Der Tourismus ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor in Tirol, bietet das Bundesland doch sowohl im Sommer als auch im Winter durch den alpinen Raum ideale Urlaubsbedingungen. Diesen Umstand nahm man sich heuer zum Anlass, die ehemaligen Seefelder Tourismusgespräche – die bereits sieben Mal über die Bühne gingen – auf das gesamte Bundesland auszuweiten.
Zentrales Thema war bei den ersten Tiroler Tourismusgesprächen vor allem die Nachhaltigkeit. Ein Thema, das auch dem Veranstalter, der Raiffeisen-Bankengruppe Tirol, am Herzen liegt. So sei man sich der Verantwortung gegenüber der nächsten Generation durchaus bewusst, wie Thomas Wass, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der RLB Tirol, anmerkt. Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie habe man deshalb bereits klare Ziele in vier Bereichen geschaffen: Einerseits möchte die RLB Tirol bis zum Jahr 2035 CO₂-neutral sein, andererseits auch den Anteil an nachhaltigen Finanzierungen und Investments erhöhen.
Ebenso zählt die Bewusstseinsbildung bei Mitarbeitern und die Begleitung der Kunden bei der Transformation Richtung Nachhaltigkeit zu den zentralen Aufgaben. Den Kunden – vor allem, aber nicht nur – aus dem Tourismusbereich empfiehlt Wass, sich sofort mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und eine Strategie mit „herausfordernden, klaren Zielen“ zu erarbeiten. „Jeder kann etwas tun und niemand muss auf jemand anderen warten“, stellt er klar.
Positive Aussichten
„Das Thema Nachhaltigkeit ist ein immens wichtiges. Aber wer weiß das besser, als wir Touristiker, die ihre Betriebe in der Natur haben und die die schöne Natur Tirols sozusagen bei jedem Aufenthalt mitverkaufen“, so Landesrat Mario Gerber. Wichtig sei dabei jedoch, den Fokus nicht nur auf die ökologische Nachhaltigkeit zu legen, denn hinzu kommen ebenso die Bereiche der Ökonomie und des Sozialen. Und betrachte man alle drei Säulen, so sei der Tiroler Tourismus bereits „nachhaltiger als gedacht“, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Familienbetriebe, die das Bundesland im Tourismus vorzuweisen hat. „Es gibt große Hausaufgaben, aber wir machen im Tourismus bei weitem nicht alles schlecht“, führt er weiter aus.
So blicken Tirols Touristiker überwiegend optimistisch in die Zukunft, wie das Tourismusbarometer von Deloitte und der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) berichtet. Demnach erzielte die Branche mit 39,5 Mio. Sommer-Nächtigungen bis Juli 2023 ein Plus von 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr und übertraf damit das Vor-Pandemie-Jahr 2019 um 1,9 Prozent. Als zentrale Herausforderungen werden heuer jedoch die allgemein hohen Kosten und die schwierige Suche nach Mitarbeitern genannt. Dem gegenüber steht die große Chance, mit der nachhaltigen Ausrichtung der Geschäftsmodelle einen Vorsprung aufzubauen.
„Wer nachhaltige Aktivitäten sichtbar macht, spricht aktiv Gäste an, die auf bewusstes Reisen viel Wert legen. Laut ÖHV-Befragung achten 50 Prozent der Gäste bei Hotelauswahl und Anreise auf Nachhaltigkeit und 58 Prozent sind auch bereit, für einen Aufenthalt in nachhaltig agierenden Hotels mehr zu zahlen“, erklärt Barbara Winkler, Landesvorsitzende Tirol der ÖHV und Betreiberin des Hotels Kaiser und der Kaiserlodge in Scheffau.
Voneinander lernen
Eine Vorreiterregion im Bereich der Nachhaltigkeit ist das Schweizer Hochtal Engadin. In der bekannten Tourismusdestination verbuchen 138 Hotels jährlich rund 1,7 Mio. Nächtigungen – dabei entfallen rund 40 Prozent auf St. Moritz, das touristische Zentrum des Oberengadins. Seit 2023 gilt das Engadin zudem als „Swisstainable Destination“ und ist damit zertifiziert durch das Nachhaltigkeitsprogramm des Schweizer Tourismus. Zugrunde liege dem Erfolg der Region der Aufbau auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch und sozial –, ist sich Jan Steiner, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Engadin Tourismus, sicher. So soll sich das Engadin weg vom reinen Winter- und Skitourismus hin zu einer ganzjährigen Urlaubsregion entwickeln, womit ebenso ganzjährige Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Ebenso soll das Personal mittels entsprechend ausgestatteter Mitarbeiterunterkünfte unterstützt werden. Ein zentrales Projekt auf ökologischer Ebene ist zudem die Revitalisierung des Inns, der einen neuen Erlebnisraum für Gäste und Einheimische gleichermaßen bilden soll.
Und auch im Mobilitätsbereich lässt sich einiges von den Nachbarn lernen, denn während die Schweiz den öffentlichen Verkehr auch in Skigebieten zunehmend ausgebaut hat, setzte man in Österreich bisher eher auf den Straßenbau, stellt Ulrike Pröbstl-Haider vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der Universität für Bodenkultur Wien fest. So werden für die Anreise in Skigebiete vorwiegend jene Verkehrsmittel genutzt, die die höchsten Treibhausgasemissionen verursachen: einerseits das Auto und andererseits – im Fall von internationalen Gästen – das Flugzeug. „Der Tourismus ist Verursacher und Betroffener zugleich. Tirol kann es nur rausreißen, wenn der Gast mitspielt“, weiß die Expertin und schlägt innovative Mobilitätsangebote wie eine kostenlose Öffi-Karte zum Skiticket als möglichen Anreiz vor.
Laufende Projekte
Obwohl der Bereich Mobilität zwar für den Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, so müsse man die Nachhaltigkeit dennoch auch in allen anderen Bereichen – Gastronomie, Hotels und Aktivitäten – vorantreiben. Regionale Vorzeigeprojekte und nachhaltigkeitstreibende Aktivitäten wurden dabei in Form zweier Talk-Runden vorgestellt. So berichteten Beate Rubatscher-Larcher, Geschäftsführerin Kaunertaler und Pitztaler Gletscherbahnen, und Raphael Kuen, Manager Lebensraum Ötztal, von ihren Wegen zur Energieautonomie bzw. zur Genussregion. Elias Walser vom Tourismusverband Seefeld – die „Region Seefeld – Tirols Hochplateau“ erlangte im Juni als erste Destination in Österreich die Auszeichnung mit dem Österreichischen Umweltzeichen – und Katrin Kröll von Booking.com teilten zudem ihr Wissen zu Nachhaltigkeit als bestimmenden Wettbewerbsvorteil.
Abschließend informierte Paul Ivić, Küchenchef und Geschäftsführer des Restaurants Tian, über die Auswirkung des Essverhaltens auf die Gesellschaft in allen Bereichen, von der Umwelt über die Wirtschaft und Gesundheit bis hin zum Sozialverhalten. „Die meisten Gäste Tirols begeistert die Natur und wir sind dabei, diese Natur zu zerstören. Nicht nur die letzten Eisbären sterben aus, sondern auch die letzten Skigebiete“, so der Gastronom. Mit der bewussten Auseinandersetzung mit dem eigenen Ess- und Konsumverhalten könne jedoch jeder Einzelne etwas zu einer nachhaltigen Zukunft beisteuern. So rät er, den aktuell viel zu hohen Konsum von Fleisch und Fisch – vor allem aus Massentierhaltung – zu reduzieren. Besonders wichtig sei dabei: „Nachhaltigkeit hat nichts mit Verzicht zu tun. Es ist die Steigerung unser aller Lebensqualität“, stellt Ivić klar.