Es war wohl einer der emotionalsten Erfolge, die Viktor Hockl in seiner Tennis-Laufbahn erlebt hat. Bei den oberösterreichischen Landesmeisterschaften in Rainbach im Mühlviertel Ende August traf er im Finale auf seinen langjährigen Trainingspartner Johannes Prammer und stand schon am Abgrund einer Niederlage, ehe er das Match noch drehte und mit 4:6, 7:5 und 6:4 den Titel gewann. Doch es war weder der dramatische Spielverlauf noch die Tatsache, dass er (nach einigen Erfolgen in der Jugend) erstmals bei den Herren bei den Landesmeisterschaften ganz oben auf dem Treppchen stand, was ihn so emotionalisierte. Denn es war der erste Erfolg, seit seine Mutter und größte Förderin nur wenige Monate zuvor an einer Krebserkrankung gestorben war.
„Meine Oma war zum ersten Mal seit Langem wieder bei einem Match dabei, alle waren sehr stolz auf mich. Seit sie gestorben ist, denke ich wirklich bei jedem Spiel an meine Mama, die mich immer unterstützt hat und mir das Tennisspielen auf diesem Niveau erst ermöglicht hat“, sagt der gebürtige Ennser, der seit zwei Jahren auf der Adelphi University in New York studiert und seitdem genau weiß, was es heißt, auf eigenen Füßen zu stehen.
Fan des FC Barcelona
Ein Sporttalent war Viktor Hockl schon immer. Neben dem Tennis spielte der große Fan des FC Barcelona („Ich schaue mir wirklich jedes Match an, da bin ich fast schon zu fanatisch“) auch Fußball und Golf, wo er sogar manche Turniere auf der österreichischen Tour gespielt hat. Doch mit 14 musste eine Entscheidung her, es ging sich schlicht nicht mehr aus, auf drei Hochzeiten zu tanzen. Also fiel der Entschluss, der Jagd nach der Filzkugel Priorität einzuräumen und zu schauen, wie weit er es mit Serve and Volley bringen könnte.
„Viktor gehörte damals schon zu den Top-Spielern seiner Altersklasse, war in Oberösterreich in den Top 3 und spielte Turniere in ganz Österreich und auch schon international“, sagt Stefan Fuchsberger von der Raiffeisenbank Region Amstetten. „Deshalb haben wir uns schon früh entschlossen, ihn mit Equipment und Zuschüssen für die Reisekosten zu unterstützen.“
Vertrauen, das Viktor Hockl bis heute zu schätzen weiß und das ihm damals auch half, noch mehr an sich und seine Fähigkeiten zu glauben. „Wenn dir jemand Externes vermittelt, dass er überzeugt ist, dass du mit deinem Talent deine Ziele erreichen kannst, gibt einem das schon einen Boost.“
Und über Talent verfügte er immer schon en masse. Das erste Mal, dass er daran glaubte, es bis ganz nach oben zu schaffen, war bei seinem Bundesliga-Debüt für den UTC Casa Moda Steyr, als er mit 16 Jahren auf einen gewissen Jürgen Melzer traf. Zwar verlor er gegen den früheren Weltklassespieler und heutigen Davis-Cup-Kapitän knapp mit 4:6 und 4:6, er merkte aber, dass er einigermaßen mit ihm mithalten konnte. „Heute würde ich sagen, dass ich das Match im Kopf verloren habe. Aber es hat mir damals einfach gezeigt, dass ich auf einem guten Weg bin.“
Plan B in der Tasche
Was Viktor Hockl und auch seinen Eltern immer schon wichtig war: einen Plan B zu haben. Alles auf die Karte Profisport zu setzen, ist eine riskante Angelegenheit. Das bekam der junge Mann mehr als einmal am eigenen Leib zu spüren. Einmal erlitt er einen Bandscheibenvorfall und durfte sechs Monate lang keinen Schläger anrühren. Und als er gerade mit bärenstarker Form unterwegs war und große Pläne schmiedete, bremste ihn die Corona-Pandemie aus, was zu zeitweiligen Trainingsverboten und abgesagten Turnieren führte.
Also war die Idee, Tennis mit einem Studium zu verbinden. Hockl schrieb sich in Recruiting-Portale ein, auf die US-Unis zugreifen und sehen können, wo die akademischen und wo die sportlichen Stärken der Bewerber liegen. Geworden ist es am Ende die Adelphi University auf Long Island, wo er sich nach der Matura 2022 einschrieb und mittlerweile die Hälfte seines Business-Management-Studiums abgeschlossen hat. Ein weiterer wichtiger Schritt im Reifeprozess des jungen Mannes.
Goldrichtige Entscheidung
„Durch Corona war es damals nicht möglich, mir alles im Vorfeld in Ruhe anzuschauen. Also bin ich vor zwei Jahren in den Flieger gestiegen und habe eigentlich nicht gewusst, was mich in New York erwartet“, erzählt Hockl. Doch die Ungewissheit wich schnell der Erkenntnis, eine goldrichtige Entscheidung getroffen zu haben. „Ich wurde mit total offenen Armen empfangen, mir wurde alles gezeigt, ich habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt. Es ist wirklich wie eine Familie hier.“
Zwar dauert das Studium ein Jahr länger als es bei einem vergleichbaren in Österreich der Fall wäre, dafür sind das tägliche Tennis-Training und Matches auf höchstem Niveau gegen andere Unis reibungslos in den Terminplan integriert. Was Hockl, der in einem Apartment auf dem Campus lebt und sich ein Zimmer mit einem serbischen Kollegen teilt, total entgegenkommt. „Wir haben drei bis vier Coaches, das Niveau hat sich in den letzten Jahren noch einmal stark gesteigert. Ich würde die Entscheidung, hierhin zu gehen, jederzeit wieder treffen.“ Und in den Monaten, in denen das Semester ruht, bleibt genügend Zeit, das eine oder andere Turnier in Österreich zu spielen.
Auch für die Zukunft gibt es konkrete Pläne. In zwei Jahren soll der Bachelor in der Tasche sein, dann will Hockl mit dieser Absicherung im Rücken noch einmal voll angreifen und schauen, wie weit er im Tennis kommen kann. Begleitet wird er dabei mit Sicherheit auch von den Gedanken an seine Mutter, die immer an das Potenzial ihres Sohnes geglaubt hat.