Für Emma Albrecht gibt es seit geraumer Zeit immer nur eine Richtung: bergauf! Logisch möchte man meinen, die Tirolerin ist schließlich Skibergsteigerin. Aber auch im übertragenen Sinne stimmt der Weg. 2024 kam sie nicht nur dreimal unter die Top 5 bei Weltcup-Rennen, sie gewann auch die Bronze-Medaille bei den Europameisterschaften in Chamonix (Frankreich) für unter 18-Jährige. „Das war sicher das beste Jahr meiner Karriere, da habe ich endgültig den Durchbruch geschafft“, sagt sie. „Jetzt liegt es an mir, alles dafür zu geben, dass es so weitergeht.“
Skibergsteigen – das ist, vereinfacht gesagt, die Wettkampf-Variante des Skitourengehens, die sich in verschiedene Disziplinen aufteilt. Emma hat sich auf den Sprint spezialisiert, bei dem man erst – mit und ohne Ski – den Berg hinauf marschiert, um ihn dann in Form eines Riesentorlaufes wieder hinunterzufahren. Wer als Erster unten ankommt, hat gewonnen. „Ein Rennen dauert ungefähr zweieinhalb bis drei Minuten, es kommt dabei nicht nur auf Ausdauer, sondern auch auf Schnellkraft an“, erklärt Albrecht. Eigenschaften, über die sie in großem Maße verfügt, wie ihr steiler Aufstieg beweist.
Es gibt aber noch eine weitere Komponente, die das Skibergsteigen auf der einen Seite komplex, auf der anderen Seite spannend macht: die Wechsel. Ski ab- und anschnallen, am Rucksack montieren, die sogenannten Felle von den Skiern heruntergeben und im Rennanzug verstauen, wenn es an die Abfahrt geht. „Wenn man dabei die entscheidenden Sekunden verliert, kann man die nachher kaum mehr aufholen“, weiß Albrecht. Und investiert vor allem beim Trockentraining im Sommer viel Zeit, um die Abläufe zu automatisieren. Kein leichtes Unterfangen, wenn im Rennen die Aufregung dazu kommt und Puls und Laktat in ungeahnte Höhen schießen. „Dann die Nerven zu behalten, macht sicher einen Reiz unserer Sportart aus.“
Hohe Ziele
Darauf wird es auch ankommen, wenn Emma in zwei Wochen das bisherige Highlight ihrer Karriere in Angriff nimmt: die Weltmeisterschaften in Morgins in der Schweiz. Dort wird sie erstmals in der U20- statt in der U18-Wertung an den Start gehen, weswegen sie noch nicht so ganz genau weiß, wie sie ihre Chancen einschätzen soll. Dennoch ist ihr Ziel ein hohes: „Ich will ins Finale!“ Bedeutet: Sie muss unter die besten sechs Athletinnen in ihrer Altersklasse kommen. Denn bei einem Sprint-Wettkampf gibt es erst eine Qualifikation, danach treten immer sechs Sportlerinnen gegeneinander an, wovon sich die beiden Besten (plus die zeitbesten Lucky Loser) für die nächste Runde qualifizieren. Eine beinharte Ausscheidung, bei der man sich nicht die kleinste Schwächephase leisten darf.
Und bei der es auch darauf ankommt, über das passende Material zu verfügen. Neben der klassischen Ski-Ausrüstung gehören die Felle dazu, die man beim Anstieg unter die Ski klebt, um einen besseren Halt zu haben. „Das ist eine Wissenschaft für sich, die großen Einfluss auf Sieg oder Niederlage hat“, erklärt Emma. Dabei kommt es auf die Beschaffenheit des Schnees, aber auch auf das Wetter am Renntag an. „Wenn es eisig ist, braucht man ein Fell mit mehr Haaren, damit man einen besseren Grip hat. Dabei nimmt man aber in Kauf, dass das Fell im Flachen nicht so gut gleitet. Bei Wärme hingegen muss man ganz anderes Wachs verwenden.“ So gilt es immer, eine Abwägung zu treffen, welches Setup für das jeweilige Rennen am besten passt: Fräulein Emmas Gespür für Schnee. Meistens hilft ihr dabei ihr Vater, bei Weltcup-Rennen stellt der ÖSV, zu dem die Skibergsteiger gehören, einen Servicemann.
Neuer Meilenstein
Es ist genau diese Vielschichtigkeit, die für die Studentin der Sportwissenschaften („Ich brauche als Ausgleich zum Sport eine geistige Herausforderung“) den Reiz des Skibergsteigens ausmacht. Ursprünglich war Albrecht begeisterte und erfolgreiche Mountainbikerin, nach einem sportlich wie gesundheitlich schwierigen Jahr ist sie zu Beginn der Corona-Zeit aufs Skibergsteigen umgestiegen. Bei beiden Sportarten war und ist Raiffeisen als Partner an ihrer Seite, der sie über einen Talente-Pool finanziell unterstützt. „Gute Sponsoren zu haben, ist das Um und Auf in unserer Sportart“, sagt sie. „Es gibt ein paar wenige Profis, die davon leben können. Nur von den Preisgeldern geht es sich aber nicht aus.“ Mittlerweile gehört sie auch zum B-Kader des ÖSV, was in Sachen Training und Organisation eine beträchtliche Erleichterung darstellt.
Und es gibt eine weitere gute Nachricht: Denn bei den Olympischen Spielen 2026 in Italien ist Skibergsteigen erstmals olympisch, zumindest die Sprint-Variante. „Das ist ein Meilenstein für unseren Sport“, weiß Albrecht, für die das Ereignis vermutlich noch eine Spur zu früh kommt. Dennoch fiebert sie mit, dass es nicht bei einem One-Hit-Wonder bleibt, sondern dass man eine regelmäßige Aufnahme ins Programm der fünf Ringe bekommt. „Das wäre unglaublich wichtig! Und dann wären die Spiele 2030 (Anm.: finden in den französischen Alpen statt) sicher mein ganz großes Ziel, auf das ich hinarbeiten würde.“
Denn das Flair von Olympischen Spielen durfte sie schon einmal genießen. Bei den European Youth Olympic Games (EYOF) war sie 2023 in der Region Friaul-Julisch Venetien dabei, damals sogar als Fahnenträgerin der österreichischen Delegation. „Mir wurde diese Ehre zuteil, weil Skibergsteigen auch bei diesem Event erstmals dabei war. Ein fantastisches Erlebnis mit Einmarsch ins Stadion und Entzündung der Flamme.“ Das hat natürlich Lust auf mehr gemacht und den unbedingten Willen geweckt, weiter an einer erfolgreichen Karriere zu arbeiten.
Es spricht jedenfalls nichts dagegen, dass der Weg der Emma Albrecht auch in den kommenden Jahren steil bergauf geht.