Wein: „Die Liebhaberei hört sich auf“

Die Weinbranche ist im Wandel, wie ein Besuch in Gols zeigt. Mit Tradition, Innovation und Größe wollen Winzer profitabel bleiben und den Gusto auf Wein wieder ankurbeln.

„2024 war das beste Rotweinjahr der vergangenen 20 Jahre, aber niemanden interessiert es“, so bringt es Jürgen Wurzinger vom Lagerhaus in Gols auf den Punkt. Der Top-Jahrgang ist dabei im Labor bestätigt, denn das Lagerhaus in Gols nimmt Trauben und Wein im hauseigenen Labor ganz genau unter die Lupe. Allein im Oktober wurden rund 3.000 Proben auf Alkohol, Säure, Zucker bis hin zu Eisen- und Kupfergehalt analysiert. Den Weinmarkt beobachtet Wurzinger, selbst Winzer, seit seiner Karriere beim Lagerhaus aufmerksam: „Wir sind vor 25 Jahren beim Rotweinboom eingestiegen. Momentan herrscht Flautenstimmung: Der Rotwein liegt nach wie vor in den Kellern. Vor allem der Blaufränkische wurde zum Sorgenkind.“

Diese „Flautenstimmung“ im Weinbau macht sich in Gols bei der Anbaufläche deutlich bemerkbar: Im Vorjahr ist die Rebfläche um 10 Prozent auf insgesamt 1.000 ha zurückgegangen. Seit den 1990ern hat sich die Anzahl der Winzer in Gols sogar auf ein Viertel reduziert, derzeit gibt es noch 100 Weinbauern, davon etwa 60 im Haupterwerb. Gols ist damit nach wie vor die größte Weinbaugemeinde Österreichs – nach Winzerdichte –, aber der Strukturwandel ist deutlich spürbar.

Schweirige Lage

„Momentan ist die Lage am österreichischen Weinmarkt schwierig: Die Lager sind voll. Die Trends wechseln schnell, aber als Weinbauer denkt man in Generationen“, erklärt Jungwinzerin Susanne Riepl, die soeben von einem Praktikum in Neuseeland zurückgekommen ist und bald den 15-Hektar-Betrieb ihrer Eltern übernehmen wird. Den Rotweinboom haben ihre Eltern auch mitgemacht: 1998 lag der Weißweinanteil beim Weingut Riepl noch bei 75 Prozent – so wie das ganze Burgenland noch ein Weißweinland war. Heute ist das Verhältnis von Rot zu Weiß bei den Riepls nahezu fifty-fifty. 

Die Weine – vom spritzigen Rheinriesling bis zu fruchtigen Rotweinen – werden von der Familie selbst vermarktet. „Das nimmt viel Zeit in Anspruch“, schildert Riepl, gerade jetzt, wenn die Keller voll sind. Der Vertriebsaufwand ist auch der Grund, warum Susanne Riepl nicht unbedingt neue Flächen dazugewinnen will, sondern mit innovativen Weinen – etwa einem Traminer in Barriqueausbau – in aller Munde bleiben will. Ihre Mutter Christine hingegen hält eine Verdoppelung der Fläche auf 30 Hektar für unerlässlich und Bewegung sei in den Weingärten momentan auch gegeben. Die Familie Riepl selbst hat sich erst kürzlich von ihren Traminer- und Muskat Ottonel-Flächen getrennt. 

Investitionen in Wachstum

Bereits jetzt viel größere Dimensionen hat das Weingut von Michael Allacher erreicht. Er verarbeitet etwa 120 Hektar – rund die Hälfte davon Weißweintrauben – und hat nach der Betriebsübernahme 2016 kräftig investiert. Am Salzberg hat er um 4,3 Mio. Euro einen Vorzeigebau aus Holz mit 3.600 m2 hingestellt, der neben der Weinproduktion und Lagerung auch Platz für Verkostungen bietet.

Ausgestattet ist der Betrieb mit modernster Technik, um den Personalaufwand gering zu halten – zumal es immer schwieriger werde, gutes Personal zu finden. Erst kürzlich hat er deshalb um 1,2 Mio. Euro eine automatische Abfüllanlage eingebaut, die 4.000 Flaschen pro Stunde ohne menschliches Zutun schafft. Insgesamt produziert Allacher 700.000 bis 800.000 Liter jährlich, wovon rund die Hälfte über Spar-Supermärkte verkauft wird. 20 Prozent werden in der Gastronomie ausgeschenkt und der Rest wird von Privatpersonen ab Hof oder online gekauft.

Eine „Flaute“ gibt es bei Allacher entgegen dem Markttrend nicht: „Wir haben im Vorjahr einen Umsatzrekord erreicht, aber wir tun auch viel dafür.“ Neben Investitionen in modernste Technik – von der maschinellen Ernte im Weingarten bis zur Abfüllung – und regelmäßigen Veranstaltungen mit bis zu 500 Personen reflektiert der umtriebige Winzer auch auf neue Konsumtrends. So bietet er seit Corona-Zeiten ebenfalls Spritzer in der 0,3-Liter-Flasche an und setzt seit Mitte 2024 auch auf entalkoholisierten Wein – in rot und weiß. Mit Erfolg, denn davon konnten bereits 60.000 Flaschen verkauft werden.

„Man darf nie stehen bleiben“, ist Allacher überzeugt und beobachtet einen kräftigen Schwund bei kleinen Weinbaubetrieben, jenen unter 10 ha: „Die Liebhaberei hört sich auf. Wer wenig Wein macht, muss ihn teurer verkaufen, aber der Wein schmeckt deshalb nicht umso besser.“ Grund für viele Schließungen sei auch der hohe bürokratische Aufwand und der Klimawandel, der Investitionen in Hagelnetze, Kühlanlagen und Bewässerungssysteme notwendig mache.

Ansatzpunkte der Politik

Die Weinbranche hat momentan mit Herausforderungen von mehreren Seiten zu kämpfen. Allen voran geht der Weinkonsum in den industrialisierten Ländern zurück. Auch in Gols bleiben viele Kunden aus, die sich früher das Auto angefüllt haben, und nach dem Weinfrühling wird nur mehr flaschenweise anstatt wie früher kartonweise gekauft. 

Wie dramatisch die Lage auch auf europäischer Ebene ist, zeigt sich daran, dass auf EU-Ebene eine High Level Group eingerichtet wurde, um Strategien für eine funktionierende Weinwirtschaft zu erarbeiten. Zentrale Forderung aus österreichischer Sicht ist dabei die Möglichkeit einer achtjährigen anstatt wie bisher fünfjährigen Stilllegung von Pflanzgenehmigungen – ohne das Recht zu verlieren.

Nikolaus Berlakovich, Jürgen Wurzinger, Susanne Riepl, Michael Allacher und Josef Glatt sehen die Zukunft des Weinbaus in der Verbindung von Tradition und Innovation.
Nikolaus Berlakovich, Jürgen Wurzinger, Susanne Riepl, Michael Allacher und Josef Glatt sehen die Zukunft des Weinbaus in der Verbindung von Tradition und Innovation. © Jürgen Pistbacher

„Rodungen wollen wir nicht“, betont Josef Glatt, Direktor des Österreichischen Weinbauverbands. Anders ist das etwa in Frankreich, wo die Regierung mit nationalen Mitteln Rodungen fördert. Vielmehr sollte man in Österreich eine Stilllegung für ökologische Leistungen fördern, so Glatt. Zudem will er die Summe der Fördermittel, die nicht ausgenutzt wurde, in das nächste Jahr transferieren. Für heimische Winzer sieht Glatt aktuell Möglichkeiten, neue Exportmärkte zu erschließen und den Weintourismus anzukurbeln. Mit gezielten Marketingmaßnahmen will man vor allem die junge Zielgruppe verstärkt ansprechen. Gewisse Mengen an Rotweintrauben sollen dazu in die trendige Rosé-Schiene gehen.

Nikolaus Berlakovich, Präsident der Landwirtschaftskammer Burgenland, blickt insgesamt positiv in die Zukunft und ist überzeugt: „Der Wein ist in unserer Gesellschaft seit Jahrtausenden stark verankert und wird auch in Zukunft ein wichtiges Kulturgut sein.“ Wie ganze Regionen an diesem Kulturgut hängen und arbeiten, das wird bei einem Besuch in Gols schnell klar. 

AusgabeRZ18-2025

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