„Ich wollte alles hinschmeißen!“

Vor drei Jahren dachte Schwimmer Simon Bucher noch ans Aufhören, nun hat er sich – als erster Österreicher überhaupt – für Olympia 2024 in Paris qualifiziert. Doch zuvor kämpft der Delfin-Spezialist noch um eine Medaille bei der WM in seiner zweiten Heimat Japan.

Als die Raiffeisenzeitung Simon Bucher zum Zoom-Interview erreicht, befindet sich der gerade im Trainingslager im türkischen Belek. Wo sich Sonnenanbeter normalerweise am Strand aalen, stehen für den Schwimmer hammerharte Trainingseinheiten auf dem Programm. „Es ist extrem zach“, stöhnt der 23-Jährige zwischen zwei Einheiten. „Wir machen viel im Wettkampftempo, harte Sets mit voller Ausbelastung.“ Relaxen geht anders.

Doch Bucher weiß genau, wofür er sich quält. Er hat seine Ziele fest im Blick und einen genauen Plan, wie er sie erreichen kann. Das eine, die Olympischen Spiele 2024 in Paris, liegt noch ein Jahr in der Ferne. Das andere dagegen kommt bereits in einem Monat auf ihn zu: die Weltmeisterschaften in Fukuoka. Dort geht er über seine beiden Parade-Disziplinen an den Start, die 50 und die 100 Meter im Delfin-Stil, auch Schmetterling genannt. Und das mit der Ambition, eine Medaille abzugreifen. „Wenn man zu einem Großereignis fährt, sollte man das Ziel haben, etwas zu gewinnen“, sagt er. Und schiebt hinterher: „Was ich auf jeden Fall möchte, ist besser abzuschneiden als vor einem Jahr bei der WM in Budapest.“ Dort wurde er zwar Sechster, ein durchaus beachtlicher Erfolg. Aber aufgrund der geschwommenen Zeit beschlich ihn das Gefühl, dass sogar noch mehr in Form von Edelmetall drin gewesen wäre. Typischer Ehrgeiz eines Top-Sportlers.

Das Gute ist: Simon Bucher weiß genau, woran er arbeiten muss, um seine Chancen zu erhöhen. Denn auf den ersten 50 Metern kann er mit der Weltelite mithalten, bei der Tauchphase nach der Wende gibt es kaum jemanden, der ihm das Wasser reichen kann. „Mein größtes Potenzial habe ich auf den letzten 25 bis 35 Metern, da arbeite ich an meinen Steher-Qualitäten“, sagt er. Das ist der Teil des Rennens, der am meisten wehtut, bei dem man sich und seinen inneren Schweinehund überwinden muss. Oder wie der Tiroler es selbst ausdrückt: „Da geht es darum, den Schlusssprint zu überleben.“

Auf einer Welle der Euphorie

Was ihm beim anstrengenden Training hilft, ist die Tatsache, dass er jetzt schon weiß, beim großen Highlight im nächsten Jahr dabei zu sein. Seit er die Olympia-Norm über die 100 Meter im März in Edinburgh erst um 24 Hundertstel und dann sogar um eine halbe Sekunde unterbot, schwimmt Bucher auf einer Welle der Euphorie. „Ich denke bei jedem Training daran, das motiviert mich total“, sagt er. Dazu kommt, dass er zum Zeitpunkt der Qualifikation der erste Österreicher überhaupt war, der sich das Ticket für Frankreich sicherte. „Wenn ich daran denke, bekomme ich eine Gänsehaut.“

Die Ziele, die er sich für Paris steckt, sind ident mit denen bei der WM. Schließlich ist das Starterfeld ähnlich, die Konkurrenten somit dieselben. Der Amerikaner Caeleb Dressel zum Beispiel, der mit 49,45 Sekunden den Weltrekord über die Strecke hält. Oder der Ungar Kristof Milak, amtierender Europameister. Um sie zu besiegen, müsste Simon Bucher auf jeden Fall seinen eigenen österreichischen Rekord von 51,18 Sekunden unterbieten. Seine Einschätzung: „Die Dichte auf dieser Strecke ist enorm, es gibt aktuell eine Vielzahl an starken Schwimmern. Da kann es einigen Top-Athleten sogar passieren, dass sie Schwierigkeiten bekommen, sich für das Finale der besten Acht zu qualifizieren. Es geht darum, auf den Punkt in der besten Form zu sein.“

Dass er heute über solche Ziele sprechen und am Medaillen-Traum arbeiten kann, ist auch für ihn nicht selbstverständlich. Denn es ist gerade einmal gut drei Jahre her, als er eigentlich alles hinschmeißen und die Badehose an den Nagel hängen wollte. Die Fortschritte mäßig, die Großereignisse in weiter Ferne. Und wäre seine Mutter nicht so hartnäckig gewesen, der Schwimmer Bucher wäre bereits Geschichte. „Sie hat mich motiviert und gesagt, dass sie mich unterstützt, wenn ich woanders nochmal einen Neuanfang machen möchte. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.“

Voraussetzungen für Höchstleistungen

Also wechselte er von seiner Heimat Innsbruck nach Oberösterreich zum ASV Linz. „Für mich eine ganz neue Welt“, sagt Bucher. „Man steigt hier beim Olympiazentrum aus dem Becken und kann sofort eine Massage haben oder zur Physiotherapie gehen. Ernährungsberatung oder psychologische Betreuung gehören genauso zum Repertoire. Das war vorher nur möglich, wenn man sich selbst darum gekümmert hat.“ Der größte Unterschied ist aber, dass es überhaupt ein 50-Meter-Becken gibt. Für Schwimmer auf diesem Niveau eine unabdingbare Voraussetzung, um ihre Höchstleistungen zu erreichen. „Nach acht Monaten in Linz habe ich mich für die Olympischen Spiele in Tokio qualifiziert. Da habe ich gewusst, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“ Auch wenn es „nur“ zu Platz 37 gereicht hat – die Erfahrungen, die er als 21-Jähriger beim größten Sportevent der Welt sammelte, sind äußerst wertvoll und sollten ihm nächstes Jahr hilfreich sein.

Über den ASV Linz, für den auch Top-Athleten wie Bernhard Reitshammer, Alexander Trampitsch oder Lena Kreundl an den Start gehen, wird er von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich gesponsert. Nach einem Einzel-Hauptsponsor ist er derzeit noch auf der Suche, was in Zeiten der Krise kein leichtes Unterfangen ist. Da wäre ein gutes Abschneiden bei der WM in Fukuoka sicher ein starkes Ausrufezeichen. 

Für Bucher übrigens eine Reise in seine zweite Heimat, auch wenn man optisch nicht auf den ersten Blick draufkommen würde. Sein (bereits verstorbener) Großvater war Japaner, seine Mutter ist Halb-Japanerin und er somit Viertel-Japaner. „Die Familie meines Opas kommt zu einem Großteil direkt aus Fukuoka, da werden mich einige in der Halle unterstützen. Darauf freue ich mich ganz besonders.“ Ob er auch – Klischee olé – asiatische Eigenschaften wie bedingungslose Disziplin in sich trägt? Simon Bucher lacht. „Stimmt, Asiaten sind wirklich sehr diszipliniert. Das habe ich mir im Laufe der Jahre angeeignet, auch wenn es vielleicht noch etwas Luft nach oben gibt. Aber ich arbeite daran.“

Wenn ihm das genauso akribisch und hingebungsvoll wie in den letzten Jahren gelingt, könnte der Traum von einer Medaille bei einem Großereignis bald Realität werden.

AusgabeRZ25-2023

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