Rollende Bullenherde

Die Sitting Bulls aus Klosterneuburg sind beim Rollstuhl-Basketball das Maß aller Dinge. Gründer und Trainer Andreas Zankl über Brutalität auf Rädern, elf Titel in Serie, europäische Ambitionen und die knifflige Aufgabe, einen erfolgreichen Kader zu formen.

Mit einem so harten Stück Arbeit hätten wohl die wenigsten Beobachter gerechnet. Rückschläge, Aufholjagden, Führungswechsel – die Finalserie zwischen den Sitting Bulls aus Klosterneuburg und den Grazer Flinkstones hatte alles, was spannenden Rollstuhl-Basketball ausmacht. Und am Ende einen Sieger aus Niederösterreich, der sich den bereits elften Meistertitel in Serie einstrich. „Man muss es klar sagen: Wir hatten ein ziemliches Sch…jahr“, nahm sich Bullen-Trainer und Teamgründer Andreas Zankl kein Blatt vor den Mund. „Dauernd war jemand verletzt, krank oder konnte aus anderen Gründen nicht trainieren. Wir hatten selten unser bestes Team auf dem Feld. Vor diesem Hintergrund war es eine sensationelle Leistung, den Titel zu gewinnen, jedenfalls alles andere als Glück. Davor ziehe ich den Hut!“

Der Mann weiß, wovon er spricht. Fast 40 Jahre ist es her, als er in seiner Funktion als Sportlehrer am Rehabilitationszentrum Weißer Hof zu einer Gruppe von sechs, sieben jugendlichen Rollstuhlfahrern sagte: „So, und ihr spielt jetzt Basketball!“ Wobei die eigene Affinität zu dem Sport, bei dem er es bis in die höchste österreichische Liga schaffte, sicher ein entscheidender Punkt war. Und Zankl ließ nicht nur spielen, er setzte sich auch selbst in einen Rollstuhl, auch wenn er keine Behinderung hatte, wegen der er darauf angewiesen wäre. „Aber es ist schon etwas ganz anderes, ob man im Stehen oder aus einer sitzenden Position heraus wirft. Da wollte ich schon genau wissen, wovon wir da reden.“

Fauchender Bulle im Rollstuhl

Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert. 1990 holte man bereits den ersten Titel nach Niederösterreich, damals noch unter dem Namen BSV Weißer Hof. Vier Jahre später folgte dann die Umbenennung in Sitting Bulls. In Anlehnung an die berühmten Chicago Bulls aus der NBA, die mit Superstar Michael Jordan das Spiel revolutionierten und zu einer der berühmtesten Mannschaften aller Zeiten wurden. Aber auch mit einem selbstironischen Touch mit Blick auf den Anführer des Stammes der Sioux, der sich gegen die amerikanischen Siedler zur Wehr setzte. „Als ein befreundeter Karikaturist das entsprechende Logo für uns entwarf, war ich sofort Feuer und Flamme“, erinnert sich Zankl. „Der fauchende, aggressive Bulle im Rollstuhl – das war genau das, wie wir uns gesehen haben.“

Um den Sport finanzieren zu können, dockte man im Basketball-verrückten Klosterneuburg bei den Dukes und den Duchess an, um deren Infrastruktur mitnutzen zu können. Und man holte sich starke Sponsoren an Bord wie die Raiffeisenbank Klosterneuburg, mit der man bis heute eine funktionierende Partnerschaft pflegt. „Das macht uns schon stolz, dass wir noch immer auf einer sehr fruchtbaren Ebene kooperieren“, sagt Zankl, der viele Jahre als Spielertrainer das Team unterstützte.

Kniffelige Aufstellung

Sitting Bull-Trainer Andreas Zankl
Trotz eines schwierigen Jahres holte das Team von Trainer Andreas Zankl sensationell den Meistertitel. © Astrid Berger

Das wiederum ist auf das spezielle Regelwerk zurückzuführen, wie ein Team beim Rollstuhl-Basketball zusammengesetzt werden muss. Jeder Spieler wird mit einer Punktzahl zwischen 1 (schwerste Behinderung) und 4,5 (keine Behinderung) bedacht, die fünf Spieler auf dem Feld dürfen in der Addition auf nicht mehr als 14,5 Punkte kommen. Dabei darf maximal ein Spieler mit der vollen Punktezahl auf dem Parkett rollen, es braucht also eine ausgewogene Mischung, um die Kriterien zu erfüllen. Eine durchaus knifflige Aufgabe für den Trainer. „Dazu gibt es noch Ausnahmen für Jugendspieler oder Frauen, die auch bei uns mitspielen können und bei denen dann Punkte von der eigentlichen Einstufung abgezogen werden“, erklärt Zankl.

Dass sein Team mittlerweile das Maß aller Dinge im österreichischen Rollstuhl-Basketball ist und im Mai den bereits elften Titel in Serie feierte, hat für ihn einen klaren Grund: „Mein Motto war immer: Wir machen es gescheit oder gar nicht! Einfach nur aus Spaß ein paar Bälle zu werfen, dafür ist mir meine Zeit zu schade.“ Regelmäßiges Training, Disziplin und eine gute Einstellung – alles Dinge, die er von seinen Spielern einfordert. „Für mich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob jemand im Rollstuhl sitzt oder nicht. Es geht darum, etwas erreichen zu wollen. Und um die Bereitschaft, etwas dafür zu investieren.“

Und nicht nur in diesem Ansatz unterscheidet sich Rollstuhl-Basketball nicht von der Fußgeher-Variante. Auch was Regelwerk und Taktik angeht ist beides miteinander vergleichbar. Drei-Punkte-Linie, Angriffszeit, Foulregel, alles funktioniert im Prinzip gleich. „Der einzige große Unterschied ist der Rollstuhl selber. Er ist dominant, man kann ihm schwer ausweichen. Deshalb kommt es manchmal zu Zusammenstößen, bei denen ein Spieler auch mal aus dem Rolli fällt. Das schaut für Außenstehende immer sehr brutal aus“, sagt Zankl lachend. „Meistens geht es aber glimpflich aus.“

Internationale Ambitionen

Wer auf nationaler Ebene so vorneweg marschiert, hat natürlich auch internationale Ambitionen. Die Sitting Bulls waren bereits in verschiedenen Europacup-Bewerben am Start, zuletzt sogar im höchsten, der Champions League. Dort musste allerdings Lehrgeld bezahlt werden, was auch mit Lospech und der Tatsache, dass Vereine in Deutschland oder Spanien über deutlich höhere Budgets verfügen, zu tun hat. Derzeit steht man im Europa-Ranking auf Platz 20, „was durchaus unserem sportlichen Niveau entspricht“, so Zankl. „Mein Ziel ist es, in einem europäischen Bewerb ein Final Four zu erreichen (Anm.: Endturnier der vier besten Mannschaften), das wäre ein großartiger Erfolg.“

Wer den Ehrgeiz des 62-Jährigen, der als Sportlehrer mittlerweile seine Korridor-Pension angetreten hat, kennt, kann sich gut vorstellen, dass ihm das auch noch gelingen wird. Auch wenn es in diesen Zeiten gar nicht so leicht ist, starken Nachwuchs zu rekrutieren und davon zu überzeugen, dass Sport auch für Menschen mit Behinderung eine gute Lebensschule ist. „Die Sitting Bulls sind schon so etwas wie mein Lebenswerk. Wir haben gemeinsam viele Höhen und Tiefen erlebt, an dieser Aufgabe hängt mein Herz“, sagt er. Dass harte Arbeit am Ende belohnt wird, haben er und seiner Spieler ja schon oft genug erfahren.

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