Die Berge glitzern verführerisch weiß, die Seilbahnen stehen bereit: Die Wintersaison in den heimischen Skigebieten steht in den Startlöchern, der Pistenzauber kann beginnen. Ganz ungetrübt ist die Stimmung allerdings nicht, denn die gestiegenen Preise könnten so manchen Winterurlauber zögern lassen. Und dazu kommt der Klimawandel. Höhere Temperaturen, weniger Schneemengen und die Frage: Wie nachhaltig kann Wintersport sein? All das treibt die Interessengemeinschaft „Allianz Zukunft Winter“ um.
Skiindustrie, Skilehrerverband, Touristiker und Seilbahnbetreiber vernetzen sich mit dem Ziel, das Image des Winterurlaubs zu verbessern. Bei einer Veranstaltung in Kaprun wurden neue Studienergebnisse präsentiert. Organisiert wurde diese von der Allianz Zukunft Winter und dem Netzwerk Winter, dessen Hauptsponsor Raiffeisen Salzburg ist. Experten sprachen dabei über die Chancen und Herausforderungen des Wintersports. „Wir möchten faktenbasiert diskutieren, die Emotionalität herausnehmen und mit einer Stimme auftreten“, sagte Netzwerk-Sprecher Franz Schenner.
Bewusstsein für Nachhaltigkeit wird immer wichtiger
„Der Wintertourismus spielt auch in den kommenden Jahrzehnten für Österreich eine wichtige Rolle“, betonte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher in Kaprun. Nach Schätzungen betrugen die Tourismusausgaben der in- und ausländischen Gäste in Österreich im Vorjahr 35,9 Mrd. Euro. Sie liegen damit nur 5 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2019. Tirol ist das Bundesland mit den meisten Nächtigungen, gefolgt von Salzburg und Wien. In der vergangenen Wintersaison gab es insgesamt 69,3 Millionen Übernachtungen, es lief damit fast so gut wie vor Corona-Zeiten. Und auch dieser Winter beginnt vielversprechend: Das Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) untersuchte im Auftrag der Österreich Werbung die Winterpotenziale für diese Saison. Insgesamt haben 20 Millionen Urlauber feste Reisepläne. Das sind drei Millionen mehr als 2022.
„Wir starten grundsätzlich optimistisch in diesen Winter“, sagte Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Aber wie sehen die künftigen Winter aus? Der Schlüssel zum Erfolg liegt für Kraus-Winkler in der nachhaltigen Entwicklung des Angebots. „Nur dann können wir erfolgreich bleiben.“ Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickle sich im Tourismus immer stärker – da habe Österreich bereits große Schritte gemacht. So seien Seefeld – Tirols Hochplateau – und Wagrain-Kleinarl die ersten Regionen, an die das neu geschaffene Österreichische Umweltzeichen für Tourismusdestinationen verliehen wurde. Viele weitere Regionen sollen folgen.
Geringe CO₂-Emissionen
Die Umweltbilanz des Wintersports könne sich sehen lassen, betonte Kraus-Winkler und untermauerte ihre Aussage mit konkreten Zahlen. Laut einer Studie des Umweltbundesamts verursacht die Tourismusbranche in Österreich lediglich 0,9 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs, steht aber gleichzeitig für eine Wirtschaftsleistung von 4,1 Prozent, vor Corona waren es 7,6 Prozent. „Bei den Aufstiegshilfen gibt es eine komplette Elektrifizierung. In 90 Prozent davon wird der Strom über erneuerbare Energien gewonnen.“ Für die Beschneiung werde nur Luft und Wasser verwendet, 100 Prozent kommen wieder in den Naturkreislauf zurück. Das Fazit von Susanne Kraus-Winkler: „Der CO₂-Ausstoß bei Seilbahnen und der Beschneiung ist gering. Skigebiete sind gut gegen den Klimawandel gewappnet.“
Ein paar Baustellen gibt es aber freilich: So fahren die Pistenraupen zur Pistenpräparierung noch mit Diesel. Auch da gibt es Lösungsansätze. So testen die Snow-Space-Bergbahnen, die sich über die Wintersportorte Flachau, Wagrain und St. Johann erstrecken, bereits Pistengeräte mit alternativen Kraftstoffen und wollen langfristig auf Wasserstoffantrieb umsteigen. Einer der größten Posten in der CO₂-Bilanz bleibt aber die Anreise der Wintergäste. Das Gros reist nach wie vor mit dem Auto an. „Das Thema Bahnanreise wird uns in Zukunft intensiv beschäftigen“, prophezeite Kraus-Winkler.
Jugend will Wellness statt Party
Eine umweltfreundliche Anreise ist aber keine Generationenfrage, auch die Jugend reist am liebsten mit dem Auto ins Wintersportgebiet. „Es ist komfortabel und unkompliziert“, so Sozialwissenschafter und Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Er ist im Auftrag von „Allianz Zukunft Winter“ der Frage nachgegangen, wie die Jugend für den Wintersport gewonnen werden kann. Nur zehn Prozent der 1.000 befragten Österreicher zwischen 14 und 29 Jahren können sich vorstellen, mit der Bahn anzureisen. „Bei der Bahn gibt es definitiv Nachholbedarf, was die Ansprache junger Zielgruppen betrifft“, sagte Heinzlmaier.
Neben dem Thema Nachhaltigkeit hat für das Netzwerk die Nachwuchsgewinnung höchste Priorität. Kinder sollen auch weiterhin fürs Skifahren begeistert werden. Die Studie des Jugendforschers Heinzlmaier sorgt diesbezüglich für Optimismus. „Skifahren steht nach wie vor hoch im Kurs“, sagte der Jugendforscher. Zwar verbindet die Jugend laut Heinzlmaier mit Urlaub vor allem „mediterrane Fantasien“, 25 Prozent fühlen sich aber durch die Angebote des Wintertourismus angesprochen. „Das ist eine sehr potente Zielgruppe. Es sind vor allem Leute aus den oberen sozialen Schichten. Für die ist es kein Hindernis, dass der Urlaub etwas kostet“, sagte Heinzlmaier.
Ein Winterurlaub ohne Wintersport sei für über zwei Drittel der Befragten undenkbar. „Es gibt keinen Winterurlaub ohne Skifahren und Seilbahnen“, so der Jugendforscher. Wichtig seien auch die komplementären Angebote zum Skifahren oder Snowboarden. Vor allem das Eislaufen erfreut sich großer Beliebtheit und wird als Après-Skiprogramm gesehen. Disco und Party haben für die Jugend stark an Attraktivität verloren. „Der Großteil möchte sich nicht im Nachtleben verausgaben. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Auch die jungen Leute möchten sich im Urlaub regenerieren“, sagte Heinzlmaier. Die Jugend will also lieber entspannen, gut essen und Wellnessprogramme genießen.
Für das Marketing seien auch Vorbilder im Wintersport wichtig. Vor allem über Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok lassen sich junge Menschen erreichen. Dabei spielen Bilder eine große Rolle. Die beliebteste Wintersportlerin ist laut Heinzlmaier die österreichische Snowboarderin Anna Gasser. „Sie schafft in ihrer Selbstpräsentation am besten den Spagat zwischen ländlicher und urbaner Kultur“, heißt es im Bericht zur Studie. Viele Stars des Skisports seien Heinzlmaier zufolge zu bieder und angepasst, um als Vorbilder für Jugendliche aus den gehobenen Milieus zu funktionieren. Die Kommunikation müsse deshalb mutiger werden.
Großes Potenzial in Deutschland
Gute Nachrichten gab es in Kaprun auch von Holger Sicking, der bei der Österreich Werbung die Tourismusforschung leitet. Er präsentierte eine Studie zum Skinachwuchs-Potenzial in Deutschland. „23 Prozent aller Kinder und Jugendlichen, das sind 3,2 Millionen Menschen, haben Interesse am Skifahren“, sagte Sicking. Den Eltern kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Die Hälfte des Skinachwuchses lernt das Skifahren von den Eltern. 30 Prozent bekommen es in der Skischule beigebracht. „Österreich gilt als ideales Land, um das Skifahren zu lernen und wird als familienfreundlich wahrgenommen“, sagte Sicking. Ausschlaggebend für die Wahl des Urlaubsortes sei vor allem das Preis-Leistungsverhältnis und die Schneesicherheit auf den Pisten.
„Menschen aus dem Flachland brauchen viel stärkere Anreize, sich für einen Skiurlaub zu interessieren“, betonte Sicking. Für die Unerfahrenen seien eine warme Herberge und Versorgung enorm wichtig. „Die Unterkunft hat eine sehr große Bedeutung und das wird oft unterschätzt. Es wird unbewusst als Garant für das Gelingen gewertet“, so Sicking. Wochenpakete mit Inklusivleistungen bekommen deshalb einen hohen Stellenwert. Der Ratschlag an die Branche: Unerfahrene bei der Hand nehmen. „Dazu gehören auch Informationen zu Ausrüstung, Kleidung oder die Organisation von Skikursen. Je mehr Sicherheit es gibt, desto bereitwilliger akzeptiert man auch die Kosten“, sagte der Tourismusexperte.