Klimawandel: Zwischen Physik und Feldarbeit

Wissenschaftlich gemessen und am Acker zu sehen: Der Klimawandel ist real, seine Folgen immer gravierender.

Nach dem wärmsten Februar und dem wärmsten März folgte der – über die gesamte Fläche Österreichs gesehen – zweitwärmste Sommer der Messgeschichte. Im Tiefland war es sogar der wärmste Sommer der 258-jährigen Messreihe, wie die vorläufige Bilanz der GeoSphere Austria zeigt. 

Der Sommer 2024 brachte zum Beispiel in den Landeshauptstädten fast doppelt so viele Hitzetage (mit mindestens 30 Grad) wie ein durchschnittlicher Sommer im Zeitraum zwischen 1991 und 2020 und ungefähr drei bis vier Mal so viele Hitzetage wie zwischen 1961 und 1990. Gleichzeitig verzeichneten einige Wetterstationen neue Rekorde bei den Tropennächten (Tiefstwert nicht unter 20 Grad)

Der extreme Dauerregen vergangenes Wochenende hat an rund 150 der 280 Wetterstationen der GeoSphere Austria über 100 mm Regen gebracht, an rund 60 Wetterstationen waren es mehr als 200 mm und an 12 Wetterstationen waren es zwischen 300 und knapp über 400 mm. Somit gab es im Laufe dieser Tage ungefähr zwei bis fünf Mal so viel Niederschlag wie in einem durchschnittlichen gesamten September. 

Die Zeit läuft

Temperaturrekorde und zunehmende Extremwetterereignisse sind zweifelsohne Folgen des menschengemachten Klimawandels. Das Verbrennen fossiler Brennstoffe und das erhöhte Freisetzen klimawirksamer Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO₂) sorgen für einen zunehmenden Anstieg der Temperatur und den globalen Klimawandel – mit all seinen negativen Folgen. 

„Die Erde wird wärmer und das in einem immer schnelleren Ausmaß. Derzeit erwärmt sich die Erde mit einer Energie von etwa 13 Hiroshima-Atombomben pro Sekunde“, wie Marc Olefs, Leiter der Klima-Folgen-Forschung bei der GeoSphere Austria, die Dramatik der Situation unterstreicht: „Global gesehen sind wir jetzt bei 1,3 Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter und wir steuern mit der derzeitigen Klimapolitik auf 3 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu.“

Für Diskussionen über das Aufschieben eines Verbrenner-Aus hat Olefs deshalb wenig über: „Physikalisch gesehen läuft uns die Zeit davon, weil wir die Folgen nur dann stabilisieren können, wenn wir tatsächlich die klimawirksamen Treibhausgase auf Netto-Null reduzieren. Alles andere würde zu einem weiteren Anstieg führen und so zur Verschärfung der Folgen.“

Energetisch konsistent

Dass Wetterextreme häufiger und intensiver werden, sei ebenso Fakt und nicht wegzudiskutieren. Diese Entwicklung wird auch nicht mit Modellen berechnet, sondern in der Vergangenheit beobachtet: „Wir sehen in den Messdaten, dass zum Beispiel Starkregenfälle immer intensiver werden, das ist unglaublich robust, statistisch gesehen“, erklärt Olefs. So haben in Österreich Wetterlagen mit Unwetterpotenzial seit den 2000er-Jahren um fast 20 Prozent zugenommen.

Auch „Trockenheitsereignisse“ wie Hitzetage und Tropennächte werden nachweislich mehr. Und nicht nur in Österreich: „Global gesehen und egal ob wir es am Boden, in der Luft oder vom Satelliten aus messen: Alle Informationen sind energetisch konsistent“, bekräftigt Olefs und betont: „Das heißt, es wird immer schwieriger, das Faktum einer sich aufheizenden Erde samt ihrer Folgen zu leugnen.“

Ausstieg forcieren

Einen Landwirt zu finden, der den Klimawandel leugnet, wird kaum möglich sein. Sie sind es, die Jahr für Jahr, tagein, tagaus die klimatischen Veränderungen hautnah miterleben. Sei es durch immer früheren Vegetationsbeginn oder Wetterereignisse, die einem die halbe Ernte kosten. „Die Situation für die Landwirtschaft – mit ihrer Werkstatt unter freiem Himmel – ist aufgrund des Klimawandels besorgniserregend. Man bedenke: 80 Prozent des Ertrags in der Landwirtschaft hängen vom Wetter ab“, weiß auch Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. Aktuell rechnet der Versicherer für das aktuelle Jahr mit einem Gesamtschaden in der Landwirtschaft in der Höhe von 250 Mio. Euro, 150 Mio. Euro nur aufgrund der Dürre, 100 Millionen durch Frost, Hagel, Sturm und Überschwemmung. 

„Während in den 1980er-Jahren nur etwa alle zehn Jahre eine Dürre auftrat, erleben wir heute große Dürreereignisse fast jedes zweite Jahr. Allein in den letzten zehn Jahren entstanden durch Dürre Schäden von rund 1,3 Mrd. Euro in der österreichischen Landwirtschaft“, skizziert Weinberger. Österreichs Landwirte haben die zunehmenden Risiken des Klimawandels bereits erkannt, sagt Weinberger, denn mittlerweile sind rund 80 Prozent der Agrarflächen gegen Dürre, aber auch gegen Hagel, Überschwemmung und Frost versichert, womit bei den versicherten Betrieben zumindest ein Teil der Schäden gedeckt ist.

Damit kann der Fortbestand eines landwirtschaftlichen Betriebes abgesichert werden, allerdings wird früher oder später der Zeitpunkt kommen, wo sich etwaige Klimarisiken nicht mehr versichern lassen, meint Klimaforscher Olefs. Umso wichtiger sei deshalb eine konsequente Klimapolitik, die den Ausstieg aus fossilen Energieträgern forciert. Der Ball liege aber nicht bei der Politik alleine: „Das Beste, was jeder Einzelne tun kann, ist, diese Botschaft der Notwendigkeit und Dringlichkeit im eigenen Umkreis weiterzuverbreiten.“

AusgabeRZ38-2024

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