44 Sprachen und fast 400 Teilnehmer gingen für den diesjährigen mehrsprachigen Redewettbewerb des ORF an den Start. Am 16. Mai wurden die 30 besten Redner aus drei Kategorien ausgezeichnet – im Rahmen der festlichen Abschlussfeier von „Sag’s multi“ fanden sich Schüler samt Familien, Lehrer und weitere Begleiter und Unterstützer des Bewerbs im Wiener Rathaus ein.
Von den Speech offs ins Rathaus
397 Schüler ab der siebten Schulstufe hatten fünf- bis sechsminütige Reden für die Auditions eingereicht. Mit dabei waren alle Bundesländer sowie auch das benachbarte Südtirol. Im Wechsel von ihrer Muttersprache mit einer Zweitsprache (eine davon Deutsch) erzählten die Jugendlichen darin über Themen, die ihnen auf der Seele bzw. Zunge brennen – die Bandbreite reichte von Identität, Diversität und Demokratie über Klimagerechtigkeit, Schule, Mobbing bis zu Rassismus, mentale Gesundheit oder Menschen-, Frauen- und Kinderrechten. 177 Beiträge schafften es zu den Speech offs, bei denen die Teilnehmer ihre Rede in den ORF-Landesstudios bei einem Live-Auftritt vor Publikum vortrugen.
Sechs Redner durften das Publikum im Rathaus an ihren in Worte gefassten Gedanken teilhaben lassen. So auch Sviat Kolodii, 15 Jahre alt und Schüler in Wien. Er erzählte in seiner Rede „Wie viel Grenze braucht die Zukunft?“ in Deutsch und Ukrainisch über seine Familie, die im Krieg zerrissen worden ist. Seinen Vater und Bruder musste er bei der Flucht mit der Mutter zurücklassen. Nie hätte er sich vorstellen können, sein Haus, seinen Ort und schon gar nicht seine Familie zu verlassen. „Jetzt lebe ich in zwei Ländern“, erzählt der Bub und fragt vorsichtig: „Warum können wir nicht einfach zusammenleben?“ Sviat kennt die beängstigende Seite des Krieges, er wünscht sich eine Zukunft ohne Kampf und ist optimistisch: „Ich glaube, wir schaffen es.“
Sprache als Brücke
„Es interessiert uns sehr, was die Jugend bewegt“, betonte Lisa Zuckerstätter, Projektleiterin von Sag’s multi auf der Bühne. Wie viele zog auch sie den Hut vor den Jugendlichen, die sich auf das Podium stellen und ihre Gedanken mit den Zuhörern teilen.
Der 13-jährige Alexander Unger – mit internationalem Background und russischer Oma – sprach über das Verbindende von Sprachen. Damit er seine Oma besser versteht, hat er Russisch gelernt. Er ist überzeugt „Sprache ist mehr als nur Worte“, sie kann eine Brücke zwischen Menschen sein und verbinden. Und: „Jede Sprache singt ihr eigenes Lied.“
„Vielfalt ist unsere Stärke“, meinte auch die 16-jährige Henna Islamovic, deren Wurzeln in Ex-Jugoslawien liegen. Sie stellte die Frage an das Publikum: „Was, wenn wir alle auf der Welt gleich wären?“ Es wäre langweilig und eintönig, das Bunte und die Vielfalt würden fehlen.
Diesem Statement schloss sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der bereits zum fünften Mal den Ehrenschutz von Sag’s multi übernommen hat, in seiner Videobotschaft an: „Jeder Mensch besitzt das Recht auf die eigene Sprache. Und ihr sprecht gleich mehrere. Mehrsprachigkeit ist eine Superkraft. Mit ihr habt ihr etwas, das euch in eurem Leben viel bringen wird: Die Fähigkeit, Brücken zu bauen. Zwischen Kulturen, zwischen Menschen, zwischen Ideen.“
Hört zu!
Für jeden Menschen, aber besonders für Jugendliche ist es wichtig, dass sie gehört werden. Das Konzept des Wettbewerbs, der 2009 von Kommunikationsprofi Peter Wesely, ehemaligem Pressesprecher bei Raiffeisen, ins Leben gerufen worden ist, fordert das Publikum auf, aktiv zuzuhören. Gleichzeitig stärkt es das Miteinander und stellt die Chancen von Mehrsprachigkeit und Vielfalt in den Vordergrund.
Dem stimmte auch Clemens Niedrist, Generalsekretär der Raiffeisen Holding NÖ-Wien, die von Beginn an Partner und Förderer des Bewerbs ist, zu: „Als Raiffeisen NÖ-Wien sehen wir in Mehrsprachigkeit eine zentrale Zukunftskompetenz – im Berufsleben genauso wie im gesellschaftlichen Miteinander.“ Niedrist hat sich selbst bei den Speech offs vom Talent und der kreativen Vielfalt des Nachwuchses überzeugt: „Der Wettbewerb steht für gelebte Integration, gegenseitigen Respekt und die Kraft junger Stimmen. Genau diese Werte tragen auch wir bei Raiffeisen – und unterstützen das mit Überzeugung.“
Doch auch er hätte sich in jungen Jahren nicht auf eine so große Bühne getraut, wie er den Schülern verriet. Eine, die sich wie 177 weitere Schüler getraut und auch im Rathaus ihre Rede gehalten hat, ist Anna Schraufek. Die 16-Jährige erzählte vom kontinuierlichen Druck, dem Jugendliche ausgesetzt sind. Erwartungen von Eltern, Ermahnungen wegen des Handys, Lernstress in der Schule und sozialer Druck erzeugen ein Spannungsfeld, das extrem belastet. Die Anstrengungen reichen nie und die Anforderungen steigen ständig. „We try hard“, sprach sie für ihre Generation, die man gerne belächelt und der man oft nicht genügend Beachtung schenkt. Sie richtete ihren Appell „an alle Erwachsenen da draußen: Hören Sie zu, wenn Ihr Kind etwas erzählt!“