Ein sachlich-nüchterner Zugang

Die Digitalisierung in der Landwirtschaft muss zuerst nützlich und dann leistbar sein, sagen Österreichs Bauern.

Digitalisierung ist – abgesehen von Nachhaltigkeit – nach wie vor das Schlagwort der Stunde. Die „Pandemie als Katalysator“ hat dem Einsatz digitaler Lösungen für allem bei Klein- und Mittelbetrieben einen ordentlichen Schub verliehen. Ob in der Kommunikation, der Präsentation, im Vertrieb, zur Prozessoptimierung oder zur Effizienzsteigerung, die Digitalisierung ist nicht mehr wegzudenken und allgegenwärtig. 

Geht es um die Digitalisierung in der Landwirtschaft, hört man schnell Begriffe wie Precision- oder Smart-Farming, spricht von Traktoren, die dank Satellitentechnologie zentimetergenau zu steuern sind, oder Maschinen, die miteinander kommunizieren, sich untereinander abstimmen und Unmengen an Daten sammeln. Von der Kamera- und Sensortechnik für eine flächenspezifische Düngemittelausbringung bis zum selbstfahrenden Feldroboter. Zur Digitalisierung zählen aber auch die Drohne, die Nützlinge ausbringt oder mit Infrarot-Kamera Wildtiere erkennt, sowie – weniger spektakulär, aber ebenso digital und hilfreich – die diversen Managementsysteme für die Betriebsführung und Dokumentation.

Bei so einer Fülle an digitalem Angebot stellt sich natürlich die Frage, ob alles nur im Prospekt glänzt oder auch tatsächlich von den Landwirten genutzt und aufs Feld gebracht wird. Das oberösterreichische Marktforschungsunternehmen KeyQUEST nahm sich – im Auftrag des Ländlichen Fortbildungsinstitutes (LFI) – dem Thema an und untersuchte „die tatsächliche Nutzung von Smart-Farming-Technologien, die Ansprüche an zukünftige Beratungs- und Weiterbildungsangebote sowie die generelle Einstellung von Betriebsführern gegenüber dem Megatrend Digitalisierung“. Insgesamt wurden rund 1.000 Telefoninterviews mit Betriebsführern in ganz Österreich geführt. 

Je mehr Fläche, desto positiver die Einstellung

Prinzipiell stehen die heimischen Landwirte der sogenannten „Landwirtschaft 4.0“ überwiegend positiv gegenüber, weiß KeyQUEST-Geschäftsführer Johannes Mayr: „43 Prozent der Befragten sehen die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung sehr positiv oder eher positiv. 46 Prozent stehen dem Thema neutral gegenüber und nur 11 Prozent betrachten diesen Veränderungsprozesse mit Skepsis oder Ablehnung.“ Zudem weisen die Ergebnisse darauf hin, dass jüngere Betriebsführer eine positivere Einstellung gegenüber neuen Technologien haben als ältere Landwirte. Auch bei der Betriebsgröße zeigt sich ein Unterschied: Je mehr Fläche, desto positiver die Einstellung.

Weiters wurden Bekanntheitsgrad und die Verwendung konkreter Anwendungen in der jeweils relevanten Zielgruppe (Betriebsart bzw. Produktionszweig) abgefragt. „Bauern fühlen sich gut informiert. Bei den 25 abgefragten Technologien gaben im Schnitt 94 Prozent an, diese zu kennen“, so Mayr. Dabei wurde zwischen Technologien aus dem Bereich Betriebsführung und der Produktion unterschieden. Geht es um die Betriebsführung, erreichen digitale Lösungen zur Dokumentation gegenüber Behörden (70 Prozent), Messenger-Dienste zum beruflichen Austausch (70 Prozent) und Pflanzenschutz-Warndienst beziehungsweise Agrarwetterdienste (65 Prozent) die höchsten Nutzungsraten. Am wenigsten genutzt werden Homepages für den eigenen Betrieb sowie Social Media-Plattformen zu Präsentationszwecke.

Im Produktionsbereich liegen automatische Lenk- und Spurführungssysteme (24 Prozent der Acker- und Gemüsebaubetriebe), Teilbreiten- oder Einzeldüsenabschaltung (26 Prozent der Acker- und Gemüsebaubetriebe) sowie automatisierte Fütterungstechniken (23 Prozent Tierhaltungsbetriebe) im vorderen Bereich der Rankings. „Wenn es um die Digitalisierung am Feld oder bei der Tierhaltung geht, hinkt die Nutzung noch etwas hinterher“, fasst Mayr die Ergebnisse zusammen.

Als zentralen Nutzen der digitalen und modernen Technologien geht laut Mayr eindeutig die Arbeitserleichterung und der Zeitgewinn aus der Studie hervor. Motive wie Qualitäts- oder Ertragssteigerung oder die Erhöhung der Rentabilität kommen erst deutlich dahinter. Die größten Vorbehalte gibt es bezüglich der Finanzierung und den Kosten. Störanfälligkeit, Abhängigkeit vom Hersteller und die Komplexität in der Anwendung rangieren weiter hinten. „Das heißt, der Großteil der Landwirte traut sich auch zu, moderne Technologien einzusetzen“, betont Mayr und resümiert: „Insgesamt haben Österreichs Betriebsführer einen recht pragmatischen Zugang zu diesem Thema. Frei nach dem Motto: ‚Wenn es funktioniert, die Arbeit erleichtert und leistbar ist, dann nutze ich diese neuen Technologien gerne.‘“

Kosten-Nutzen-Rechnung muss stimmen

Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, zeigt sich erfreut über den „eher realistischen und vernünftigen Zugang der heimischen Bauernschaft zur Digitalisierung“. Natürlich seien neue innovative Ansätze unabdinglich, vor allem, wenn es darum geht, alle Herausforderungen und Erwartungen an die landwirtschaftliche Produktion bewältigen zu können. Dennoch müsse stets die Kosten-Nutzen-Rechnung aus Sicht der Landwirte stimmen: „Investitionen in Technik dürfen und werden nie Selbstzweck sein, sondern müssen einen konkreten betrieblichen Nutzen bringen. Dieser Nutzen kann in der Steigerung der Tiergesundheit, der effizienteren Ausbringung von Betriebsmitteln oder eben auch in der physischen Arbeitsentlastung liegen.“ Seitens der Politik fordert Moosbrugger die passenden Rahmenbedingungen: „Dazu gehören neben dem dringend benötigten Breitbandausbau im ländlichen Raum auch klare und verbindliche rechtliche Vorgaben beim Thema Datenhoheit. Denn eines ist klar: Die auf den Betrieben generierten Daten müssen auch zukünftig in bäuerlicher Hand bleiben.“

Martin Hirt, Projektleiter am LFI, unterstreicht, dass laut Studie „mögliche Hürden für den Einstieg in die Landwirtschaft 4.0 im Kostenbereich und nicht im Beratungs- und Weiterbildungsangebot liegen“. Dennoch können sich rund zwei Drittel vorstellen, künftig an Kursen oder persönlichen Beratungen speziell zu neuen Themen teilzunehmen. Daher müsse an bedarfsorientierten und regional differenzierten Formaten gearbeitet werden. Ein Ansatz sei hier das Pilotprojekt „Innovation Farm“, bei dem Forschungsstandorte, Unternehmen sowie Landwirtschaftskammern und Bildungsträger zusammenarbeiten.

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