Prognose: Aufwind aus dem Osten 

Der Wachstumskurs in Osteuropa stärkt auch Österreichs Wirtschaft. Jedoch bedrohen mehrere Risiken den Aufschwung.

GRAFIK: BIP-Wachstumsprognosen für die wichtigsten Handelspartner Österreichs in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (real, in Prozent pro Jahr)

In den meisten Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas wird das Wachstum im laufenden Jahr 2024 besser sein als im Vorjahr – so lautet die durchaus positive Frühjahrs-Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) für 23 Länder der Region. Besonders im Aufwind sind jene davon, die Mitglied der EU sind, hier geht das WIIW von einem Wirtschaftswachstum von im Schnitt 2,5 Prozent aus, für 2025 wird eine weitere Steigerung auf 3 Prozent erwartet. Zahlen, von denen man in der heuer beinahe stagnierenden Eurozone (0,6 Prozent) derzeit nur träumen kann. Auch im nächsten Jahr dürften die ostmitteleuropäischen EU-Mitglieder mit 1,6 Prozent fast doppelt so stark wachsen.

Dem Aufschwung liegen mehrere Faktoren zugrunde: Während die Nominallöhne steigen, sinkt die Inflation, wodurch die Reallöhne stark zunehmen. Auch die Arbeitslosenrate war im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2023 rückläufig. Die dadurch angespannten Arbeitsmärkte treiben wiederum die Löhne nach oben. „Angesichts steigender Reallöhne, vor allem aufgrund einer stark rückläufigen Inflation, ist der private Konsum die Hauptstütze des Wachstums“, erklärt Olga Pindyuk, Ökonomin am WIIW und Hauptautorin der Frühjahrsprognose.

Stütze für Österreich

Aus österreichischer Sicht macht der wieder anspringende Konjunkturmotor in Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei optimistisch. Mit einem Wachstum von im Durchschnitt 2,4 Prozent werden die Visegrád-Staaten damit wieder eine wichtige Stütze für die heimische Konjunktur darstellen, umso mehr, weil die heimische Nachfrage 2024 praktisch stagnieren dürfte. Selbiges gilt auch für Rumänien (3 Prozent) und Kroatien (2,9 Prozent), die nicht zuletzt dank Mittelzuflüssen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGeneration EU in diesem Jahr vergleichsweise stark wachsen und wirtschaftlich eng mit Österreich verflochten sind. Auch die sechs Staaten am Westbalkan werden im Schnitt um 3 Prozent expandieren, die Türkei um 3,4 Prozent. 

Putins (Kriegs-)wirtschaft

Freilich gibt es auch Ausnahmen – und zwar vorrangig für jene Länder, die in den Krieg in der Ukraine involviert sind. Dem kriegsgebeutelten Land prognostiziert das WIIW nach 5,3 Prozent im vergangenen Jahr heuer ein Wachstum von 3,2 Prozent. Trotz wirtschaftlicher Erfolge, wie der Wiedereröffnung des Schwarzmeer-Korridors für den Export landwirtschaftlicher und metallurgischer Produkte, der eine Lebensader für die Ukraine darstellt, litt das Land auch unter der Grenzblockade polnischer Landwirte. 2023 reduzierten sich die Warenexporte nach Polen um rund ein Drittel. Dazu kommen die in letzter Zeit wieder massiven russischen Luftangriffe. „Das Fehlen von Flugabwehrraketen wird immer mehr auch zu einem ökonomischen Problem, weil die Energieversorgung und wichtige Industriebetriebe immer öfter getroffen werden“, beklagt Pindyuk.

Russlands Wirtschaft ist derzeit aufgrund der hohen staatlichen Rüstungsausgaben vor allem eine Kriegswirtschaft. Dadurch boomt sie zwar weiterhin, droht jedoch zu überhitzen. Nach einem unerwartet starken BIP-Wachstum 2023 von 3,6 Prozent wird dieses sich heuer aber auf 2,8 Prozent abschwächen. Das WIIW rechnet damit, dass im zweiten Quartal der konjunkturelle Zenit überschritten wird. „Putin wird das Geld für den Krieg nicht ausgehen“, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des WIIW im Hinblick auf sprudelnde Steuereinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Für die russische Wirtschaft stelle sich eher die Frage, was nach dem Krieg kommt, denn: „Momentan ist sie vollkommen von ihm abhängig“, so Astrov.

Globale Gefahrenherde

Die Prognose für Mittel-, Ost- und Südosteuropa ist zwar grundsätzlich positiv, steht jedoch auf wackeligen Beinen. Aus Sicht des WIIW stellt etwa ein möglicher Wahlsieg Donald Trumps in den USA ein Risiko für den Aufschwung dar, könnte ein solcher doch dem Welthandel schaden und die Sicherheitslage in Europa verschlechtern. Schließlich hat Trump bereits mehrfach mit dem Abzug von US-Truppen aus Europa gedroht. 

„Auch ein Krieg im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran würde wohl zu einem neuerlichen Energiepreis-Schock führen und die Inflation wieder befeuern“, befürchtet Pindyuk. Zudem könnten höhere Realzinsen Probleme auf den Immobilien- und Finanzmärkten verursachen und die Region dadurch wieder in Turbulenzen bringen. Selbiges gilt im Fall einer anhaltend schwachen Erholung der deutschen Wirtschaft – ein Faktor, der den Aufschwung im Osten Europas bereits jetzt bremst.