Sportunion Leoben: „Corona hat uns gerettet“

Bei der Handball Sportunion Leoben ist Stephan Hödl eine Legende. Hier erzählt er, wie der Klub vor Fusion und Pleite gerettet wurde, warum auch kuriose Niederlagen den Verein nicht kleinkriegen und wie wichtig florierende Jugendarbeit ist.

Seit 26 Jahren ist Stephan Hödl im Handball zu Hause, aber was „seiner“ Sportunion Leoben Ende November in der 11. Runde bei Aufsteiger Eggenburg passiert ist, hat er auch noch nicht erlebt. „Das ist wirklich unerklärlich, wir schütteln uns noch immer“, sagt er wenige Tage nach der 32:34-Niederlage, die rein vom Ergebnis her ja gar nicht mal so tragisch wäre. Wenn da nicht die 20:11-Halbzeit-Führung wäre, mit der die Steirer in die Kabine gegangen sind. „Die zweite Hälfte mit elf Toren Unterschied zu verlieren, nachdem man die erste mit neun Toren Vorsprung gewonnen hat – ein Wahnsinn! Auch wenn man jetzt nicht alles komplett hinterfragen darf, muss man schonungslos alles analysieren“, sagt Hödl, der nach Funktionen als Spieler und Trainer mittlerweile Leiter der Nachwuchsabteilung ist.

Das Entsetzen ist auch darin begründet, dass man sich für die aktuell laufende Saison der 2. Bundesliga Ost mehr vorgenommen hat als die bisher eingespielten elf Punkte. „Wir sind mit dem Verlauf nicht zufrieden. Von der Qualität der Mannschaft her muss unser Anspruch sein, in die Top 4 zu kommen. Daran halten wir auch fest, das ist noch möglich, auch wenn wir in den verbleibenden sechs Spielen dann nur noch einmal verlieren dürfen.“

Lieber 2. Liga als Fahrstuhl-Team

Zur Erklärung: Man muss einen Platz unter den besten vier Teams der Tabelle ergattern, um in einem Meister-Play-off, bei dem auch noch zwei Teams aus der 2. Bundesliga West dazustoßen, um den Aufstieg spielen zu können. Und der schwebt als Ziel schon in den Köpfen der Verantwortlichen herum, auch wenn er alles andere als ein Muss ist: „Wenn wir das schaffen, nehmen wir es gerne mit, wenn nicht, gibt es aber kein Köpferollen. Im Zweifel ist es mir persönlich lieber, wir spielen in der 2. Liga oben mit, als wenn wir zu einer Fahrstuhl-Mannschaft werden, die in der obersten Spielklasse dauernd gegen den Abstieg spielt.“

Dazu muss man wissen: Als der Klub 2008 mit Punkterekord in die höchste Liga aufstieg, hielt er sich stolze zehn Saisonen nacheinander dort und erreichte sogar die Play-offs, gehörte also zu den acht besten Teams des Landes. Danach folgten Jahre mit Ab- und Aufstieg, ehe es richtig turbulent wurde. Teile des Vereins strebten eine Fusion mit dem großen Rivalen HC Bruck an, es gab Meinungsverschiedenheiten, die Schulden wurden immer größer, Corona brach herein. „Wobei ich da klar sagen muss: Aufgrund unserer wirtschaftlichen Situation haben uns die Pandemie und der daraus resultierende Stillstand geholfen. Wir hatten ja auf einmal keine Ausgaben mehr und konnten uns so etwas konsolidieren. Corona hat uns sozusagen gerettet“, so Hödl.

Höhen und Tiefen

Der 1947 gegründete Verein, der mindestens seit den 1970er-Jahren von der Raiffeisenbank Leoben-Bruck gesponsert wird, blieb eigenständig und bekam eine neue Führung, und als 2023 auch ein neuer Trainer gesucht wurde, war der Weg zu Stephan Hödl nicht weit. Denn der spielte seit 1996 für die Sportunion, hat von der Landesliga bis zur Bundesliga alles gesehen, alle Höhen und Tiefen mitgemacht. 

Und der einzige Inhaber der Trainer-A-Lizenz, den es in Leoben je gab, schaffte es durchaus, den sportlichen Ansprüchen zu genügen. Doch nach einem Jahr stellte er fest, dass auf diesem Niveau ein fordernder Job als Bau- und Brandschutzbeauftragter beim Land Steiermark und eine vierköpfige Familie mit zwei kleinen Kindern nicht so leicht unter einen Hut zu bekommen sind: „Ich habe dann beschlossen, meinen Vertrag nicht zu verlängern. Bei aller Begeisterung und Leidenschaft für den Sport: Es gibt ja auch ein Leben außerhalb der Halle.“

Während für den Trainerposten mit dem auch heute noch im Amt befindlichen Rene Kramer ein echter Haudegen verpflichtet wurde, übernahm Hödl das Amt des Nachwuchsleiters. Und krempelte dabei die Ärmel hoch. „Während des Umbruchs in der Pandemie hatten wir gerade einmal 48 Kinder bei uns im Klub. Ein Armutszeugnis.“ Heute huschen 180 Kids und Jugendliche über das Parkett, fair aufgeteilt auf Mädchen und Burschen. Insgesamt gibt es 15 offizielle Mannschaften, die von 23 Trainern betreut werden. „Darauf können wir stolz sein“, betont Hödl. Und berichtet davon, dass man beispielsweise mit acht Volksschulen in Leoben und Umgebung kooperiert, sodass jedes Kind in der dritten und vierten Klasse zwei Jahre lang einmal in der Woche Handball spielt. „Früher kamen die Kinder zu uns, heute gehen wir in die Schulen und holen sie ab“, fasst er zusammen.

Frisches Blut für den Nachwuchs

Einer dieser „Abholer“ ist Marian Schweiger. Er durchlief ab der U11 alle Nachwuchsteams in Leoben, schaffte den Sprung in die Kampfmannschaft, die er heute sogar als Kapitän aufs Feld führt. „Er ist ein Role Model, wie es im Idealfall läuft“, sagt Hödl über den 23-Jährigen. An vier Tagen in der Woche ist Schweiger als Trainer in den Schulen, um sein Wissen und Können, das er als Spielmacher erworben hat, weiterzugeben. Eine klassische Win-win-Situation. Denn so bekommt der Verein immer frisches Blut und Publikumsliebling Schweiger kann sich als Profi-Handballer voll auf den Sport konzentrieren. „Er ist der einzige Spieler, der bei uns eine Vollzeit-Anstellung hat“, verrät Hödl.

Ansonsten besteht der Kader aus einer „gesunden Mischung“ aus Legionären und Eigenbauspielern aus der Region. „Leoben ist eine Arbeiterstadt“, sagt Hödl. „Und ich finde, dass unser Kader die Gesellschaft hier in der Gegend ziemlich gut abbildet.“ Als Beispiel nennt er den französischen Tormann Adrian Lombès-Birkenheuer, der seine Sprachkenntnisse bei einer Leobener Firma einbringt und Seite an Seite mit einheimischen Studenten auf dem Feld steht.

Sie alle haben jetzt die Aufgabe, das Ruder wieder herumzureißen und dafür zu sorgen, dass die Sportunion doch noch die Saisonziele erreicht. Denn eins ist klar: Schafft man über die Top 4 den Einzug ins Meister-Play-off, geht alles wieder bei null Punkten los, alle vorigen Resultate sind vergessen. Also auch das bittere Debakel gegen Eggenburg. „Und dann ist immer alles möglich“, sagt Hödl. Und der muss es mit seiner geballten Erfahrung aus fast 30 Jahren Handball in Leoben ja wissen. 

AusgabeRZ50-2025

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