overbanked“ sei: „Die Bankendichte ist in den letzten Jahren gesunken und zwar um rund 30 Prozent.“ So gab es Ende 2013 noch 746 konzessionierte Banken in Österreich, Ende 2021 nur mehr 493. In Bezug auf aktuelle Herausforderungen für Banken sprach der Experte die Risiken im Bereich der Immobilienfinanzierungen an: „Wohnimmobilienkredite an private Haushalte zeigen ein rasantes Wachstum, allein das Volumen ist in den letzten Jahren um sieben Prozent gestiegen. Was die Wohnimmobilienpreise betrifft, so liegen wir in Österreich im Schnitt bei rund 11 bis 13 Prozent Wachstum im Jahr“, veranschaulicht Hysek die dramatische Entwicklung in diesem Bereich. 

Fokus Nachhaltigkeit 

Das Thema Nachhaltigkeit stand im Mittelpunkt des Vortrags von Helga Kromp-Kolb:  „Sie ist noch nicht im Fokus von Gesellschaft und Wirtschaft, sollte es aber längst sein, da wir vor dramatischen Problemen stehen“, warnte  die Universitätsprofessorin eindringlich und ging auf verschiedene Hochrisikobereiche ein, in die der Mensch schon so viel eingreife, dass er mittlerweile „stört bzw. zerstört“. „Die Klimakrise ist definitiv ein gesellschaftliches Problem. Die globale Erhitzung bringt Klimawandel, Naturkatastrophen, wirtschaftliche Auswirkungen und beeinflusst den Mensch als Individuum.“ Kromp-Kolb betonte, dass eine Volltransformation in allen Wirtschaftsbereichen sowie das Überdenken von Werten und eine langfristige Denkweise dringend notwendig seien. 

Auch Philipp Schöckler, Direktor im Bereich Unternehmensberatung mit Fokus auf die Branche Finanzdienstleitung beim Beratungsunternehmen EY, ging auf den Themenkomplex der Nachhaltigkeit ein und unterteilte ihn in die drei Aspekte Marktchance, Regulatorik und inhaltliche Breite. „Die Reise Richtung Nachhaltigkeit beginnt jedoch mit der Definition einer Strategie, dann erst folgen die Handlungsfelder.“ Schöckler ergänzte die Kennzeichen der Kundengruppe, die im Privatkundenbereich Wert auf Nachhaltigkeit legt: „Da reden wir vor allem über junge Familien, Leute mit guter Ausbildung und von der höheren Einkommensgruppe.“ 

Hochgeschwindigkeitszeit 

Die Betriebswirtin und Autorin Anne M. Schüller war am ersten Vortragstag die letzte Speakerin in der Runde und ging auf Handlungsfelder sowie Managementaufgaben ein, die eine Organisation zukunftsfähig machen: „Die Hochgeschwindigkeitszeit verlangt Geschäftsleitern ab, sich mehr mit den Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Kundenzentrierung, Emotionalisierung, Individualisierung sowie ‚Liquid Expectations‘ auseinanderzusetzen.“ Wer fit für die Zukunft sein will, wisse, dass sich alles um die Gunst der Kunden drehe. ‚Liquid Expectations‘ sei hierbei ein wichtiges Schlagwort, das bedeutet: Nicht der Servicelevel, der in einer Branche als üblich gilt, sondern der beste Service, den ein Kunde je erlebt hat, wird seine zukünftige Messlatte sein. Den Servicelevel, den man als Kunde bei Firma X erhält, erwartet man fortan von allen Unternehmen in allen Branchen, weil Firma X bewiesen habe, dass es machbar ist, erläutert die Beraterin. Wer es versteht, das Zusammenspiel von künstlicher und menschlicher Intelligenz perfekt umzusetzen, werde in Zukunft zu den Vorreitern zählen.

Grundlegende Veränderung

Am zweiten Veranstaltungstag ging Ulrich Coenen vom deutschen IT-Dienstleister Atruvia auf die digitale Transformation, Erfolgsgeheimnisse und Schlüsselfaktoren ein: „Die neue Mechanik stellt nicht das komplette Geschäftsfeld auf den Kopf. Das Kerngeschäft wird auch im Bankenwesen bleiben. Trotzdem wird sich noch Grundlegendes ändern, da wir erst am Anfang des Umbruchs stehen“, so der Experte. Dabei geschehen 76 Prozent der Interaktionen zu Beratung, Abschluss und Service im Banking bereits jetzt online. „Der Banking-Alltag findet zunehmend im Smartphone statt – diese Tatsache gilt es zu akzeptieren“, so Coenen. 

Den Abschluss des Management-Forums bildete ein Vortrag von Carl Naughton über Zukunftsmut und Zukunftsfitness sowie über die Kernkompetenzen für ein Zeitalter der Ungewissheit.

AusgabeRZ19-2022

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