Standort verliert an Boden

Österreich gerät bei der Wettbewerbsfähigkeit zunehmend ins Hintertreffen. Die „Initiative Standort“ pocht auf mutige Reformschritte.

„Die Europawahl ist geschlagen, die Nationalratswahl steht noch bevor. „Eines ist aber in beiden Fällen gleich: Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsstandortes muss in den nächsten Jahren im Zentrum der Politik stehen“, fordert Günter Stummvoll, Sprecher der „Initiative Standort – Plattform für Leistung und Eigentum“. Denn: Europa bleibe im globalen Wettbewerb ständig hinter den beiden führenden Wirtschaftsnationen USA und China zurück. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sei aber Voraussetzung für Arbeitsplätze, Einkommen, soziale Sicherheit und Wohlstand. Auch die ökologischen und digitalen Herausforderungen könne man nur mit einer konkurrenzfähigen Wirtschaft bewältigen.

Während in der EU in den letzten Jahren der Green Deal mit hohen Kosten und viel Bürokratie im Vordergrund stand und damit die notwendige Balance zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und umweltpolitischer Verantwortung gestört war, dominierte in Österreich das Krisenmanagement von der Corona-Pandemie bis zu den Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine bei Gas und Inflation. Nun gelte es, in der EU den Binnenmarkt, das Herzstück und die Erfolgsgeschichte der europäischen Wirtschaft, auszubauen und sein Potenzial bei Kapital, Energie, Verkehrsnetzen und Forschung zu heben, teilte die Plattform mit. Schätzungen zufolge würde allein die Schaffung einer Kapitalmarktunion 470 Mrd. Euro mehr an privaten Eigenkapitalfinanzierungen für Investitionen bedeuten.

Hoher Reformbedarf

Auch Österreich brauche dringend Reformen, damit die Wirtschaft wieder besser in die Gänge komme. Die dafür notwendigen Maßnahmen seien schon lange bekannt, betont die Initiative Standort. Unter anderem sollte der Faktor Arbeit entlastet werden, etwa durch eine Senkung der Lohnstückkosten und Lohnnebenkosten. Außerdem brauche es steuerliche Entlastungen, um wieder mehr Menschen für Vollzeitarbeit zu motivieren. Angesichts des anhaltenden Arbeitskräftemangels fordert die Wirtschaftsinitiative zudem auch Anreize für längeres Arbeiten, Eigenkapitalstärkung, aber auch den Abbau von Bürokratie und Überregulierung. 

Ein besonderes Augenmerk sollte auf Strukturreformen gelegt werden – vor allem bei Pensionen, am Arbeitsmarkt sowie bei den Themen Bildung und Föderalismus. Hier verweist die Plattform auf zahlreiche Expertenvorschläge der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des Internationalen Währungsfonds sowie der heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute.

„Wir sind im Retourgang“

Dass der Handlungsbedarf in Sachen Wirtschaftsstandort durchaus groß ist, zeigte auch die Standortstudie „Deloitte Radar“, die eine Umfrage unter 600 heimischen Führungskräften beinhaltet. Demnach bewertet fast jeder zweite Befragte die allgemeine Stimmung am Standort mit „Genügend“ oder „Nicht genügend“. Beklagt werden etwa die hohe Unternehmens- und Einkommensbesteuerung, eine überbordende Bürokratie sowie ein Mangel an Fachkräften.

„Wir sind im Retourgang unterwegs statt im Überholgang“, fasste Deloitte-Österreich-Chef Harald Breit die Entwicklung des österreichischen Standortes zusammen. Diese Einschätzung unterstreicht auch die Entwicklung bei internationalen Wirtschaftsrankings. Ein Blick auf die Entwicklung Österreichs seit der Finanzkrise 2009 im wichtigsten globalen Ranking, dem World Competitiveness Index der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD, zeigt ein eindeutiges Bild: Während Österreich 2008 noch auf Platz 14 lag, reicht es 2024 nur mehr für Platz 26. Zwar konnte man sich zwischenzeitlich erholen (2015: Platz 16), danach ging es aber wieder kontinuierlich abwärts.

Im direkten Vergleich der europäischen Länder liegt Österreich im Durchschnitt regelmäßig um Platz 10 und damit nur im Mittelfeld. Um den Wohlstand nicht akut zu gefährden, braucht es Deloitte zufolge dringend einen Masterplan: Ziel muss es sein, bis 2030 unter die Top 5 Europas zu kommen.

AusgabeRZ34-2024

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