Genossenschaften und ihr „Beitrag für eine bessere Welt“

Die steirischen Genossenschaften zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Verantwortung kein Widerspruch sind.

„Genossenschaften sind keine perfekten Utopien. Sie sind zutiefst menschlich – mit allen Marotten, mit Diskussionen über Sitzordnungen und Zuständigkeiten und Fragen, warum die Brötchen der letzten Sitzung so schnell aus waren. Und trotzdem oder gerade deswegen bleiben sie stark. Sie zeigen, dass man gemeinsam mehr erreichen kann und am Ende des Tages besser ans Ziel kommt.“ Eine motivierende Brandrede für Genossenschaften hielt der junge Poetry-Slammer Yannick Steinkellner mit seinem Text „Rückwind“ beim diesjährigen Verbandstag des Raiffeisenverbandes Steiermark. Bei Raiffeisen werde eben „nicht nur eine Zahl bearbeitet, sondern ein Leben begleitet und Rückenwind gegeben“, weiß Steinkellner. 

Das Internationale Jahr der Genossenschaften kommt für den Poeten heuer gerade zur richtigen Zeit, „weil wir erinnert werden, dass wir Teil von etwas sind, das größer ist als wir selber. Ein Gegenentwurf zu dem, was in weißen Häusern gerade als erstrebenswert erachtet wird.“ Für Steinkellner ist klar: „Zusammenarbeiten ist nicht altmodisch, sondern der einzige nachhaltige Weg in die Zukunft. Solidarität ist nicht naiv, sondern notwendig.“ 

Die Analyse des jungen Dichters spiegelt sich auch beim Verbandstag unter dem Titel „Genossenschaft kann mehr. Weltweit.“ wider. „Genossenschaften bauen an einer besseren Welt und zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Verantwortung kein Widerspruch sind“, unterstreicht Verbandsobmann Franz Titschenbacher und sieht in der weltweit verbreiteten Rechtsform eine optimale Lösung für viele weltumfassende Herausforderungen unserer Zeit – durch Nähe, Regionalität und Mitbestimmung. 

Positive Ergebnisse

Die Kraft und Vielfalt von Genossenschaften zeigen die Daten des Raiffeisenverbandes Steiermark mit seinen 297 Mitgliedsbetrieben. „Das vergangene Jahr war ein ausgesprochen gutes Jahr, wir haben gemeinsam viel erreicht. Die Raiffeisenbanken haben eines der besten Jahre in der Geschichte hinter sich. Bei den Lagerhäusern hat es zwar Umsatz- und Gewinnrückgänge gegeben, sie sind aber wirtschaftlich gut aufgestellt. Die anderen Bereiche wie Molkereien und Energie haben sich ebenfalls sehr stabil entwickelt.“

Franz Titschenbacher beim Verbandstag des Raiffeisenverbandes Steiermark
Franz Titschenbacher © Werner Krug

Konkret erwirtschafteten die 39 selbstständigen Raiffeisenbanken im Verbund mit der Raiffeisen-Landesbank Steiermark ein EGT (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit) von 385 Mio. Euro oder 1,87 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. Die Erst­einlagen sind um eine Milliarde auf 17,4 Mrd. Euro gestiegen. Die Ausleihungen konnten mit 14,6 Mrd. Euro stabil gehalten werden. 

Im Lagerhausbereich ist der Umsatz um 2,9 Prozent auf 953 Mio. Euro zurückgegangen, trotz aller Herausforderungen konnte ein positives Ergebnis vor Steuern von 1,8 Mio. Euro oder 0,2 Prozent der Betriebsleistung erzielt werden. Die Investitionen der 20 Warengenossenschaften beliefen sich im Vorjahr auf 27 Mio. Euro. 

Die Molkereisparte wurde im Vorjahr mit 545.000 Tonnen Rohmilch beliefert, ein Plus von 0,5 Prozent. Die Anzahl der Milchlieferanten ist abermals zurückgegangen, um 4 Prozent auf 3.350. Die Betriebsleistung der steirischen Molkereien ist im Jahr 2024 um 3,9 Prozent auf 290,3 Mio. Euro gestiegen. 

Einen Umsatzrekord von fast 30 Mio. Euro, das ist ein Plus von 9,5 Prozent, erreichten die 78 Biowärme- und Hackschnitzelbetriebe und versorgten dabei mehr als 6.400 Kunden. 

Peter Weissl beim Verbandstag des Raiffeisenverbandes Steiermark
Peter Weissl © Werner Krug

Viele Neugründungen

Die steirischen Raiffeisen-Genossenschaften zählen rund 6.400 Mitarbeiter, 2.800 Funktionäre und rund 540.000 Mitglieder, damit ist statistisch gesehen fast jeder zweite Steirer Mitglied einer Genossenschaft. Zusätzlich werden fünf Schüler-Genossenschaften vom Verband betreut. Die Rechtsform der Genossenschaft ist aus Sicht von Verbandsdirektor Peter Weissl zuletzt noch gefragter und attraktiver geworden. „Genossenschaften sind durch die Revision besonders sicher und ein zeitgemäßes Wirtschaftsmodell. Sie bieten sehr viel Potenzial für die Zukunft. Das zeigen auch die stark gestiegenen Gründungszahlen der vergangenen Jahre.“ Allein im vergangenen Jahr wurden 19 neue Genossenschaften gegründet, großteils davon im Bereich der Erneuerbaren Energiegemeinschaften. „Im Miteinander wird vieles möglich sein und gelingen“, ist Titschenbacher überzeugt. 

Gemeinsame Kraftanstrengung

Dass Österreich als Schlusslicht der Wachstumstabelle in der EU gerade vor großen Herausforderungen steht, analysierte Franz Schellhorn, Leiter der Denkfabrik „Agenda Austria“, in seinem Vortrag. „Ja, wir dürfen den Wirtschaftsstandort nicht schlechtreden, aber auch nicht Elefanten zu einer Mücke machen. Österreich geht seit 2012 stets schlechter aus Krisen als andere. Wir verlieren den wirtschaftlichen Anschluss“, beschreibt Schellhorn den Status quo. Seit 2020 habe Österreich bei der Wettbewerbsfähigkeit 10 Plätze verloren. 

Franz Schellhorn beim Verbandstag des Raiffeisenverbandes Steiermark
Franz Schellhorn © Werner Krug

Um die Trendumkehr zu schaffen, lehnt sich Schellhorn am genossenschaftlichen Grundgedanken an: „Es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung.“ Dabei ist für ihn klar: „Zuversicht kriegt man nicht, indem man den Leuten sagt, jetzt seid mal positiver, sondern indem man Probleme adressiert und sie löst.“ Der Vorteil sei, dass die Probleme hierzulande anderswo schon gelöst worden sind. So müsse Österreich etwa die Staatsausgaben bremsen wie die Schweizer, deregulieren wie die Argentinier und die betriebliche Altersvorsorge von Dänemark sowie die Flat Tax wie in Polen übernehmen. Um Österreich schnell wieder auf die Überholspur zu bringen und für mehr Wohlstand für alle, empfiehlt Schellhorn: Weniger Staatsausgaben, niedrigere Steuern und mehr wirtschaftliche Freiheit für Unternehmen. 

AusgabeRZ41-2025

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