Rangnicks WM-Formel: 2-4-6

Der Moment, auf den die österreichischen Fans seit mehr als 27 Jahren warten, ist gekommen: Mit zwei passenden Ergebnissen gegen Zypern und Bosnien-Herzegowina kann sich das ÖFB-Team wieder für eine WM qualifizieren.

Lange wurde darauf hingefiebert, jetzt muss geliefert werden. Wenn die ÖFB-Elf am Samstag auf Zypern (18 Uhr, live auf ORF1) und am Dienstag gegen Bosnien-Herzegowina (20.45 im Ernst-Happel-Stadion, live auf Servus TV) antritt, geht es um nicht weniger als die erstmalige Qualifikation für eine WM-Endrunde seit 1998. Dabei ist die Ausgangslage durchaus günstig, weswegen Teamchef Ralf Rangnick schon mal seine ganz persönliche WM-Formel präsentiert hat. „Unser Motto lautet: 2-4-6! Holen wir eine dieser Punktzahlen aus den beiden Partien, ist uns Platz eins und das direkte Ticket nicht mehr zu nehmen.“ Was das konkret bedeutet, wird etwas später erläutert. Wir präsentieren fünf Mutmacher, warum die historische Mission gelingen wird.

Die Ausgangslage: 

Österreich geht als Tabellenführer der WM-Quali-Gruppe H in die letzten beiden Runden, hat zwei Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger Bosnien und fünf auf die drittplatzierten Rumänen. Genau hier kommt Rangnicks 2-4-6-Formel ins Spiel: Mit zwei Punkten aus zwei Unentschieden könnte Bosnien, das in dieser Konstellation maximal vier Punkte holen würde, nicht am ÖFB-Team vorbeiziehen. Denn dann hätten beide Mannschaften 17 Zähler auf dem Konto, die Tordifferenz, die bei FIFA-Bewerben mehr zählt als der direkte Vergleich, spräche dank des 10:0-Kantersieges über San Marino eindeutig für Österreich. Es sei denn, Bosnien schlägt in seinem vorletzten Spiel Rumänien mit mehr als acht Toren Differenz – ein unrealistisches Szenario. 

Bei vier und sechs Punkten wäre Österreich ebenfalls nicht mehr einzuholen, bei drei dagegen theoretisch schon. Nämlich dann, wenn Österreich die drei Zähler auf Zypern holt und Bosnien seine beiden Spiele gewinnt. Dann wäre Österreich Zweiter und müsste im Frühjahr Play-off-Spiele um die Teilnahme bestreiten. Ein Szenario, das alle Beteiligten unter allen Umständen verhindern möchten. Verrückt: Bei entsprechenden Ergebnissen der anderen Spiele könnte sich das ÖFB-Team sogar mit zwei Niederlagen das WM-Ticket sichern. Aber darauf wird es niemand ankommen lassen. Fakt ist aber: Rangnicks Team hat es komplett in der eigenen Hand und ist nur dann auf andere angewiesen, wenn man selbst die nötigen Punkte nicht holt.

Die Bilanzen: 

Gegen Zypern ist Österreich insgesamt achtmal angetreten, siebenmal ging das rot-weiß-rote Team dabei als Sieger vom Platz. Lediglich bei einem freundschaftlich ausgetragenen Turnier 2005 gewann Zypern mit 6:5 nach Elfmeterschießen. Aber Vorsicht: In der aktuellen Kampagne gelang in Linz nur ein mühevoller 1:0-Erfolg, der noch dazu durch einen schmeichelhaften Elfmeter zustande kam. „Zypern versucht bei Heimspielen immer, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen“, warnt Rangnick. Und verweist auf durchaus beachtliche Ergebnisse wie die beiden 2:2 gegen Bosnien und Rumänien, die jeweils nach 0:2-Rückstand eingefahren wurden. Rangnick: „Da kommen ihnen die hohen Temperaturen, die tagsüber auch jetzt noch bei 30 Grad liegen können, entgegen.“ 

Gegen Bosnien ist die Bilanz nicht ganz so eindeutig, in fünf Begegnungen gab es zwei Siege, zwei Remis und eine Niederlage. Wobei die Österreicher gerade beim 2:1-Sieg im Hinspiel eine äußerst reife Leistung zeigten und sich weder vom Druck noch von der Kulisse ins Bockshorn jagen ließen. 

Die Form der Leistungsträger: 

Spiele wie diese sind nur schwer mit den gängigen Maßstäben zu messen, da es nicht nur auf das fußballerische Vermögen, sondern auch stark auf die mentale Verfassung ankommt. Viele Leistungsträger des ÖFB-Teams kommen jedenfalls mit einer mächtig breiten Brust zu den beiden Spielen. Konrad Laimer gilt bei den Bayern als einer der Shootingstars der Saison, Christoph Baumgartner agiert bei RB Leipzig in der Form seines Lebens und steht bereits bei sieben Toren in Liga und Pokal. „Letzte Saison hatten Spieler wie Baumgartner oder Niki Seiwald Phasen, in denen sie gar nicht gespielt haben“, sagt Rangnick. „Da ist es mir zehnmal lieber, wenn sie mit viel Selbstvertrauen kommen, wie es aktuell der Fall ist.“ 

Größtes Sorgenkind auf österreichischer Seite ist Kapitän David Alaba, der sich erneut an der Wade verletzt hat, im Spiel gegen Zypern aber ohnehin mit einer Gelbsperre gefehlt hätte. Bei ihm hofft Rangnick, dass es sich für Bosnien ausgehen könnte.

„Auch für mich könnte es die letzte Chance sein, bei einer Weltmeisterschaft auf der Bank zu sitzen.“

Ralf Rangnick

Die Motivation: 

Generell sollte jede Fußball-Mannschaft, die am Spieltag den Rasen betritt, motiviert sein. Bei den Österreichern kommen aber noch ein paar spezielle Komponenten dazu. „Wir haben Spieler im Kader, für die es die allerletzte Chance in ihrer Karriere ist, zu einer WM zu fahren“, sagt Rangnick mit Blick auf verdiente Akteure wie Marko Arnautovic oder David Alaba. Andere wiederum, wie Christoph Baumgartner oder Niki Seiwald, waren noch gar nicht auf der Welt, als Österreich letztmals bei einer WM mitspielte. Und auch der Teamchef ließ im Vorfeld einen persönlichen Gedanken zu: „Auch für mich könnte es die letzte Chance sein, bei einer Weltmeisterschaft auf der Bank zu sitzen.“ Gründe genug, um auf der Zielgeraden der Qualifikation nochmal alles in die Waagschale zu werfen, um es zum Turnier in die USA, Mexiko und Kanada zu schaffen.

Die Aufbruchstimmung: 

Die Gemütslage rund um den ÖFB ist derzeit so positiv wie lange nicht. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Josef Pröll hat mit seiner professionell-ruhigen Art dafür gesorgt, dass alle an einem Strang ziehen und alles dem sportlichen Erfolg untergeordnet wird. Und mit der Eröffnung des neuen ÖFB-Campus in der Seestadt ist nicht weniger als ein Meilenstein gesetzt worden, von dem der Verband und all seine Mannschaften lange profitieren werden. Dass seit der Amtsübernahme von Ralf Rangnick die Mannschaft nicht nur weitgehend erfolgreich, sondern auch attraktiv spielt, tut sein Übriges. „Lassen Sie uns gemeinsam anpacken. Mit Freude, mit Respekt und mit Leidenschaft werden wir die kommenden Aufgaben angehen – auf dem Weg zur WM 2026 und weit darüber hinaus“, appellierte Pröll jüngst an die Fußball-Nation. 

Gelingt in den kommenden zwei Partien der WM-Coup, wird er dabei auf mehr als nur offene Ohren stoßen.

AusgabeRZ46-2025

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