Im Wandel liegt die Kraft

Polykrisen, Digitalisierung, Kundenerwartungen – die Herausforderungen für Finanzdienstleister sind groß. Bei der Vermögensberatertagung in Salzburg zeigte Raiffeisen, wie man mit Vision, Flexibilität und Kundenfokus auf Veränderungen reagiert – und den Wandel aktiv als Chance nutzt.

Krisen folgen keinem linearen Konzept, sie passieren nicht hintereinander und man kann sie auch nicht nacheinander meistern. Krisen laufen parallel und beeinflussen sich gegenseitig. Das Zeitalter der Polykrisen fordert Gesellschaft, Wirtschaft und jeden Einzelnen, wie Trendforscher Franz Kühmayer die aktuellen Umfeldbedingungen für die Raiffeisen-Vermögensberater einordnet. 

Die Globalisierung, einst ein Garant für weltweiten Wohlstand, gerät ins Wanken. Handelsbarrieren werden errichtet, nationale Interessen rücken wieder in den Vordergrund. Auch die Demokratie, das System, das auf Interessensausgleich und Beteiligung setzt, wird zunehmend infrage gestellt – oft zugunsten einfacher Lösungen und autoritärer Stimmen. Der Wohlstand bröckelt, gewohnte Modelle der Arbeitswelt stoßen an ihre Grenzen und Soziale Medien tragen zur gesellschaftlichen Spaltung bei. 

„Egal wo wir hinschauen, irgendetwas brennt immer“, spitzt es Kühmayer zu und plädiert für einen Perspektivenwechsel: Wandel sei kein Ausnahmezustand, sondern mittlerweile der Normalfall. „Die Welt geht nicht unter – sie entsteht jeden Tag neu. Abbruchzeiten sind immer Aufbruchzeiten“, bekräftigt Kühmayer, die Chancen im Wandel zu sehen. „Unsere Pläne sind erschüttert und unsere Zukunft ist unklar – aber genau das bedeutet: Alles ist möglich.“

Trendforscher Franz Kühmayer
Trendforscher Franz Kühmayer © Raiffeisen KAG/Goran Andric

Basis schaffen

So ist es auch möglich, die Mitarbeitenden in eine ungewisse Zukunft mitzunehmen, sagen Hannes Cizek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Raiffeisen KAG, Heike Arbter, verantwortlich für das Geschäft der Raiffeisen Zertifikate bei der Raiffeisen Bank International (RBI), und Manfred Quehenberger, Mitglied der Geschäftsführung des Raiffeisenverbandes Salzburg (RVS). 

Dazu brauche es jedenfalls eine Vision und eine Strategie mit klaren Zielen, betont Quehenberger, „aber auch die Flexibilität für Anpassungen“. Der Weg nach vorne müsse unbedingt klar und transparent kommuniziert werden, ist Arbter überzeugt: „In jedem Veränderungsprozess ist es wichtig, die positiven Seiten der Veränderungen verständlich zu machen.“ Dazu gilt es, ein wertschätzendes Umfeld zu schaffen, das die Mitarbeitenden motiviert und ihre Leistungsbereitschaft fördert, so Cizek. Nur ein gutes Team schaffe die Basis, um dem Raiffeisen-Kundenversprechen der höchstmöglichen Qualität gerecht zu werden. „Unser Credo und unsere wichtigste Aufgabe sind es, mit unseren Kunden auf Augenhöhe zu agieren und ihnen einen Mehrwert zu bieten“, unterstreicht Quehenberger. Die Omnikanal-Strategie von Raiffeisen biete dafür einen optimalen Ausgangspunkt, der die gelebte Nähe zum Kunden und den technologischen Fortschritt miteinander verknüpft. 

Moderator Georg Soustal spricht mit Manfred Quehenberger (RVS), Heike Arbter (Raiffeisen Zertifikate) und Hannes Cizek (Raiffeisen KAG) über den Weg in eine ungewisse Zukunft. © Raiffeisen KAG/Goran Andric
Moderator Georg Soustal spricht mit Manfred Quehenberger (RVS), Heike Arbter (Raiffeisen Zertifikate) und Hannes Cizek (Raiffeisen KAG) über den Weg in eine ungewisse Zukunft. © Raiffeisen KAG/Goran Andric

Neue Normalität

In der Verknüpfung von Tradition und Innovation sieht auch Ulrich Hoyer, Partner bei „zeb Consulting“, enorme Chancen, allerdings bergen die aktuellen Rahmenbedingungen neue Herausforderungen. „Einlagen haben durch das veränderte Zinsumfeld nachhaltig an Bedeutung gewonnen“, weiß Hoyer. Das Ertragspotenzial im Einlagengeschäft liege für Österreichs Banken bei ungefähr 3,2 Mrd. Euro, so das Ergebnis der „zeb-Privatkundenstudie“. „Darum muss man sich kümmern“, fordert der Experte. Die Sparbeträge der Österreicher sind nach wie vor hoch und liegen bei monatlich etwa 300 Euro pro Kopf. Aber nur rund 40 Prozent sind zufrieden mit ihrem Sparbetrag, das heißt, 60 Prozent wollen eigentlich mehr zur Seite liegen. Gleichzeitig steigt das Interesse an Wertpapieren und neuen Assetklassen wie Krypto. 

„Das Wertpapiergeschäft ist das ‚new normal‘ und wird immer mehr mit dem täglichen Leben vernetzt“, sagt Hoyer: „Wertpapierhandel ist vollständig digitalisiert und über alle Kanäle verfügbar. Das Investieren von Kleinstbeträgen wird Normalität und Bestandteil des Alltags.“ Niederschwellige Angebote von Banken oder Online-Brokern fördern so die Auseinandersetzung mit dem eigenen finanziellen Leben.

„All diese Rahmenbedingungen schreien nach Beratung“, bekräftigt Hoyer. Die verschiedenen Kundengruppen und ihr Nutzungsverhalten werden jedoch individueller. „Die Leute agieren aufgrund der Digitalisierung und Trends anders“, betont der Experte. Neben den rein digitalen Kunden und den Offline-Kunden machen vor allem die hybriden Kunden, also jene, die die Vorteile der Digitalisierung nutzen wollen, aber auch die persönliche Beratung schätzen, den Großteil aus.

Ulrich Hoyer auf der Bühne bei der Vermögensberatertagung 2025 in Salzburg
Ulrich Hoyer © Raiffeisen KAG/Goran Andric

Adäquate Ansprache

Besonders herausfordernd werde die Ansprache der jungen Zielgruppe. Diese ist zwar besonders digital-affin, verfügt in der Regel aber über wenig Finanzwissen und Investitionsvolumen. Die klassische Beratung wird eher abgelehnt. „Hier müssen Banken neue Zugänge finden, um diese Zielgruppe richtig anzusprechen, ansonsten ist sie fort“, betont Hoyer. Als Berater müsse man zugänglich sein und auch eine Meinung zu neuen Assetklassen haben. Denn nur durch eine bedürfnisorientierte Ansprache und Betreuung heute könne eine langfristige Beziehung mit einem attraktiven Kunden von morgen aufgebaut werden. 

Moderne Applikationen, super Nutzungserlebnis, gute Konditionen und Performance haben alle anderen auch. Unterscheiden könne man sich durch eine adäquate Kommunikation und Beziehungen auf Basis von Werten und Vertrauen. Hier profitiere die Marke Raiffeisen vom bestehenden Vertrauensvorschuss der Kunden. Nichtsdestotrotz ist Anpassungsfähigkeit an die neuen Marktgegebenheiten gefragt, um wirklich jede Geschäftschance nutzen zu können, mahnt Hoyer. 

Positiver Trend

Dass es noch Potenziale zu heben gibt, bestätigt Hannes Cizek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Raiffeisen KAG. Die Wertpapierdepot-Durchdringung lag bei Raiffeisen im Jahr 2024 bei etwa 15 Prozent. Es zeigt sich über die letzten beiden Jahre zwar ein positiver Trend, dieser sei aber marginal. Trotz des Aufholbedarfs zeigt sich Cizek zuversichtlich: „Es gibt Initiativen auf Bundes- und Landesebene, und der Dialog läuft sehr gut.“ Besonderes Augenmerk setzt man auf den digitalen Wertpapiervertrieb. Zudem soll verstärkte Kommunikation und Marketing die Sichtbarkeit des Themas erhöhen. 

Raiffeisen Österreich zählte 2024 rund 580.000 Wertpapierkunden. Das Wertpapiervolumen hat sich gut entwickelt und lag bei rund 43 Mrd. Euro. „Das liegt vor allem an den Kurszuwächsen im vergangenen Jahr“, kommentiert Cizek. Etwa die Hälfte des Volumens entfällt auf Fonds, rund 3,5 Mrd. Euro auf Zertifikate. Der Rest des Volumens teilt sich zu gleichen Teilen auf Aktien-Einzeltitel und Anleihen auf. 

Besonders stolz sei man auf den steilen Anstieg bei „WILL“, ein Angebot zur automatisierten, digitalen Vermögensverwaltung. Die Anzahl der Verträge hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt – auf ein Volumen von rund 400 Mio. Euro. Ebenso erfreulich aus Sicht der Raiffeisen KAG sind die wieder gestiegenen Fondssparer und die deutlich höhere Ansparrate.

Philipp Arnold bei der Vermögensberatertagung 2025 in Salzburg
Philipp Arnold © Raiffeisen KAG/Goran Andric

Optimale Anknüpfung

Dass das Interesse an Wertpapieren in der Bevölkerung steigt, insbesondere bei den jüngeren Leuten, spürt auch Philipp Arnold, Head of Sales & Marketing bei Raiffeisen Zertifikate: „Der Pfad ist sehr positiv und das Umfeld gibt uns Rückenwind. Jetzt gilt es, aktiv zu werden und dieses Potenzial zu erschließen.“ 

Die Entwicklung im Zertifikate-Geschäft bei Raiffeisen erreichte 2024 ein Rekordniveau. Der Neuabsatz stieg auf rund 973 Mio. Euro, seit dem Jahr 2020 ein Anstieg um 66 Prozent. Dementsprechend ist das ausstehende Volumen auf 3,9 Mrd. Euro angestiegen und hat sich im selben Zeitraum fast verdoppelt. Der Anteil im Depotvolumen ist seit 2020 um 43 Prozent auf 9,4 Prozent gestiegen. „Summa summarum eine sehr erfreuliche Entwicklung im Zertifikat-Bereich“, freut sich Arnold. Davon profitieren auch die Raiffeisenbanken: So ist seit dem Jahr 2020 die Wertschöpfung um 77 Prozent auf 33 Mio. Euro gestiegen. „Je mehr abgesetzt wird, desto stärker wird der Ertrag aus dem Zertifikate-Geschäft mit ansteigen.“

Die nächste große Chance liege in der Wiederveranlagung der bevorstehenden Tilgungsvolumina. 2025 stehen rund 270 Mio. Euro an Tilgungen von Kapitalschutz- und Bonus&Sicherheit-Zertifikaten bevor. 2026 sind es schon fast 700 Mio. Euro. „Positive Tilgungen bieten die Möglichkeit im Spiel zu bleiben und sind ein optimaler Anknüpfungspunkt für erfolgreiche Beratungsgespräche“, ist Arnold überzeugt. Seitens Raiffeisen Zertifikate wird deshalb daran gearbeitet, die Vermögensberater noch besser im Kundenkontakt zu unterstützen.

Individuelle Pflege

Um die Chancen einer noch unklaren Zukunft zu nutzen, ist aktives Kundenbeziehungsmanagement der Schlüssel zum Erfolg. Damit Beziehungen langfristig und nachhaltig bestehen, müssen sie auch individuell, den Bedürfnissen und unterschiedlichen Kanälen entsprechend, gepflegt werden. Gerade Raiffeisen sei mit der Omnikanalstrategie prädestiniert dafür, wie Heike Arbter bekräftigt: „Gute digitale Lösungen werden das persönliche Gespräch nicht ersetzen, aber eine Koexistenz wird die Zukunft sein.“

AusgabeRZ15-2025

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