Von Neugier-Boostern, AQ und Teilöffentlichkeiten

Das Funktionärsforum lieferte wertvollen Input über Zukunftskompetenzen für Spitzenfunktionäre.

Nicht nur aufgrund der ständig steigenden Anforderungen seitens der Aufsicht müssen Spitzenfunktionäre laufend in ihre Weiterbildung investieren, um die Entwicklung ihrer Raiffeisenbank aktiv mitgestalten zu können. Das Funktionärsforum des Raiffeisen Campus bietet hier jedes Jahr eine gute Plattform, als Eigentümervertreter in Verbindung zu bleiben, Perspektiven durch neues Know-how von Fachexperten zu eröffnen und so einen Wissenstransfer in die eigene Genossenschaft zu ermöglichen. 

So haben auch heuer wieder rund 80 Spitzenfunktionäre mit hochkarätigen Referenten und aktuellen Fallstudien aus dem Raiffeisensektor ihr rechtliches und wirtschaftliches Know-how auf den letzten Stand gebracht und gleichzeitig ihr sektorweites Netzwerk im Kreis der Spitzenfunktionäre erweitert. Neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren für genossenschaftliche Raiffeisenbanken standen aktuelle Entwicklungen und strategische Projekte innerhalb der Raiffeisen Bankengruppe, Einblicke in konkrete Projekte aus Raiffeisenbanken sowie Inputs aus Referaten über Zukunftskompetenzen und den Wandel in der Gesellschaft im Fokus der Veranstaltung.

Neugier und Anpassungs-IQ

Neugier und Anpassungsintelligenz gehören zu unseren wichtigsten Zukunftskompetenzen. Neugier sei sogar die Grundvoraussetzung für Veränderung und Innovation, ist Carl Naughton, Linguist, pädagogischer Psychologe, ausgebildeter Schauspieler und Dozent, überzeugt. Denn neugierige Menschen seien offener für neue Erfahrungen, lernen schneller, arbeiten gewissenhafter, haben mehr positive soziale Erlebnisse, sind erfolgreicher und leben länger. „Neugierige Menschen haben mehr Ideen, werden sympathischer wahrgenommen und haben mehr Freunde“, fasst er zusammen. 

Naughton beschreibt in seinem Referat beim Funktionärsforum aber auch Neugierhemmnisse, u.a. den Wunsch, Unsicherheit möglichst schnell loszuwerden. Dieser führt dazu, die Suche nach neuen Informationen früh zu beenden und in Stereotypen zu denken. Aber die gute Nachricht lautet: Neugier ist auch erlernbar. Daher sei es für Führungskräfte wichtig, sicherzustellen, dass Neugier vorhanden ist. Dies erfordere eine „Kultur des Fragens“ und „Interesse mit Wissenslücken“. 

Gerade in unserer schnelllebigen Zeit sei auch eine schnelle Anpassungsfähigkeit wichtig, um erfolgreich zu bleiben, unterstreicht Naughton. Die Technologie habe sich schneller als je zuvor weiterentwickelt; Algorithmen können selbständig Entscheidungen treffen. „Denken ist gefragt. Umdenken erst recht“, weiß der Experte und betont: „Wenn sich das WAS ändert, müssen wir das WIE ändern.“ Daher sei die Anpassungs-Intelligenz („AQ“) jenes Werkzeug, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. „Anpassungsfähigkeit kann der Faktor X sein, der uns zum beruflichen Erfolg führt“, ist Naughton überzeugt. Mit „situativem Gespür, entengtem Denken und Proaktivität“ sei es möglich, die eigene Anpassungs-Intelligenz zu stärken und „vom Hadern ins Handeln zu kommen“.  

Gesellschaft im Wandel

Über die „komplexe und komplizierte“ Thematik der österreichischen Gesellschaft im Wandel referierte der österreichische Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Dabei sieht er Konfliktlinien in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, „die jetzt schon da sind und sich bis 2050 noch verschärfen werden“. So werde sich der Generationenkonflikt – ein Drittel der Wahlberechtigten ist in Pension oder älter als 60 Jahre – ebenso weiter zuspitzen wie die großen Bildungsdifferenzen in Österreich. Auch die Gegensätze reich/arm, öffentlich/privat oder mehr/weniger Staat würden sich weiter verschärfen. 

An Zukunftsthemen sieht Filzmaier die Leistungs- oder Verteilungsgerechtigkeit auf Österreich zukommen sowie das „Megathema“ Migration. Problematisch sieht der Experte auch die wirtschaftliche Planung, denn „der Markt ist schnell, die Demokratie langsam“ und die Wirtschaftsbildung sei „am Nullpunkt“ angekommen. Zudem erwarte man gerade von jenen Menschen (Politikern) wirtschaftspolitische Lösungen, denen man am meisten misstraut, wie der Vertrauensindex regelmäßig zeigt. 

Eine Herausforderung werde auch das „Mediendilemma“ werden, zumal die Generation Y Wirtschaft ganz anders sieht und lernt – nämlich über Snapchat oder TikTok –, als dies bei früheren Generationen der Fall war, so Filzmaier. Denn jeder fühle sich mittlerweile wie sein „eigener Chefredakteur“ und kommuniziere „in Blasen und Teilöffentlichkeiten“ mit „Friends“ oder „Followern“. Darüber hinaus nehmen „Fake News“ als alternative Wahrheiten zu. 

Kein Selbstzweck

Einen Überblick über die Schwerpunkte im Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) lieferte dessen Generalsekretär Johannes Rehulka. „Wir haben nicht nur viel vor im ÖRV, wir wollen auch zeigen, was Raiffeisen in Österreich leistet“, sprach Rehulka den für Anfang Dezember geplanten Wertschöpfungsbericht an, der erstmals den Banken- und den Warenbereich umfassen wird und damit ein Gesamtbild darstellt, welchen volkswirtschaftlichen Beitrag Raiffeisen in Österreich leistet. 

Johannes Rehulka beim Funktionärsforum
Johannes Rehulka will mit seinem Team Nutzen für die Mitglieder des ÖRV stiften. © Sabine Klimpt

Inhaltliche Schwerpunkte im ÖRV seien aktuell das Thema Nachhaltigkeit, wo über die wieder im ÖRV angesiedelte Raiffeisen Nachhaltigkeitsinitiative (RNI) „die Kräfte stärker gebündelt“ werden, sowie das Thema Genossenschaft, wo vor allem junge Leute über einen eigenen Genossenschaftspreis, den Genius Award, angesprochen werden sollen. Auch das Thema Mitgliedschaft werde künftig forciert, kündigte Rehulka an und betonte: „Der ÖRV ist kein Selbstzweck. Wir wollen Nutzen für unsere Mitglieder stiften. Nur wenn unsere Kunden, also unsere Mitglieder, zu 100 Prozent zufrieden sind, dann bin ich es auch.“ Wichtig dabei sei auch der Wissenstransfer aus dem ÖRV in Richtung ÖRV-Mitglieder. Um diesen zu fördern, seien neue Veranstaltungsformate (Am Puls der Regulierung, Impulse) ins Leben gerufen worden. 

Praxiseinblicke

Der zweite Tag beim Funktionärsforum steht immer im Zeichen eines Erfahrungsaustausches in Form von Workshops. Das Thema lautete heuer: Mitgliedermanagement – und das in allen seinen Facetten. Ronald Mayrhofer, Geschäftsführer der Fachoptiker eGen, berichtete über die Leistungen der Genossenschaft für die rund 80 Mitglieder. Dem monetären Vorteil über den Gruppeneinkauf stehen zum Beispiel PR-Unterstützung, Schulungen und gemeinsame Exkursionen zur Seite. Bis 2030 möchte die Genossenschaft auf 200 Mitglieder wachsen.

Der Workshop der Raiffeisenbank Untersberg zeigte mit dem „Nachhaltigkeitspreis TERO“ nicht nur eine inspirierende Idee, sondern auch die Vielfalt des Engagements für das Thema Mitgliederförderung. Die Projekte können von Menschen oder Unternehmen, die in der Region verwurzelt sind, eingereicht werden und werden in der Generalversammlung vorgestellt. In welcher Reihenfolge die Preise verteilt werden, bestimmen die Mitglieder der Generalversammlung demokratisch. 

Auf digitaler Basis via App werden zukünftig alle Mitglieder der Raiffeisen Regionalbank Hall in Tirol eingeladen, basisdemokratisch mitzubestimmen. Weiters soll das Prinzip der Nachhaltigkeit, im Sinne der ESG-Richtlinien, sowohl in der Beziehung mit den Mitarbeitenden als auch in der Kundenbeziehung belebt werden. „Wir denken unsere Führungsthemen neu – und leben kollegiale und kooperative Führung in unserer Bank, dies ganz im Sinne unserer Vision: Mit Menschen Menschen begeistern. Da geht jeder gerne hin“, so Vorstand Peter Grassl und AR-Vorsitzender Josef Graber.

AusgabeRZ47-2023

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