Vielfalt statt Einfalt

Der erste Raiffeisen-Bundeskongress „Diversität & Co-Kreation“ hat sich zum Ziel gesetzt, das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und Umsetzungsideen zu liefern.

Gemischte Teams erzielen bessere Ergebnisse als homogene, dennoch gibt es beim Thema Diversität in Unternehmen noch Aufholbedarf. (c) Raiffeisen Campus/Joseph Krpelan

Diversität steht für Vielfalt, für Vielfältigkeit. Es geht darum, jeden Menschen, genau so wie er ist, Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen. Auch wenn Raiffeisen seit Jahren für Vielfalt steht und Zusammenarbeit als Garant für Erfolg und Risikodiversifizierung nutzt, so gibt es doch Aspekte der Diversität, die noch nicht ausreichend adressiert werden, so die beiden Moderatoren Martina Weissenbök und Josef Buchleitner vom Raiffeisen Campus in ihrer Einleitung. Daher umfasse der Kongress alle Dimensionen von Diversität und wolle Bausteine liefern, um im Führungsteam, bei den Mitarbeitenden, der Eigentümervertretung und bei den Kundinnen und Kunden „einen echten Unterschied zu machen“. 

In der Arbeitswelt meint Diversität die Unterschiede und Gemeinsamkeiten innerhalb einer Belegschaft. Mitarbeitende besitzen individuelle Persönlichkeitsmerkmale. Alter und Geschlecht sind jene zwei, die in diesem Zusammenhang am häufigsten genannt werden. Oder auch die ethnische Herkunft. Aber es geht auch um Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung sowie eine eventuelle Behinderung. Dazu kommen weitere, äußere Dimensionen wie zum Beispiel Familienstand, Berufserfahrung oder Freizeitinteressen. Wenn es gelingt, diese Vielfalt in der Belegschaft wertzuschätzen und zu fördern, wird das auch den wirtschaftlichen Erfolg vergrößern, die Zusammenarbeit verbessern und die Innovationskraft steigern – das belegen bereits zahlreiche Studien. 

Unternehmen stehen heute zunehmend vor der Aufgabe, auf die Individualität der Menschen Rücksicht zu nehmen und die Voraussetzungen zu schaffen, diese kreativen und innovativen Potenziale besser zu nutzen und Kooperation zu fördern. Das erfordert unter anderem neue Wege in der Führung und in der Personalpolitik. So haben 160 Teilnehmer:innen aus allen Bundesländern, Sparten und Sektorstufen am Diversitäts-Kongress in Linz teilgenommen, um sich eineinhalb Tage lang dem Thema Vielfalt und Zusammenarbeit in all seinen Dimensionen zu widmen, über dessen Relevanz zu diskutieren, schon bestehende Initiativen kennenzulernen und Diversität im eigenen Unternehmen künftig besser nutzbar zu machen. Und allein die Tatsache, dass mit 109 Teilnehmerinnen doppelt so viele Frauen wie Männer dabei waren, hat diese Raiffeisen-Veranstaltung speziell – und vielfältig – gemacht. 

Raiffeisen ist Vielfalt

Auch Gastgeber Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, betonte in seinen Begrüßungsworten, dass dieser Kongress „keine Frauenveranstaltung“ sei. Bei Diversität und Co-Kreation gehe es vielmehr um Vielfalt, Zusammenarbeit und um gemeinsame Ideen, die für das Unternehmen, die Gesellschaft und die Region wichtig seien – und genau dafür sei Raiffeisen prädestiniert. Es gelte, sich im Sektor gemeinsam Ziele zu setzen, miteinander zu reden und die besten Lösungen zu finden: „Diversität heißt, sich mit anderen zu beschäftigen, zu kooperieren und Lösungen zu finden“, brachte es Schaller auf den Punkt. 

Was Vielfalt bedeuten und wie man sie in Unternehmen nutzbar machen kann, erläuterte Heike Mensi-Klarbach, Leiterin des HR-Bereiches in der Raiffeisen Bank International (RBI). „Diversität stellt sich in der Regel nicht von selbst ein und ist mitunter anstrengend“, weiß die Expertin, die vor ihrer Karriere bei der RBI unter anderem an der Wirtschaftsuniversität Wien am Institut für Gender und Diversität in Organisationen tätig war, „denn gleich und gleich gesellt sich gern“. Diversität in Unternehmen müsse „bewusst herbeigeführt werden“, indem man sich Ziele setzt, Bewusstsein für das Thema schafft und die Rahmenbedingungen anpasst. Zudem sei für diesen Prozess Zeit, ein klarer Fokus und Beständigkeit notwendig. In der RBI sei Diversität jedenfalls „ein Faktum – es ist aber nicht immer leicht“, räumt Mensi-Klarbach ein. Was es unbedingt brauche, sei ein „gemeinsamer Boden in Form gemeinsamer Werte und Ziele“. Die RBI hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 30 Prozent Frauen in Managementpositionen in Wien und 35 Prozent in der RBI Group zu haben.

Ein Gruppenfoto aller Teilnehmer des Raiffeisen-Diversitätskongresses
Die Teilnehmer des Raiffeisen-Diversitätskongresses verbrachten zwei spannende Tage in Linz. (c) Raiffeisen Campus/Joseph Krpelan

Kulturveränderung

Ariane Pfleger, Vorstand in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark für Transformation und damit unter anderem für das Thema Diversität zuständig, sieht die Umsetzung von Maßnahmen für mehr Vielfalt und Kooperation im Unternehmensalltag als „Kulturveränderung, die Zeit und Durchhaltevermögen braucht“. Als Erfolgsfacetten in der RLB Steiermark diesbezüglich habe sich ein eigenes Mentoringprogramm, branchenübergreifendes Recruiting sowie eine starke Präsenz an den Universitäten erwiesen. Zudem tragen vor allem Verbundprojekte wie etwa ein Ideenwettbewerb zu Co-Kreation bei.

Im Raiffeisenverband Salzburg (RVS) werde das Thema Diversität – analog zur Führungswirksamkeit – auf Basis der vier Säulen Aufrichtigkeit, Ergebnisorientierung, Eigenverantwortung und positivem Umgang gelebt, erläutert RVS-Vorstandsmitglied Anna Doblhofer-Bachleitner. Sichtbar werde dies beim Thema Frauen unter anderem durch den „Treffpunkt Amalie“, einer Plattform, die engagierten Frauen bei Raiffeisen Salzburg ein Netzwerk bietet, um sich auszutauschen und das anderen Frauen Mut machen will, sich als Funktionärin ehrenamtlich zu engagieren oder als Mitarbeiterin in eine Führungsposition aufzusteigen.

Für das Burgenland als Vorzeigebundesland in Sachen Frauenquote im Vorstand – zwei der drei Vorstände der Raiffeisenlandesbank Burgenland sind Frauen – bedeutet Vielfalt laut RLB-Vorstand Petra Pani auch, „alle, über Hierarchieebenen und Bereichsgrenzen hinweg an einen Tisch zu holen“ und im engsten Umfeld mit Ehrlichkeit, Klarheit und Offenheit zu agieren. „Jeder muss die gleichen Chancen haben – was nicht bedeutet, dass aus Frauen die besseren Männer werden“, unterstreicht Pani. Entscheidend sei die Kompetenz, nicht das Geschlecht.

Wertehaus

Wie Diversität in der RRB Mödling wirksam wird, beschreiben Geschäftsleiterin Sonja Laimer und HR-Leiterin Ursula Küssel so: „Diversität bedeutet Individualität. Das heißt, gut zuzuhören und klare Kommunikation sind ebenso wichtig wie enthusiastisch sein und Freude am Job zu haben.“ Diversität sei zudem in der Strategie der Bank und über ein sogenanntes Wertehaus fest bei der RRB Mödling verankert. 

Dagmar Inzinger-Dorfer, Geschäftsleiterin der RB Region Ried und Mitglied im Frauennetzwerk „Leading Ladies“ bei Raiffeisen, managt in ihrer Bank fünf Generationen innerhalb der Belegschaft und fördert mit einem eigenen Mentoring-Programm speziell Frauen in ihrer Region. 

Petra Gregorits, Unternehmerin, Aufsichtsratsmitglied der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien und erste Frau im Präsidium des SK Rapid Wien, erlebt die „Bretter beim Thema Diversität als besonders hart“. In nahezu jeder Sitzung gehe es darum, dass Unternehmen „jünger und weiblicher“ werden wollen, so die Beraterin. 

Als „Lobbyist für Diversität mit Fokus auf Frauen“ sieht sich Hermann Kuenz, Obmann des Raiffeisenverbandes Tirol. Während es in der Politik – Kuenz ist auch Landtagsabgeordneter in Tirol – das Thema Diversität bereits seit Jahren gebe, müsse es bei Raiffeisen erst aufgebaut werden, so der Obmann. Im RV Tirol  sei daher eine Diversitätsbeauftragte eingesetzt worden, denn: „Ich finde keine Frau für das Funktionärsamt lasse ich als Ausrede nicht mehr gelten“, betont Kuenz. 

Andreas Dorner, Aufsichsratsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Vorarlberg, kennt als erfolgreicher Unternehmer die Vorteile von Vielfalt und eine seiner wesentlichsten Aufgaben als Eigentümervertreter eine zukunftssichere Nachfolge in der Organisation zu bewerkstelligen.

Attraktiver Arbeitgeber

Dass das Thema Diversität und Arbeitgeberattraktivität stark an Bedeutung zugenommen hat, unterstreicht auch Elke Berger, Personalchefin der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien. „Der Wert der Wertschätzung macht Raiffeisen als Arbeitgeber attraktiv“, so die Expertin. Junge Menschen legen wert auf eine Kultur der Wertschätzung und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Wichtig sei zudem, dass Führungskräfte umdenken und „stärkenbasiertes Führen“ gelebt werde. Mitarbeitende sollten dort eingesetzt werden, wo sie ihre Stärken bestmöglich einbringen können und durch positives Feedback motiviert werden. Dann stelle sich Diversität als Erfolg dieser Maßnahmen von selbst ein. 

Die RB Längenfeld hat sich – als einzige Raiffeisenbank in Österreich – mit einer Gleichstellungsstrategie für Mitarbeitende und Kunden:innen attraktiv gemacht, berichtet deren Geschäftsleiter Harald Löhner: „Obstkorb und Yogakurs sind heutzutage zu wenig, um gute Mitarbeiter zu finden.“ Über die Diskussion zur Familienfreundlichkeit sei man zur Arbeitnehmerfreundlichkeit gekommen und habe einen „Generationendialog“ in der Bank gestartet, um die Vielfalt an Alter und Bedürfnissen zu managen. „So sind wir ein cooler Arbeitgeber geworden, obwohl wir eine Bank sind“, so Löhner mit einem Augenzwinkern.