Von wegen „Männerjob“

Vier junge Frauen absolvieren die Lehre bei einem Lagerhaus und brechen damit alte Rollenbilder auf.

Die vier Lagerhaus-Lehrlinge bei der Arbeit
(c) Privat

„Das ist kein Beruf für ein Mädchen mit langen Fingernägeln“, sagt Rania Stürczer, eine von rund 1.000 Lehrlingen, die österreichweit bei Lagerhäusern ausgebildet werden. Die 18-Jährige absolviert aktuell die Lehre als Installations- und Gebäudetechnikerin beim Lagerhaus Gmünd-Vitis. Bei der Heizungsmontage oder dem Verlegen von Wasserleitungen macht man sich wohl oder übel die Hände schmutzig. „Man muss schon auch Dinge angreifen, die man sonst nicht so gern angreifen will“, unterstreicht Rania den „dreckigen“ Aspekt ihrer Arbeit mit einem Augenzwinkern. Sie stört das nicht. Schon als Kind war sie fasziniert von der Technik, wollte wissen, wie die Dinge funktionieren, wie die einzelnen Komponenten zusammenspielen und schlussendlich ein großes Ganzes ergeben.

Am herausforderndsten sei „die schwere Arbeit, das Stemmen der Gewichte“. Eine Gastherme aufzuhängen oder einen Heizkörper herumzutragen zehrt eben an den Kräften. Ihren ausschließlich männlichen Kollegen habe sie schon gezeigt, dass sie als Frau „nicht weniger kann“. Sollte es einmal aber doch an Kraft fehlen, packen alle mit an. „Es ist schade, dass so wenige Frauen solche Berufe ausüben“, sagt Rania, der es ein besonderes Anliegen ist, mehr Frauen für handwerkliche Berufe zu begeistern: „Wenn es Corona wieder zulässt, würde ich gerne in die Polytechnische Schule kommen und dort als positives Beispiel Werbung für diese Lehrberufe machen.“

Aber nicht nur in technischen und handwerklichen Berufen sind weibliche Lehrlinge unterrepräsentiert, sondern in der Lehrlingsausbildung generell. Seit 1990 hält sich der Anteil weiblicher Lehrlinge auf einem relativ konstanten Niveau von rund 34 Prozent. In den vergangenen Jahren ist er allerdings wieder leicht auf 32,6 Prozent gesunken, wie aus einem Forschungsbericht des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) hervorgeht.

Während 2019 die Sparte Handel mit rund 60 Prozent den höchsten Anteil an weiblichen Lehrlingen verzeichnet, ist er in der Industrie (17 Prozent) sowie im Gewerbe und Handwerk (20 Prozent) am niedrigsten. Zudem ist bei weiblichen Lehrlingen eine besonders hohe Konzentration auf einige wenige Lehrberufe festzustellen: Ende 2019 wurden 41,5 Prozent der weiblichen Lehrlinge in nur drei Lehrberufen – Einzelhandel, Bürokauffrau, Friseurin – ausgebildet. Als „typisch männlicher“ Beruf schafft es nur die Metalltechnik in die Top-10 der weiblichen Lehrberufe. Den 1.077 weiblichen Lehrlingen in diesem Beruf stehen knapp 9.800 männliche gegenüber.

Die Erhebungen zeigen aber auch, dass der Anteil weiblicher Lehrlinge in den besonders männerdominierten Lehrberufsgruppen wie „Elektrotechnik/Elektronik“, „Maschinen/Fahrzeuge/Metall“, „Bau/Architektur/Gebäudetechnik“ seit 2014 leicht gestiegen, in Lehrberufsgruppen mit besonders hohen Frauen-Anteilen wie zum Beispiel „Körperpflege/Schönheit“ hingegen gesunken ist. „Es lässt sich demnach eine leichte Tendenz in Richtung Aufweichung der geschlechtsspezifischen Lehrberufswahl erkennen“, lautet die Conclusio im IBW-Bericht.

Auch die 16-jährige Natalie Holzschuh hat von Anfang an gewusst, nie „einen richtigen Mädels-Beruf“ ausüben zu wollen: „Ich kann mir nicht vorstellen, zum Beispiel in einem Büro zu arbeiten. Ich wollte etwas Handwerkliches machen, etwas, wo ich mir die Finger schmutzig mache und anpacken muss.“ Am meisten Spaß bereitet es ihr, eigenständig Dinge auseinanderzunehmen, zu reparieren und dann wieder zusammenzusetzen. Als Land- und Baumaschinentechnikerin beim Lagerhaus Korneuburg und Umgebung bringt sie Kleingeräte und Rasenmäher wieder auf Vordermann oder hilft beim Traktor-Service. „Zu wissen, dass ich das gerade gemacht habe, erfüllt mich unheimlich mit Stolz“, freut sich Natalie, die plant, nach ihrer Gesellen- auch die Meisterprüfung abzulegen. „Damit möchte ich als Vorbild für andere Frauen dienen und zeigen, dass man als Frau genauso gut einen technischen Beruf ausüben kann.“

Eher untypisch

Obwohl auch Jana Franken ihre Berufswahl als „eher untypisch“ einschätzt, ist ihr noch nie in den Sinn gekommen, ein Vorbild für andere Frauen sein zu können. Die 21-Jährige absolviert gerade die Lehre als Einzelhandelskauffrau mit dem Schwerpunkt Kfz und Ersatzteile im Lagerhaus Hollabrunn-Horn und ist der Meinung: „Wenn es dich interessiert, dann mach es einfach, egal ob es ein ‚Männerjob‘ ist. Zweifel braucht man keine haben, wenn das Interesse da ist, kann man alles schaffen.“ 

Ähnlich sieht es Lena Schabasser, sie lernt im Lagerhaus St. Pölten Einzelhandel mit dem Schwerpunkt Agrar. Auch sie beackert ein eher untypisches Berufsfeld. Die 19-Jährige stammt von einem landwirtschaftlichen Betrieb und hat bereits die Wein- und Obstbauschule in Krems erfolgreich absolviert. Danach fasste sie den Entschluss, eine zweite Ausbildung zu beginnen – vor allem eine, die sich mit ihrem Weinbau-Know-how gut kombinieren lässt. So ist sie beim Lagerhaus St. Pölten gelandet, wo sie vor allem in der Kundenberatung mit ihrem Wissen über Futtermittel, Weingarten-Bedarf, Spritzmittel oder Dünger punkten kann.
Dass sie schon einmal mit Geschlechter-Vorurteilen konfrontiert gewesen wäre, kann sie nicht bestätigen, sagt Lena. Ganz anders verhält es sich allerdings auf der Baustelle, in der Werkstatt oder im Ersatzteillager. Immer wieder erlebt Jana, dass – hauptsächlich männliche – Kunden nach männlichen Kollegen verlangen, weil sie ihr nicht das entsprechende Know-how zusprechen.

Auch Natalie erntet oft überraschte Blicke, genauso wie Rania, wenn sie mit ihren Kollegen auf der Baustelle eintrifft. „Ab und zu muss man sich so etwas anhören. Wenn man die Anliegen der Kunden dann trotzdem erfüllt, sind sie regelrecht verblüfft“, erzählt Jana. Natalie begegnet den Skeptikern ganz offen, sucht das Gespräch und erklärt ihnen, dass „der Beruf einfach mein Traum ist“. Damit sind meist alle Vorurteile aus dem Weg geräumt. 

Diese vier jungen Frauen zeigen, dass traditionelle Rollenbilder und eine geschlechtsspezifische Berufswahl immer mehr an Bedeutung verlieren. Und wie wichtig es ist, die eigenen Talente und Interessen zu verfolgen, um mit Leidenschaft seinem Beruf nachzugehen.