Rücksetzer im Außenhandel

Nach dem Einbruch bei den Warenexporten im Vorjahr wird für 2025 und 2026 nun eine moderate Erholung der österreichischen Exportwirtschaft prognostiziert. Die jüngsten Eskapaden in der Handelspolitik der USA drücken aber auf die Stimmung und könnten zu einem ausgeprägten Handelskonflikt führen.

2024 erlitt der österreichische Außenhandel einen deutlichen Rückgang. Die Warenexporte brachen um 4,9 Prozent oder knapp 10 Mrd. Euro auf 191 Mrd. Euro ein, geht aus den vorläufigen Zahlen der Statistik Austria hervor. 2023 hatte der Außenhandel noch um rund 3 Prozent auf etwas über 200 Mrd. Euro zugelegt. Wichtigstes Exportland für die heimische Wirtschaft war auch im Vorjahr Deutschland mit einem Exportvolumen von 56,76 Mrd. Euro (-2,9 Prozent), gefolgt von den USA mit 16,23 Mrd. Euro (+10,1 Prozent) und Italien mit 11,7 Mrd. Euro (-4,9 Prozent).

Stärker als die Exporte gingen die Importe mit einem Minus von 6,7 Prozent auf 189,26 Mrd. Euro im Jahresvergleich zurück. Auch hier führt Deutschland die Liste der wichtigsten Partner mit 61,2 Mrd. Euro (-5,4 Prozent) an. Dahinter folgen China mit 15,5 Mrd. Euro (+2,5 Prozent) und Italien mit 12,27 Mrd. Euro (-5,7 Prozent). Zwei Drittel des gesamten österreichischen Außenhandels wurden mit den EU-Staaten abgewickelt, der Rest entfällt auf Drittstaaten. Aus den EU-Ländern importierte Österreich Waren im Wert von 125,8 Mrd. Euro (-4,2 Prozent). 

Der Wert der in diese Länder exportierten Waren verzeichnete mit minus 6,8 Prozent eine Abnahme gegenüber 2023 auf fast 128 Mrd. Euro. Dass Österreich erstmals seit 2007 wieder einen Überschuss im Außenhandel erzielt hat, ist angesichts der zunehmenden Herausforderungen wie dem wachsenden Protektionismus und der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit nur ein schwacher Trost. Der Überschuss lag im Vorjahr bei 1,74 Mrd. Euro. Zum Vergleich: 2023 erzielte Österreich ein Außenhandelsdefizit von 2,02 Mrd. Euro.

„Vehemenz von Trump unterschätzt“

Eine systematische Analyse des österreichischen Außenhandels lieferte der „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ (FIW) in seinem mittlerweile 6. Jahresgutachten. Bei der Präsentation der Ergebnisse ging Co-Autor Robert Stehrer, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), gleich am Anfang seiner Ausführungen auf die neue Handelspolitik der USA ein: „Wir haben eindeutig die Vehemenz unterschätzt, mit der US-Präsident Donald Trump seine Handelspolitik durchsetzt.“ Trump habe ein Konvolut an nicht konsistenten Maßnahmen erlassen. So sei etwa die Kaskade der angekündigten und zum Teil bereits in Kraft getretenen Zölle kontraproduktiv, weil sie preistreibende Effekte nach sich ziehe. Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge könnte die Zollpolitik des US-Präsidenten die europäische Wirtschaft rund 0,2 Prozentpunkte Wachstum kosten – „das hängt aber stark von der genauen Ausgestaltung und den Gegenmaßnahmen ab“, so Stehrer. Für heuer wird ein Wachstum der EU von 1 Prozent erwartet. Der Handel zwischen den USA und Europa stehe immerhin für rund 30 Prozent des gesamten Welthandels. 

Überraschend einig sind sich laut dem wiiw-Experten die Ökonomen bei der Einschätzung der neuen US-Handelspolitik, die zu einem stärkeren Einkommensverlust in den USA als etwa in Europa führen dürfte. „Durch die Maßnahmen und Gegenmaßnahmen wird das regelbasierte System gefährdet“, betont Stehrer. Dazu zählt er vor allem die Welthandelsorganisation (WTO), die für 98 Prozent des globalen Handels steht. „Seit dem Amtsantritt von Donald Trump gibt es keine Sicherheiten mehr – weder in wirtschaftspolitischer noch in handelspolitischer oder geopolitischer Hinsicht“, konstatiert der Ökonom.

Diese herausfordernde US-Handelspolitik erfolgt vor dem Hintergrund eines relativ schwachen Wachstums der Weltwirtschaft von 2,7 Prozent im Vorjahr. Auf diesem Niveau sollte es auch heuer und im kommenden Jahr weitergehen. Zum Vergleich: 2022 und 2023 hatte das globale Wirtschaftswachstum noch 3,2 bzw. 2,8 Prozent betragen. Vor allem die EU habe eine Wachstumsschwäche, die man besonders in Österreich und Deutschland spüre, so Stehrer. Beide Länder befinden sich seit über zwei Jahren in einer Rezession. So schrumpfte die heimische Wirtschaft im Vorjahr vorläufigen Zahlen zufolge um 1,2 Prozent. 

GRAFIK: Österreichs Top-10-HandelspartnerländerStatistik Austria - Vorläufige Zahlen der Warenexporte 2024

Tal durchschritten

Die positive Nachricht aus dem Gutachten ist, dass der Tiefpunkt im Außenhandel nach Einschätzung der Experten bereits hinter uns liegen dürfte, denn für 2025 und 2026 wird eine leichte Belebung des österreichischen Außenhandels erwartet. Die preisbereinigten Warenexporte dürften 2025 um 1,5 Prozent und 2026 um 2,0 Prozent zulegen. Das Gesamtexportwachstum wird auf 1,4 Prozent für 2025 und 2,3 Prozent für 2026 prognostiziert. Und auch für die realen Gesamtimporte von Waren und Dienstleistungen wird ein Wachstum von 1,7 Prozent im Jahr 2025 und 2,3 Prozent im Jahr 2026 erwartet. Diese Zahlen seien aber mit Vorsicht zu genießen, da die Abwärtsrisiken der Prognose zuletzt deutlich zugenommen haben, warnt die Co-Autorin des Gutachtens und Wifo-Ökonomin Elisabeth Christen.

Sie führt die österreichische Exportschwäche auf mehrere Ursachen zurück: „Die höheren Energiepreise und die Lohnsteigerungen der letzten Jahre haben die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exporteure sowohl im Waren- als auch im Dienstleistungshandel geschmälert.“ Belastend wirke auch die Rezession der deutschen Industrie, die eine wichtige Rolle für die österreichische Wirtschaft spiele. Dazu kommen eine trübere Stimmung der Exporteure, eine geringe Dynamik und zunehmende Fragmentierung im Welthandel auch als Folge der immer stärker werdenden protektionistischen Maßnahmen. So beurteilen noch 42 Prozent der österreichischen Exporteure die Auslandsaufträge als ausreichend. Der langjährige Schnitt liegt mit 62 Prozent deutlich darüber. Der Welthandel orientiere sich zusehends an der geopolitischen Blockbildung zwischen West und Ost, betont die Wifo-Expertin. Dieses Gesamtbild habe zu Verlusten von Marktanteilen am globalen Handel geführt. 

Die USA, der für Österreich nach Deutschland zweitwichtigste Exportmarkt, könnten als „Wachstumsstütze“ wegbrechen – noch bevor sich das „Zugpferd“ Deutschland wirtschaftlich erholen konnte, erklärt Christen. Und es gibt wenig Hoffnung auf Besserung, denn die geopolitischen Herausforderungen würden „nicht weniger“ werden. Diese zahlreichen Herausforderungen lassen tendenziell keinen „raschen konjunkturellen Aufschwung“ für die heimische oder die europäische Wirtschaft erwarten, sagt Christen.

Ähnlich sieht es auch Raiffeisen Research in einer aktuellen Analyse über die österreichischen Konjunkturaussichten. Ein nennenswerter Rückenwind für die österreichische Konjunktur ohne eine spürbare Belebung der deutschen (Industrie-)Konjunktur sei nicht absehbar. Zudem würde Österreich angesichts der strukturellen Wachstumsbremsen bzw. geringeren internationalen Wettbewerbsfähigkeit von einer Belebung der deutschen bzw. europäischen Konjunktur weit weniger profitieren als in früheren Jahren. Die Raiffeisen-Experten weisen darauf hin, dass Österreich bereits seit einiger Zeit gesamtwirtschaftlich schlechter abschneidet als relevante Vergleichs­ökonomien. Dieses strukturelle „Wachstums­problem“ könnte beim weiteren Ausbleiben von relevanten Reformschritten zur Achillesferse der neuen Regierungskoalition werden, warnt Raiffeisen Research. 

„Eisiger Gegenwind“

In der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sieht man das Exportmodell Österreichs unter massivem Druck geraten. „,Made in Austria’ steht auf der ganzen Welt für höchste Qualität und Innovationskraft. Österreichs rund 64.000 Exporteuren pfeift derzeit aber ein eisiger internationaler Wind entgegen. Aus wichtigen europäischen Absatzmärkten gehen nur geringe Nachfrageimpulse aus“, berichtet die stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel. Sie tritt angesichts dieser schwierigen Ausgangslage für eine weitere Diversifizierung im Außenhandel ein. Denn unter den zehn wichtigsten Exportmärkten Österreichs liegen acht in Europa. In diesen europäischen Top-Märkten verzeichneten die Ausfuhren im Vorjahr Rückgänge, insbesondere nach Deutschland (-2,9 Prozent) und Italien (-4,9 Prozent). Kühnel: „Trotz aller Herausforderungen wird es immer wichtiger, den Fokus auf Wachstumsmärkte in Übersee zu richten. Die Diversifizierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte gewinnt gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten an Bedeutung.“

Potenzial für die heimischen Exportstärkefelder ortet die Außenwirtschaft Austria in Indien oder Südostasien. Auch Japan rückt wegen der EXPO, die am 13. April in Osaka startet, in den Fokus. Zusätzliche Wachstumschancen liegen zudem in der Golfregion, in Südamerika (Brasilien) und auf afrikanischen Märkten, wie etwa Marokko. Hier konnten Österreichs Exporteure auch 2024 deutlich zulegen. Die USA bleiben für die Wirtschaftskammer trotz der neuen Handelspolitik weiterhin ein Schlüsselmarkt, allerdings mit neuen Herausforderungen. Seit dem Jahr 2005 sind die österreichischen Warenexporte in die USA um rund 203 Prozent gestiegen. Auch im Vorjahr gab es ein Plus von 10,1 Prozent auf 16,2 Mrd. Euro – ein neuer Rekordwert. Vor diesem Hintergrund wird der US-Markt nach wie vor als „ein aussichtsreicher Exportmarkt“ gesehen. 

AusgabeRZ11-2025

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